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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Bio-Brennstoffzelle für Kläranlagen

Kläranlagen sind regelrechte Stromfresser. Dabei enthalten die Fäkalien, Essens- und Pflanzenreste im Abwasser mehr Energie als für den Betrieb der Anlagen nötig wäre. Forscher wollen aus dem Abwasser deshalb auf direktem Weg Strom erzeugen - mit Hilfe sogenannter elektroaktiver Bakterien.

Von Andrea Hoferichter | 12.05.2020
Pilotanlage einer bio-elektrochemischen Brennstoffzelle, in der Mikroorganismen organische Schmutzstoffe abbauen und dabei Strom erzeugen
Pilotanlage einer bio-elektrischen Brennstoffzelle für Kleinkläranlagen (Copyright: Andrea Hoferichter / Deutschlandfunk)
Ein Labor an der Technischen Universität Braunschweig. Der Wissenschaftler Keith Brown öffnet einen weißen Schrank. Zu sehen sind Glaskolben, in denen stabförmige Elektroden stecken – und die Hauptakteure eines Projekts zur Abwasserreinigung.

"In den Brutkästen hier ziehen wir unsere elektrochemisch aktiven Bakterien an. Die haben typischerweise eine rotbraune Färbung. Das ist bezeichnend für die Spezies, die aus dem Sediment kommen, wie zum Beispiel Geobacter."

Elektroaktive Bakterien bauen kohlenstoffreiche, organische Substanzen ab: Pflanzenreste zum Beispiel, aber eben auch Fäkalien und Urin. Dabei übertragen sie Elektronen, die in sogenannten Bio-Brennstoffzellen abgesaugt werden können, um Strom zu produzieren. Vor einigen Jahren kam Keith Brown gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Sievers von der technischen Universität Clausthal auf die Idee, solche elektroaktiven Mikroben zwecks Stromerzeugung mit dem Abwasser von Kläranlagen zu füttern. Schließlich enthält die stinkende Brühe aus den Abwasserkanälen vier bis fünf Mal so viel Energie, wie für den Betrieb einer Kläranlage nötig ist.
"Im Moment ist es so, dass der Energieverbrauch bei großen Anlagen bei 30 Kilowattstunden pro Einwohner und Jahr ist. Die kleinen haben 60, 70. Was wir wollen ist: Wir wollen es umwandeln in Richtung Energieproduktion zwischen fünf und zehn Kilowattstunden. Das heißt also: von minus 30 auf plus zehn. Das ist die Kehrtwende. Deshalb ist es auch eine echte Energiewende in der Abwasserbehandlung."
Bio-Brennstoffzellen als Ergänzung zu Faulgasanlgen
Ende 2016 startete ein erstes Pilotprojekt dazu. Drei Jahre lang reinigten elektroaktive Bakterien Abwasser an der Kläranlage Goslar, täglich etwa 4000 Liter. Die Stromernte lag zwischen acht und zwölf Kilowattstunden pro Einwohner und Jahr.
"Das ist nicht wenig, wenn man das vergleicht mit der Stromproduktion aus der Faulgasverwertung. Dort wird auch etwa zehn bis zwölf Kilowattstunden produziert pro Einwohner und Jahr. Sodass wir da schon in der gleichen Größenordnung sind."
Die Faulgasverwertung ist eine längst etablierte Methode, um Energie aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen. Dabei entsteht zunächst Biogas, das dann in einem Blockheizkraftwerk verbrannt wird, um Strom und Wärme zu erzeugen. Michael Sievers sieht die Bio-Brennstoffzellen aber nicht als Konkurrenz zu den Faulungsanlagen, sondern als Ergänzung.

"Das hat zwei Gründe: Zum einen kann man mit der Bio-Brennstoffzelle nur Strom erzeugen. Und Wärme wird auch benötigt für den Betrieb der Kläranlage. Der zweite Grund ist, dass das Abwasser immer so zusammengesetzt ist, dass zunächst der Primärschlamm abgetrennt wird. Der wird grundsätzlich gefault. Und in der Bio-Brennstoffzelle benutzen wir vorgeklärtes Abwasser ohne Primärschlamm."
Kommunale Kläranlagen als neue Energiequelle
Die Bio-Brennstoffzellen seien zudem wirtschaftlich, sagt Michael Sievers. Nicht so sehr wegen der Stromproduktion, sondern weil durch die zersetzende Wirkung der Bakterien insgesamt weniger Klärschlamm anfalle und damit die Entsorgungskosten schrumpften. Wie groß dieser Effekt ist, wollen die Forscher nun in einem Folgeprojekt herausfinden. Seit Januar sitzen sie an Plänen für eine eigenständige Kläranlage für 250 Einwohner. Die neue Anlage soll weniger stromfressende Pumpen und Gebläse brauchen und – dank einer Abwasservorbehandlung – auch bei Extremwetter zuverlässig funktionieren. In der Pilotanlage war es nämlich nach heftigen Regengüssen zu Überlastungen der Vorklärbecken gekommen – und damit zu Verstopfungen.
"Das ganze Konzept muss robuster werden. Und da gehen wir von mehreren Seiten heran: Wir versuchen, den Biofilm aktiv zu beobachten. Dann versuchen wir, die Stromproduktion in Abhängigkeit von den Abwasserschwankungen zu steuern, also das ganze Konzept zu automatisieren, sodass alles betriebssicher abläuft."
Die Qualität des Biofilms spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie leidet zum Beispiel, wenn den Bakterien zu viel Energie abzwackt wird. Dann wachsen sie langsamer und schwächeln, wenn sich zum Beispiel die Temperatur oder der pH-Wert ändert. Auch zu viel Sauerstoff kann ihnen schaden. Die Forscher in Braunschweig ermitteln deshalb gerade in einer Art Bakterien-Casting, welche Arten sich am besten eignen. Kandidaten gebe es jedenfalls genug, sagt Keith Brown.
"In der Umwelt gibt es zig Milliarden Spezies an Bakterien. Und was wir tun, ist, durch ein Versuchsprogramm ein Raster anzulegen. Wir filtern sozusagen die raus, die das nicht schaffen. Und die, die es schaffen, sind dann die, die wir haben wollen letzten Endes. Also die, die sich am besten an die Versuchsbedingungen anpassen können."