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Töpfer: Chancen der Energiewende nicht durch hohe Preise "kaputt machen"

Der ehemalige Bundesumweltminister und Chef des UNO-Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Klaus Töpfer, erhofft sich vom Energiegipfel im Kanzleramt eine Einigung zwischen Bund und Ländern. Eine gemeinsame "klare Koordinierung" brauche es nicht zuletzt beim Thema Energieeffizienz.

Klaus Töpfer im Gespräch mit Britta Fecke | 02.11.2012
    Britta Fecke: Eigentlich ist es eine Erfolgsgeschichte: Ein Viertel des deutschen Stroms wird in Deutschland schon jetzt aus Wind- und Solarkraft gewonnen. Das ist weit mehr, als Energieexperten und Klimaschützer vor wenigen Jahren noch zu hoffen wagten. Dennoch schwingt bei dem Begriff Energiewende im Moment eher eine kritische Note mit und keine triumphale. Die EEG-Umlage, die Umlage für die erneuerbaren Energien, ist mit Kosten belastet, die gar nicht nötig sind, und geht mit so vielen Befreiungen großer Stromverbraucher einher, dass der Preis für die anderen Stromkunden steigt. Hohe Strompreise sind das eine Problem, der Netzausbau ein weiteres, und die mangelnde Koordination zwischen den Ländern im Norden, wo demnächst ein großer Teil der Energie eingefangen werden soll, und den Ländern im Süden Deutschlands sorgt für zusätzlichen Zündstoff. In einer halben Stunde treffen sich die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin zum Energiegipfel. Wir wollen aber schon jetzt darüber sprechen, wer mit welchen Interessen wo blockiert. Ich bin verbunden mit Klaus Töpfer, dem früheren Bundesumweltminister und Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Herr Töpfer, die Ministerpräsidenten der Länder haben sich schon in der letzten Woche in Weimar darauf verständigt, dass die Kosten und das EEG weiterhin für Investitionssicherheit sorgen sollen, also für den Ausbau der Erneuerbaren, aber die Kosten für die Energiewende, die sollen auch begrenzt werden. Wie kann denn das zusammengehen?

    Klaus Töpfer: Ja zunächst einmal ist es ganz erfreulich, dass die Länder sich geeinigt haben, denn jeder will möglichst viel produzieren. Das ist ja eine Wertschöpfung für die einzelnen Länder. Und wir sehen, dass die Erzeugung nicht mehr der Engpass ist, ganz im Gegenteil. Wir werden auch in diesem Jahr, um nur eine Zahl zu nennen, etwa acht Gigawatt neue Fotovoltaik in Deutschland errichtet haben. Wenn man sich dann vorstellt, ein Gigawatt ist etwa ein Kernkraftwerk, dann sind das gewaltige Mengen, die investiert werden, weil die Rahmenbedingungen günstig sind, weil die Bürger sehen, dass da eine gute Kapitalanlage ist, und weil wir sehen, dass damit auch Zukunft gesichert wird. Dann will also jeder dabei sein und will seine Interessen als Land gewährleisten. Der eine will Windenergie auf dem Meer ernten, der andere will stärker Solarenergie in der Fläche und so weiter und so fort, und wenn man sich da einigt, das ist eine wichtige Voraussetzung für eine Verbesserung der Umsetzung.

    Fecke: Genau. Aber mit dem Einigen scheint es mir, schwierig zu sein. Die einen erhoffen sich Milliardengewinne, indem sie Offshore-Anlagen im Meer installieren. Der Strom soll dann eigentlich Richtung Süden, aber Seehofer träumte letztens laut davon, Bayern-Werke zu errichten und unabhängig zu sein, also autark alles in Bayern zu produzieren, oder sogar noch die Gazprom anzuzapfen, aber nicht den Strom aus dem Norden zu konsumieren. Das klingt nicht danach, als wäre die Koordination so problemlos.

