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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Optische Computerchips durch langsames Licht

Licht bewegt sich normalerweise extrem schnell. Mithilfe von Tricks lässt sich Informationsübertragung über Licht verlangsamen. Dieses Prinzip sollte neuartige optische Computerchips möglich machen. Doch dabei stehen die Forschenden noch vor einigen Schwierigkeiten.

Von Simon Schomäcker | 04.08.2020
Ein Mann hält am 20.08.2014 in Neumünster (Schleswig-Holstein) seine Hand vor einen Verteilerpunkt, in dem zahlreiche Glasfaserkabel unter anderem zur Übertragung von Hochgeschwindigkeitsinternet zusammenlaufen.
Laserpulse lassen sich in einer Glasfaser kurzzeitig stoppen (dpa / Daniel Reinhardt)
Anfang der 2000er Jahre wurden erstmals optische Computer-Chips vorgestellt. Sie verarbeiten Daten in Form von Lichtpulsen, statt mit elektrischen Ladungen. Die Vision dahinter: Weil in optischen Prozessoren kein Strom fließt, erzeugen sie kaum Wärme – und könnten Rechenzentren damit energiesparender und klimafreundlicher machen.
"Wenn die Daten zwischen Chips hin- und hergeschoben werden: Das ist, wo die meiste Energie gebraucht wird und wo die meiste Wärme dissipiert wird."
Erklärt Moritz Merklein. An der Universität Sydney forscht er zu optischen Computerchips. Gemeinsam mit Birgit Stiller vom Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen will Merklein sich zunutze machen, dass sich Daten mit Lichtpulsen viel schneller und effizienter übertragen lassen als mit Strom.
Licht lässt sich nicht so einfach speichern
"Es gibt allerdings Situationen, in denen die Lichtinformation kurz zwischengespeichert werden muss. Zum Beispiel, wenn ein Empfänger nicht bereit ist, das Licht zu empfangen. Das kennt man vom Computer: Er hängt kurz, ein Prozessor ist busy. Wenn die Lichtinformation da nicht kurz zwischengespeichert werden kann, dann geht sie verloren."
Doch anders als elektrische Ladungen lässt sich Licht nicht einfach so speichern. Man muss dazu tief in die physikalische Trickkiste greifen. Die Lösung sind Schallwellen. Denn sie breiten sich in Glas rund 100.000 Mal langsamer aus als Licht. Schon 2007 war es amerikanischen Forschern um Dan Gauthier gelungen, die Information einer Lichtwelle als Vibrationen in einer Glasfaser zu speichern - und damit den Datenfluss kurzzeitig zu bremsen.
Eine Frau arbeitet in einem technischen Labor.
Birgit Stiller im Labor (University of Sydney)
Das Team um Birgit Stiller und Moritz Merklein bedient sich dieser Methode:
"Wir benutzen zwei Lichtwellen, die aufeinander zulaufen. Und diese Wellen erzeugen ein Interferenzmuster. Das bedeutet: Es gibt Regionen, wo das Licht heller ist und Regionen, wo das Licht sehr dunkel ist. Und das Material hat eine Tendenz, sich zu verschieben von den dunklen Regionen zu den hellen Regionen. Und dadurch, dass sich das Material verschiebt, entsteht eine Schallwelle."
Schallwellen und Lichtwellen interagieren miteinander
Für die Forschungsreihen haben die Wissenschaftler aus Erlangen und Sydney optische Chips aus einem elastischen Glasmaterial gefertigt. Es leitet nicht nur das Licht gut, sondern kann auch leicht in Gigahertz-Schwingungen versetzt werden. Allerdings ebbt so eine Schallwelle – durch die Dämpfung im Material - nach etwa zehn bis zwölf Nanosekunden ab. Das begrenzt die Datenkapazität. Außerdem geht die gespeicherte Information verloren, wenn sie nicht rechtzeitig von einem erneuten Laserpuls abgerufen und weitertransportiert wird. Um für Rechenzentren zu taugen, müsste man Laserpulse deutlich länger speichern können. Und genau das ist den Forschern aus Erlangen und Sydney gelungen.
"Im Grunde nutzen wir dafür denselben Effekt, dass Schallwellen und Lichtwellen miteinander interagieren können. Dieser Prozess ist so, dass wir Lichtblitze auf diese Schallwelle schicken, die diese Schallwelle wieder anschieben."
Wodurch eine längere Schwingdauer von insgesamt 40 Nanosekunden erreicht wird – also viermal so lang wie bisher. Das bedeutet: Die Schallwelle könnte erheblich mehr Informationen speichern und diese auch länger verlustfrei halten. Das Entscheidende dabei:
"Wie stark sind diese Lichtblitze? Und wie gut sind die synchronisiert zu der Schwingung von der Schallwelle?"
Aktuell sind Lichtblitze mit einer Stärke von rund 50 Milliwatt nötig, um die Vibrationsdauer zu verlängern. Zwischen der Umwandlung des Lichts in eine Schallwelle und der erneuten Energiezufuhr dürfen nicht mehr als zehn Nanosekunden vergehen. Zudem muss die Wiederholungsrate der Auffrischungs-Blitze hoch genug sein.
"Sonst ist die akustische Welle schon fast verschwunden. Im Moment schicken wir Lichtblitze hinein, die eine Nanosekunde Abstand haben. So müssen wir nämlich auch nicht allzu viel Energie in diese Lichtblitze stecken."
Schallwellen halten nur kurz
Was bei größeren Abständen nötig wäre. Sonst stört das Signalrauschen des Systems den Informationsfluss. Dieses Grundrauschen verhindert es momentan auch noch, die Schallwelle mehr als 40 Nanosekunden am Leben zu erhalten. Doch laut Birgit Stiller ist da womöglich noch reichlich Luft nach oben.
"Die Theorie sagt: Wir könnten Richtung Mikrosekunden-Bereich gehen, was relativ spektakulär wäre. Aber das müssen wir dann auch experimentell erstmal zeigen!"
Dazu wollen die Forscher nun Lichtblitze mit unterschiedlichen Stärken und Wiederholungsfrequenzen testen und schauen, wie exakt sie sich synchronisieren lassen. Natürlich muss auch die Energiebilanz stimmen. Ob die Wissenschaftler erfolgreicher sind als ihre amerikanischen Kollegen vor 13 Jahren, bleibt abzuwarten. Immerhin, betont Moritz Merklein, gebe es inzwischen ja schon erste einsatzfähige Hybrid-Rechner. Sie beweisen: Optische Technologien bieten Rechenzentren handfeste Vorteile.
"Die Berechnungen werden immer noch elektronisch durchgeführt. Aber dann werden optische Wellenleiter benutzt, um die Informationen zwischen verschiedenen Chips zu senden. Das heißt, man kann deutlich größere Datenmengen von Chip zu Chip senden, ohne dass man viel Energie in Wärme verliert."
Der nächste logische Schritt wären nun optische Computerchips, verbunden über Glasfaserkabel. Aber ohne effiziente Licht-Warteschleifen wird er kaum zu meistern sein.