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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Die Alternative zur Zündkerze

Ingenieure tüfteln schon lange daran, den Motor von Benzinern sparsamer zu machen. Eine mögliche Lösung: Die Zündkerze durch eine Hochfrequenzzündung ersetzen. Dadurch würde die Verbrennung deutlich effizienter, das Fahren günstiger und umweltfreundlicher.

Von Frank Grotelüschen | 01.08.2017
    Nahaufnahme einer Zündkerze der Firma Bosch. Eine Mitarbeiterin hält sie am 27.04.2012 in der Bosch-Produktion in Bamberg zwischen ihren Fingern. Im Hintergrund sind weitere Zünskerzen zu sehen
    Sollte sich die Hochfrequenzzündung im Praxistest beweisen, könnte diese herkömmliche Zündkerze bald ausgedient haben. (dpa / David Ebener)
    Vollgas geben, den Motor so richtig aufdrehen - am Teststand der Firma BorgWarner Emission Systems ist das Alltag. Der Automobilzulieferer aus Ludwigsburg bietet unter anderem Zündanlagen an. Ohne die nämlich kommt ein Benziner nicht zum Laufen.
    "Bei einem heutigen Ottomotor wird die Verbrennung mittels einer Funkenzündung eingeleitet. Das ist eine Kombination aus einer Zündkerze, die in den Motorblock eingeschraubt wird, und einer darauf montierten Zündspule", sagt BorgWarner-Ingenieur Alexander Schenk.
    Heutige Zündkerzen laufen bei einer Hochspannung von bis zu 40 Kilovolt. Bei einer derart hohen Spannung springt buchstäblich der Funke über und entzündet das eingespritzte Benzin.
    "Das bedeutet für die Verbrennung: Wir haben eine relativ kleine Zündquelle, die relativ heiß ist. Wir haben da ungefähr 6000 Kelvin. Das entspricht ungefähr der Sonnenoberfläche."
    Kaskade aus vielen winzigen Blitzen
    So läuft es im Prinzip seit einem Jahrhundert. Doch vor etwa 20 Jahren kam eine neue Idee auf: Wie wäre es, nicht mit einem einzelnen Funken zu zünden, sondern mit einer Kaskade aus vielen winzigen Blitzen - einem regelrechten Strahlenkranz, einer Corona? So eine Corona-Zündung sollte einen beträchtlichen Vorteil zeigen.
    "Das Zündvolumen ist bis in den Kubikzentimeter-Bereich, während der Zündfunke einer Zündkerze sich maximal im Kubikmillimeter-Bereich bewegt. Eine Corona-Gasentladung kann um den Faktor 1000 größer sein als der Zündfunke einer Zündkerze."
    Das bedeutet: Das Benzin wird in einem größeren Volumen gezündet. Dadurch kann die Verbrennung schneller und präziser starten, der Treibstoff verbrennt effizienter.
    Hochfrequenz-Zündung
    Technisch gesehen braucht es dafür zwei Zutaten: Statt einer Gleichspannung muss die Anlage mit einer hochfrequenten Wechselspannung arbeiten - weshalb man die Corona-Zündung auch als Hochfrequenz-Zündung bezeichnet. Und: Die Zündkerze wird ersetzt durch ein Areal aus mehreren dünnen, spitzen Elektroden, regelrechten Zündnadeln.
    "Dadurch, dass die Elektrode so spitz ist wie eine Nadel, konzentriert sich unmittelbar davor das elektrische Feld. Erst dadurch wird die Corona-Gasentladung ermöglicht. Man kann es sich vorstellen wie diese Plasmakugeln, die es als Dekoration für zuhause gibt. So sieht es ein bisschen aus."
    Um das Jahr 2000 hatte die Forschung an dem neuen Zündverfahren begonnen, unter anderem bei Siemens. Seit 2009 ist BorgWarner an dem Thema dran, als das Unternehmen die Patente eines US-Startups kaufte. Anfangs hatten die Experten gleich mehrere Schwierigkeiten zu meistern.
    Anfangsschwierigkeiten
    Zum Beispiel: "Die besondere Herausforderung, dafür zu sorgen, dass die Corona-Gasentladung wirklich nur an den Elektroden stattfindet und nirgendwo sonst in oder am Zündgerät."
    Und: Bei frühen Prototypen gab es Probleme bei Vollgas: Bei hohem Druck im Brennraum konnte sich die Corona nicht richtig ausbreiten. Die Folge: eine suboptimale Verbrennung.
    "Lange Zeit wurde bezweifelt, dass man die Corona-Zündung überhaupt serienreif bekommen könnte. Aber heute ist es so: Die Funktionsfähigkeit ist in allen Betriebspunkten nachgewiesen."
    Schenk und seine Leute haben ihre jüngsten Prototypen auf Herz und Nieren geprüft, Kaltstarts und Dauertests auf dem Motorprüfstand inklusive.
    "Da ist das System erfreulich positiv aus den Tests hervorgegangen. Natürlich gab es die eine oder andere Auffälligkeit. Es gab aber keine Totalausfälle, wie von einigen erwartet. Der technische Reifegrad wird als sehr gut bewertet. Es stellt auch keiner mehr die Realisierbarkeit des Systems für eine Serienentwicklung infrage."
    Praxistests im Labor
    Und wie sieht das System in der Praxis aus? Das zeigt Alexander Schenk in seinem Labor. Dort steht ein kleiner Demonstrator.
    "Sie sehen hier den Kolben, den aufgeschnittene Brennraum mit den zwei Ventilen. Jetzt kann ich das Ding mal anmachen."
    "7000 Umdrehungen. Man hört's: Die Frequenz nimmt zu."
    Jetzt fährt Schenk die Zündspannung hoch, das Knattern wird lauter, Funken schlagen über.
    "Ab einer gewissen Größe gibt es Funkendurchschläge. Sehen Sie das? Das ist der Zustand, den wir nicht haben wollen."
    Dann regelt er die Spannung wieder runter, und die unguten Durchschläge hören wieder auf.
    Teurer als eine herkömmliche Zündanlage
    Zwar zeigt die neue Technologie einige Einschränkungen: Sie wird teurer sein als eine herkömmliche Zündanlage und benötigt wegen des großen Steuergeräts mehr Platz im Motorraum. Und: Die Hersteller werden ihre Motoren geringfügig anpassen müssen, die derzeitigen Aggregate lassen sich also nicht nachrüsten. Die Vorteile aber klingen verlockend: keine Zündkerzen-Wechsel mehr, und gerade bei niedrigen Drehzahlen soll der Motor merklich runder laufen. Und: Er soll deutlich weniger Benzin verbrauchen und damit weniger CO2 ausstoßen.
    "Einer unserer Entwicklungspartner hat die Corona-Zündung mit einem modernen Brennverfahren kombiniert und am Motorprüfstand getestet und kam zu Verbrauchsreduzierungen um die zehn Prozent."
    Die Basisarbeiten sind abgeschlossen, nun beginnt die Serienentwicklung. Doch bis der erste Pkw mit eingebauter Corona-Zündung über die Straßen rollt, dürfte noch einige Zeit vergehen: Die Experten rechnen mit einem Markteintritt nicht vor 2020.