Freitag, 29. März 2024

Archiv

Tolle Idee! Was wurde daraus?
Mikrowellen erzeugen Tageslicht

Vor 30 Jahren haben Mitarbeiter des US-Unternehmens Fusion Systems erstmals eine mit Argon und Schwefel gefüllte Glaskugel durch Mikrowellenstrahlung zum Leuchten gebracht. Das Lichtspektrum dieser Technik entspricht dem der Sonne. Den Massenmarkt hat die effiziente und energiesparende Lampe aber nie erobert.

Von Simon Schomäcker | 07.01.2020
Das Lichtspektrum einer Argon-Schwefel-Lampe entspricht dem der Sonne
Das Lichtspektrum einer Argon-Schwefel-Lampe entspricht dem der Sonne ( Copyright Plasma International GmbH)
Ein Gewächshaus für Gemüse-Aufzucht. Für ein besseres Ernte-Ergebnis sorgen hier Argon-Schwefel-Lampen, deren Lichtspektrum dem von Tageslicht ähnelt. Von Mikrowellen angeregt, sendet das Gasgemisch darin weißes Licht aus – ganz anders als die orangefarbenen Natriumdampflampen, die bis heute im Gartenbau sehr weit verbreitet sind. Doch wenn man sie benutzt, sagt der Elektro-Ingenieur Boris Lutterbach aus der Nähe von Frankfurt am Main, sei das Ergebnis oft nicht optimal.
"Man kriegt zwar eine gute Biomasse hin, man kriegt aber keinen guten Geschmack hin, man kriegt keinen wirklichen Vitamingehalt hin, weil es wirklich ein sehr eingeschränktes Spektrum ist. Und mein Ansatz war schon immer: Warum sollte man Pflanzen etwas anderes geben als echtes Sonnenlicht? Wo alle Wellenlängen vorhanden sind, dass die Pflanzen einfach gut wachsen können und auch ihr volles genetisches Potenzial ausschöpfen".
Mikrowellenstrahlung bringt Argon-Schwefel-Lampe zum Leuchten
Seit 2004 beschäftigt sich Boris Lutterbach nun mit der Argon-Schwefel-Lampe. Es gibt sie in Ausführungen von 300 bis 3.000 Watt Leistung. Das gasförmige Leuchtmittel befindet sich in einem Kolben aus Quarzglas, der die Form und die Größe eines Stielbonbons mit Kugel hat. Was die Technik für Lutterbach interessant machte, war die Möglichkeit, das Leuchtmittel anstelle von Elektroden mit Mikrowellen anzuregen.
"Der größte Vorteil an elektrodenlosen Lampensystemen liegt darin, dass die Lebensdauer von den Leuchtmitteln fast unbegrenzt ist. Sie müssen es sich so vorstellen: In normalen Lampensystemen, in denen Elektroden vorhanden sind, werden die Elektroden nach und nach abgebaut, die verbrauchen sich. Die Abbaustoffe verunreinigen wiederum die Gasmischung, was zur Verfälschung des Spektrums führt. Und auch die Lichtintensität lässt bei "elektrodenbelasteten" Lampen nach."
Was Boris Lutterbach anfangs nicht wusste: Knapp 15 Jahre zuvor hatten Forscher in den USA schon genau dieselbe Idee gehabt. Daraufhin fingen weltweit mehrere Lampenhersteller an, sich mit der Mikrowellen-Technologie zu beschäftigen – auch in Deutschland. Mit dabei war der Münchner Entladungslampen-Experte Dr. Klaus Stockwald. Er erinnert sich an Versuchsreihen mit Schwefel-Dimeren - Moleküle, die aus zwei Schwefelatomen bestehen.
"In den 1980er Jahren wurden bereits Dimere des Schwefels für Laser-Anwendungen untersucht. Was auch gefunden wurde ist, dass diese S2-Dimere in einem bestimmten Druckbereich ohne Einsatz von Quecksilber UV-Strahlung erzeugen."
Durch den Zusatz von Argon entsteht schließlich ein Sonnenlichtspektrum. Elektroden kamen bei diesem Leuchtstoffgemisch von vornherein nicht infrage, da Schwefel das Metall zu schnell korrodieren ließe. Also blieben nur elektromagnetische Wellen übrig. Dazu braucht man ein Magnetron, einen Hochfrequenzgenerator, der auch in Mikrowellenherden verbaut ist.
"Die ersten Systeme waren 1 kW-Systeme mit der Eigenschaft, dass man natürlich diese hohe Strahlungseffizienz, die man bei Schwefel erreichen kann, 170 Lumen pro Watt, nicht so einfach umsetzen konnte. Weil die Mikrowellen-Generatoren nur bei 50 Prozent Wirkungsgrad lagen."
Das Lichtspektrum der Argon-Schwefel-Lampe entspricht dem der Sonne
Dadurch war der Energieverbrauch von Argon-Schwefel-Lampen sehr hoch und die Magnetrone gaben nach 10.000 Betriebsstunden den Geist auf. Aufgrund der hohen Strahlungsenergie von fünf Kilowatt heizte sich der Glaskolben zudem stark auf und musste mit Druckluft gekühlt werden. Bei heutigen Modellen mit maximal drei Kilowatt ist das nicht mehr nötig. Dennoch muss der Kolben immer noch im elektrischen Feld rotieren. Sonst gerät die Leuchtstoff-Mischung aus der Balance. Lichtexperten wie Boris Lutterbach sehen trotzdem Potenziale in der Technik – wegen des Sonnenlicht-Spektrums, das auch fürs Ausleuchten von Filmsets oder für die Photovoltaik-Forschung nützlich sein kann.
"Es war in der Vergangenheit immer sehr schwierig. Da mussten verschiedene Lampensysteme kombiniert werden, um das echte Sonnenspektrum darzustellen. Und es mussten auch spezielle Filter verwendet werden. Und das können wir alles nur mit unserem Leuchtmittel darstellen"
Dank Halbleitertechnik wird die eingestrahlte Mikrowellenleistung heute zu 75 Prozent in Lichtleistung umgewandelt – und davon sind 97 Prozent tatsächlich auch sichtbar. Die Betriebselektronik ist ebenfalls nicht mehr so störanfällig wie bei den ersten Modellen. In etwa 40 Sekunden entfaltet die Lampe ihre volle Leuchtkraft – und brennt bis zu 100.000 Stunden. Trotz geplanter Folgeforschungen werden auf dem Massenmarkt wohl LED weiter die Nase vorn behalten. Denn auch deren Spektrum kann dem von Tageslicht ziemlich nahe kommen. Und sie verbrauchen weniger Energie, sind wartungsärmer, lassen sich flexibler einsetzen und in größerer Stückzahl und kostengünstiger fertigen.