Dienstag, 19. März 2024

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Tolan vs. Hansson
Ist der Nobelpreis überschätzt?

Er gilt als eine Art Olympische Spiele der Wissenschaft: der Nobelpreis. Doch es gibt Stimmen, die behaupten, er sei nicht mehr zeitgemäß. Kurz vor der diesjährigen Verleihung in den Kategorien Chemie, Physik und Medizin/Physiologie fragen wir: Was kann dieser Preis wirklich bewegen?

Metin Tolan und Nils Hansson im Gespräch mit Ulli Blumenthal | 30.09.2017
    Yoshinori Osumi bekam 2016 den Nobelpreis für Medizin/Physiologie für seine Beschreibung der Funktionsweise der Autophagie
    Für Forscher ist der Nobelpreis die höchste Auszeichnung. 2016 bekam Yoshinori Osumi den Preis für Medizin/Physiologie für seine Beschreibung der Funktionsweise der Autophagie bei Zellen. (picture alliance / dpa / Kyodo)
    Es diskutieren der Physiker Metin Tolan und der Medizinhistoriker Nils Hansson.
    Metin Tolan: "Der Nobelpreis hat sein hohes Ansehen völlig verdient. Es ist gut für die Wissenschaft, und die Welt wäre kein bisschen besser ohne den Nobelpreis - im Gegenteil. Es gibt so gut wie keine Verleihung von Nobelpreisen in den Bereichen Medizin, Chemie und Physik, die die Fachwelt nicht nachvollziehen konnte. Hier sind immer bahnbrechende Erkenntnisse prämiert worden, die zu Recht durch dem Nobelpreis eine weltweite Anerkennung genossen haben. Einschränkungen kann man höchstens beim Literatur- und beim Friedensnobelpreis machen, bei denen oftmals auch 'Strömungen' prämiert wurden, die nicht immer so klar als herausragend identifiziert werden können. Aber auch bei diesen Preisen sind die geehrten Personen immer herausragende Persönlichkeiten, die eine solche Auszeichnung mehr als verdient haben. Die Wirtschaftswissenschaften möchte ich hier etwas ausklammern, denn dieser Nobelpreis wurde ja erst nachträglich eingeführt und ist daher nicht auf das Vermächtnis von Alfred Nobel zurückzuführen."
    Nils Hansson: "Mehrere Faktoren tragen zum Renommee des Nobelpreises bei. Zum Einen handelt es sich um eine geschichtsträchtige Auszeichnung, zum anderen winkt ein beträchtliches Preisgeld. Da der Preis gleich in fünf Kategorien – Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Frieden – vergeben wird, wurde er bereits um die Wende zum 20. Jahrhundert als eine Art Olympische Spiele der Wissenschaft bezeichnet. Auch wenn der Name Alfred Nobel als "Erfinder des Dynamits" bereits in den frühen Jahren zur Aufmerksamkeit beitrug, hat das Medienecho seit der ersten Preisverteilung drastisch zugenommen. Kritiker sehen jedoch häufig nur den Glamour rund um die feierliche Preiszeremonie, aber nicht die Vorteile für einzelne Forscher, Universitäten, ja gar Nationen. Auch aus wissenschaftshistorischer Sicht wirft der Preis spannende Fragen über Exzellenz in den Wissenschaften auf, die zum besseren Verständnis der Funktionsweise moderner Wissenschaft beitragen. Somit ist die Reputation des Nobelpreises kaum zu überschätzen."
    Nils Hansson ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er forscht dort unter anderem zur Geschichte des Nobelspreises für Physiologie oder Medizin.
    Metin Tolan ist Professor für Experimentelle Physik an der Technischen Universität Dortmund. Als Wissenschaftskabarettist tritt er auch mit Vorträgen etwa zur Physik in "Star Trek", "James Bond" oder im Fußball auf.