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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Holografische Speichermedien

Im Jahr 2005 präsentierten Forscher im US-Bundesstaat Colorado den Prototyp eines optischen Datenspeichers. Dank Holografie sollte das neue Medium weitaus mehr Informationen in Form räumlicher Lichtmuster speichern als die damals weit verbreiteten DVDs. Die Fachwelt war elektrisiert. Doch die Euphorie verpuffte schnell.

Von Ralf Krauter | 05.12.2017
    DVD
    Die Holodisc sollte bis zu 1,6 Terabyte pro Scheibe speichern können, 340 mal mehr als die damals weit verbreiteten DVDs (imago / AFLO)
    InPhase Technologies - so hieß die Firma aus Colorado, die den Markt für digitale Speichermedien revolutionieren wollte. Der Prototyp der holografischen Festplatte, die InPhase 2005 präsentierte, war etwa doppelt so groß wie ein Toaster und speicherte Information auf einer drei Millimeter dicken transparenten Plastikscheibe. Firmenchef Nelson Diaz erklärte dem Deutschlandfunk damals die Vorzüge der neuen Technik.
    "Wir nennen es räumliche Speicherung. Denn im Gegensatz zu herkömmlichen CDs oder DVDs, bei denen lediglich die Oberfläche beschrieben wird, nutzen wir das gesamte Volumen unseres Speichermediums."
    Das Prinzip: Zwei Laserstrahlen, die sich überlagern, schreiben Punkt für Punkt holografische 3D-Bilder in das transparente Speichermedium. Schachbrettartige Hell-dunkel-Muster mit je rund einer Million Bits, die sich mit einem weiteren Laserstrahl wieder abrufen lassen. Bis zu 1,6 Terabyte sollten sich so auf einer Scheibe speichern lassen: 340 mal mehr als auf einer DVD - für damalige Verhältnisse ein Riesenfortschritt. Ein Prototyp mit 300 Gigabyte belegte, dass das Prinzip funktioniert. Gebaut hatten ihn die Entwickler in Kooperation mit dem japanischen Elektronikkonzern Hitachi Maxell. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Daten auslesen ließen, war zehnmal höher als bei einer DVD und setzte neue Maßstäbe.
    "Unser erstes Produkt zielt auf professionelle Anwender von Massenspeichern, also Bibliotheken und Archive aller Art – aber auch Fernsehanstalten, die ihre Filme digital speichern wollen. Für diesen High-end-Bereich wollen wir bis Ende nächsten Jahres unseren ersten Holo-Speicher auf den Markt bringen."
    100 Millionen US-Dollar soll die Firma ausgegeben haben
    Doch soweit kam es nie. 2010 meldete InPhase Technologies Konkurs an. Analysten zufolge hatte das Unternehmen bis dahin rund 100 Millionen US-Dollar verbrannt, ohne jemals auch nur eine einzige Holodisc verkauft zu haben. Ein Grund für die Pleite: Es dauerte viel länger als geplant, aus dem Prototyp ein marktreifes Produkt zu entwickeln. Unter anderem die Langzeitstabilität des polymerbasierten Speichermediums machte Probleme, erklärt die Physikprofessorin Cornelia Denz von der Universität Münster.
    "Und wenn wir von einem Archivspeicher sprechen, möchten sie als Kunde natürlich, dass so ein Speicher viele Jahre hält – viele Jahrzehnte. Und das war die Herausforderung damals, dieses Material so zu präparieren, dass das möglich ist. Was nicht so einfach zu bewerkstelligen ist. Also die Materialfrage war nicht ganz geklärt. Nichtsdestotrotz war das nicht der Grund, weshalb das nicht weiter verfolgt wurde. Der Grund war einfach, dass andere Technologien für die Firmen kommerziell besser und günstiger waren und die dann vorgezogen wurden."
    Cornelia Denz hat selbst viele Jahre an holografischen Speichern geforscht – und war lange in guter Gesellschaft. Die Möglichkeit, große Datenmengen auf engstem Raum zu speichern und auszulesen – und zwar nicht Bit für Bit, sondern hochparallel, millionenfach gleichzeitig, und damit zigfach schneller als üblich -, weckte seinerzeit reges Interesse. Bereits im Dezember 2004 hatten mächtige Firmen wie IBM, Philips, Sony und Toshiba eine Allianz zur Entwicklung der 'holographic versatile disc' gebildet und Standards definiert. Die Holodisc galt unter Experten als logischer Nachfolger der Blue-Ray-DVD.
    "IBM hat sehr intensiv daran gearbeitet, es gab auch ein europäisches Konsortium. Überall wurden leicht verschiedene Technologien patentiert. Was es für die Firmen schwierig gemacht hat, diese Patente umzusetzen, war die Entwicklung der Flash-Speicher. Der Flash-Speicher, der heute auch unsere USB-Sticks so hochkapazitiv macht, war einfach die Methode, die der Halbleitertechnologie mehr entsprach und die technologisch leichter umzusetzen war. Das war der Grund, weshalb dann vor zehn Jahren die Entwicklung eine andere Richtung genommen hat."
    Haben holografische Speichermedien doch eine Zukunft?
    Hätte InPhase das ursprüngliche Versprechen eingelöst und tatsächlich schon 2006 kommerzielle Holodiscs auf den Markt gebracht, wäre vielleicht alles anders gekommen. Doch mit jedem Jahr, in dem man nicht liefern konnte, schrumpften die Chancen der neuen Technologie - weil die Konkurrenz aufholte. Um 2008 überschritten auch konventionelle Festplatten das magische Datenvolumen von einem Terabyte und die kompakten Flash-Speicher erlaubten schnellere Zugriffszeiten. Im Labor hätten Holodiscs in puncto Speicherdichte und Auslesetempo zwar bis heute die Nase vorn, sagt Cornelia Denz. Doch für den Siegeszug auf breiter Front reichte das nicht.
    "Die eleganteste oder technisch vielleicht beste Methode ist nicht unbedingt die, die auf dem Markt gewinnt. Denn die Unternehmen möchten ja eine sehr große Profitmarge für ihre Produkte haben. Und das war in diesem Fall, durch die Neuentwicklung des Verfahrens nicht der Fall – weshalb man das dann zurück gestellt hat. Ich weiß, dass IBM und andere große Firmen, auch Firmen wie Kodak und Agfa tatsächlich die Patente noch aktiviert haben und warten bis die Zeit reif ist, diese neue Technologie auch einzuführen."
    Die Physikprofessorin aus Münster ist auch zehn Jahre nach der ersten Euphorie noch überzeugt, dass holografische Speichermedien eine große Zukunft vor sich haben. Und zwar in Bibliotheken und Archiven, wo es darum geht, die gigantischen Datenmengen, die die Menschheit Tag für Tag produziert, dauerhaft zu speichern.