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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Das Segelschiff ohne Segel

Windkraft soll in Zukunft Frachtschiffe antreiben. Segel kommen dabei allerdings nicht zum Einsatz. Stattdessen greift der Wind an den hohen, schlanken Rumpf des Schiffes. Bis das neuartige Windschiff lossegeln kann, muss sein Erfinder aber noch einige Hindernisse überwinden.

Von Tomma Schröder | 21.01.2020
Aker Wayfarer
Frachtschiffe sollen in Zukunft auch vom Wind angetrieben werden (Lade AS)
Ein futuristisches weißes Schiff gleitet mühelos durchs Wasser. Es ist schlank, hat einen sehr hohen Rumpf, der vorn und hinten spitz zuläuft, und oben drauf einen modernen breiten Überbau. Wenn man flüchtig schaut, könnte man meinen, ein Bügeleisen fährt übers Meer. Tatsächlich aber zeigt der Imagefilm die Erfindung von Terje Lade: das Windschiff, das mit seinem Rumpf segeln kann und mit Hilfe eines Flüssiggas-Antriebs auf konstanter Geschwindigkeit gehalten wird. 200 Meter ist es lang und kann 6.600 Autos transportieren. Die Idee für diesen Autotransporter ließ der Norweger sich bereits 2012 patentieren ließ. Seitdem ist einiges passiert.
"Wir haben das Design seitdem verbessert und jetzt eine optimale Lösung gefunden, die wir gerade testen und validieren. Das Konzept besteht aus drei Schlüsselkomponenten: Dem Rumpf, der so geformt ist, dass er eine Kraft in Fahrtrichtung erzeugen kann. Dem Tempomat, der eine konstante Geschwindigkeit des Schiffes gewährleistet, auch wenn die Windverhältnisse sich verändern. Und dem Wetter-Routing-Modul, entwickelt von einem Fraunhofer-Institut in Deutschland, das beispielsweise den besten Weg über den Atlantik findet. "
Automatische Routenberechnung
Auch diese Software, die das Schiff bei jedem Wind und Wetter möglichst schnell und energieeffizient über das Meer bringen soll, ist verfeinert worden. Sie wurde am Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg entwickelt – unter anderem von Tina Schadweiler:
"Wir haben ein kleines User-Interface erstellt, mit dem man dann auch selbst Routenberechnung machen kann. Das sieht so aus: Man gibt den Starthafen ein, zum Beispiel Zeebrügge in Belgien, und gibt dann den Zielhafen ein, zum Beispiel Veracruz in Mexiko. Ich kann dann eingeben: Möchte ich anhand der Geschwindigkeit optimieren? Ja. Ich klicke auf ,ausführen‘ und er berechnet uns die Route. Und er gibt die Reisezeit und gibt die Brennstoff-Verbräuche aus."
Ein Schiff mit einem hohen Rumpf liegt am Kai, während Lastfahrzeuge vom Schiff an Land fahren
So soll das Windschiff einmal aussehen. (Lade AS)
Hat man es nicht so eilig, kann man sich auch die effizienteste Route ausrechnen lassen und so Treibstoff sparen. Ohnehin verbraucht das Windschiff bei einer gewöhnlichen Fahrt über den Atlantik 60 Prozent weniger Treibstoff und erzeugt 80 Prozent weniger Emissionen als ein konventionelles Schiff gleicher Größe, sagen die Berechnungen. Allerdings basieren die noch auf Computersimulationen mit dem alten Schiffsdesign. Wie das neue abschneidet, wird in Hamburg gerade noch analysiert – auch diesmal wieder nicht auf dem Meer, sondern im Computer.
"Heutzutage wird alles digital gemacht. Das heißt, das Schiff wird digital gebaut und es wird auch digital getestet: die Belastung, das Gewicht und das Volumen, aus dem wiederum der Schiffswiderstand abgeleitet werden kann. Und daraus lässt sich dann auch der Treibstoffverbrauch und die Emissionen berechnen. Demnach stößt ein Referenzschiff mit gleicher Frachtkapazität pro Jahr 16.000 Tonnen mehr CO2 aus als das Windschiff. Das entspricht etwa der Menge, die ein Auto mit durchschnittlicher Jahreskilometerleistung in 10.800 Jahren ausstoßen würde."
Investoren gesucht
Wenn man das hört, könnte man meinen, die Reeder müssten Terje Lade die Türe einrennen – gerade in Zeiten von verschärften Emissionsgrenzwerten und Klimadiskussionen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Zwar hat das Schiff gerade den German Design Award gewonnen und bekam in der Vergangenheit auch medial recht viel Aufmerksamkeit. In der Schiffsbranche selbst will die Idee aber bisher nicht so recht zünden. Eine kroatische Werft, die das Schiff bauen wollte und bereits einen letter of intent unterschrieben hatte, geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Und so stand der norwegische Tüftler mit seinem Konzept bald wieder allein da. Den Ingenieur Nils Hagemeister vom Hamburger Fraunhofer-Institut, der die Software für das Windschiff mit entwickelt hat, wundert das nicht.
"Die Schifffahrt ist traditionell relativ konservativ und lässt sich nicht so gerne auf neue Sachen ein, die noch niemand ausprobiert hat. Aber in diesem Fall – wenn Herr Lade das schafft, ein Schiff sozusagen in Fahrt zu bringen, dann könnte ich mir vorstellen, dass das ein Erfolg wird."
Und genau daran arbeitet Terje Lade gerade.
"Reeder sind sehr konservativ. Sie müssen ihnen also irgendwie den Weg zeigen, den sie einschlagen sollten. Wir haben daher eine Schiffsbeteiligungsgesellschaft mit dem Namen Vindship AS gegründet und eine Vereinbarung mit ihr geschlossen, die ihr das Recht gibt, das erste Schiff zu bauen. Und jetzt suchen wir natürlich Investoren, die in dieses Unternehmen investieren. Wir hoffen, im nächsten Jahr einen neuen Bauvertrag mit einer Werft unterzeichnen zu können. Das ist unser Ziel. Dann könnte das erste Schiff 2022 oder 23 lossegeln."