    Töpfer: Ja bisher war sie es in der Tat nicht. Wenn Sie das zusammengerechnet haben, was die einzelnen Länder produzieren wollten, bekamen Sie wesentlich mehr, als Sie überhaupt brauchen. Und eins bleibt ja unberücksichtigt: Wir haben bisher immer sehr viel auf die einzelnen Energien geguckt: Wie viel Solar kriegen wir, wie viel Wind kriegen wir. Wir müssen das im System sehen. Wir müssen ja sehen, dass wir nicht eine kontinuierliche, also rund um die Uhr laufende Erzeugung dieser Energien haben, dass wir also wissen müssen, wer kriegt eine Rückendeckung dafür, wenn die Sonne nicht scheint, wenn der Wind nicht weht. Also es ist eine schwierige Aufgabe, das alles in den Markt zu integrieren, und dafür brauchen wir wieder eine klare Koordinierung. Noch mal: Es war eine gute Meldung, als nach der letzten Ministerpräsidentenkonferenz die Mitteilung kam, die Länder haben sich geeinigt, und ich hoffe sehr, dass jetzt auch die Einigung der Länder mit der Bundesregierung erfolgt. Das geht dahin bis zur Effizienz, bis zur Frage, wie können wir besser fördern, dass unsere Häuser besser isoliert werden und damit die Kosten für den Bürger geringer.

    Fecke: Sie sprachen es an, es ist ja bisher so ein bisschen ein Stiefkind gewesen: die Energieeffizienz. Die Kosten oder die Zuschüsse wurden erst mal reduziert. Es gibt nach wie vor einen Dauerstreit zwischen Bund und Ländern, wenn es um die energetische Gebäudesanierung geht. Sehen Sie da ein Ende?

    Töpfer: Ja langsam wird man fast etwas pessimistisch darin, denn die Frage, können wir das steuerlich fördern, liegt nun wirklich schon viele, viele Monate im Vermittlungsausschuss des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, ohne dass wir hier voran kommen, und das ist dringlich notwendig, denn wenn die Preise für Energie steigen, dann müssen wir alles daran setzen, dass die Nachfrage sinken kann, dass man mit weniger Energie auskommt. Das ist ein preisbalancierendes Element von höchster Bedeutung, und das gilt natürlich für die Industrie genauso. Sie haben zurecht anmoderiert, dass wir viele Ausnahmetatbestände haben. Das ist für energieintensive Betriebe sicher richtig. Aber wir sollten sie dann auch dazu bringen, dass sie dafür als Gegenleistung eine deutlich höhere Energieeffizienz gewährleisten. Nur ein Anstieg pro Jahr um 1,3 Prozent, wie jetzt vereinbart, das kann nicht reichen, da müssen wir mehr machen.

    Fecke: Die Bundesregierung will den Ausbau der Erneuerbaren bei 40 Prozent bis zum Jahr 2020 begrenzen. Ist das eine falsche Weichenstellung im Blick auf den Klimawandel?

    Töpfer: Nein, das glaube ich nicht. Wir können es dann sicherlich auch wieder anders sehen, wenn die entsprechenden Bedingungen für den Markteintritt, also die Leitungen, die Speicher, besser geregelt sind. Und wir werden eins auch dabei sehen – und das ist das Spannende -, dass die Kosten für diese Energien deutlich zurückgehen und dass wir hinterher dahin kommen, dass wir selbst Verbraucher dafür haben, dass man seinen Strom auf seinem eigenen Dach erntet, dass man ihn selbst mit verbraucht. Denn heute zahlt man bereits über die Vergütung etwa 17, 18 Eurocent nur noch für Dachanlagen. Aber wir wissen alle: der Strom, der aus der Steckdose kommt, kostet 24, 25 Eurocent. Also Sie sehen: Wir kommen langsam in den Bereich, wo das Eigenproduzierte auch selbst mit verwandt werden kann, dass man das auch im Stadtteil mitbrauchen kann. Das sind die großartigen Chancen, die wir vor uns sehen und die wir nicht kaputt machen können dadurch, dass jetzt durch welche Zusammenhänge auch immer die Preise so steigen, dass sie der einzelne Bürger als große Belastung empfindet.

    Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzung – Klaus Töpfer war das.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.