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Torfersatz
Zuchtmoos soll Moore retten

Moore sind in Europa weitgehend trockengelegt, noch verbleibende Moore werden durch den Torfabbau zerstört. Wissenschaftler der Uni Freiburg arbeiten an einem Torfersatz, der auf bereits abgetorfte Flächen gegeben werden kann. Damit trage man maßgeblich zum Schutz von bisher intakten Mooren bei, sagte Projektleiter Ralf Reski im Deutschlandfunk.

Ralf Reski im Gespräch mit Georg Ehring | 17.05.2017
    Ein Mann läuft durch das Moorgebiet Ehlesbruch am Erbeskopf in Deuselbach / Rheinland-Pfalz, das Teil des Nationalparks Hochwald-Hunsrück ist.
    Noch intakte Moore sollen durch den Torfersatz geschützt werden. (Foto: Oliver Dietze/dpa)
    Georg Ehring: Moore sind schon sehr spezielle Landschaften. Vom Wege abzukommen, ist gefährlich. Auf nassem Grund wachsen Pflanzen, die es sonst nirgendwo mehr gibt. Doch Moore sind auch bedroht: Hier bei uns sind die meisten schon trockengelegt und kaum noch zu erkennen. Die Industrie zerstört immer mehr Moore durch Abbau von Torf und viele Gärtner freut das, denn Torf ist für sie nicht einfach zu ersetzen.
    Wissenschaftler unter anderem an der Universität Freiburg wollen jetzt Torfmoore, wissenschaftlich Sphagnum genannt, züchten, um die Moore zu schonen. Professor Ralf Reski arbeitet an dem Torfersatz und ich habe ihn vor dieser Sendung gefragt, was genau denn da angebaut werden soll.
    Ralf Reski: Wir wollen artenrein Torfmoos züchten - das ist wissenschaftliches Sphagnum -, und zwar im Bioreaktor, weil sie dort wesentlich schneller wachsen als in der Natur. Und diese, in den Bioreaktoren gezogenen artenreinen Sphagmen wieder zurück auf die abgetorften Flächen geben, sozusagen eine Art Moos-Saatgut.
    Ehring: Und dieses Moos-Saatgut wird dann neues Moor?
    Reski: Das soll dort anwachsen und innerhalb von drei bis fünf Jahren so eine Dicke erreicht haben, dass die örtlichen Landwirte das wieder abernten können und zum Torfersatz benutzen können und so dann Moore, die bisher nicht geschädigt wurden, verschonen. Das heißt, es geht nicht um Renaturierung von Mooren, sondern um den Schutz von bisher intakten Mooren. Und außerdem hat es natürlich den Vorteil, dass die örtlichen Landwirte eine zusätzliche Einnahmequelle haben.
    Ehring: Weizen, Saatgut oder Mais-Saatgut zu vermehren, da kann sich jeder vorstellen, wie das geht. Ist das bei Moos schwieriger?
    Verfahren, um neue Moospflanzen zu gewinnen
    Reski: Das ist komplett anders, weil natürlich Moose gar keine Samenpflanzen sind, also gar keine Samen haben, sondern wir haben in einem vorherigen EU-Projekt es geschafft, verschiedene Torfmoos-Arten artenrein im Labor zu etablieren. Das heißt, es ist nur eine bestimmte Art jeweils und es sind keine Bakterienpilze oder sonstigen Kontaminationen dabei. Und die überführen wir in den Bioreaktor. Das sind dann ganze Pflänzchen, die wir dort anziehen, die, wenn sie wieder zerkleinert werden, neue Moospflanzen regenerieren.
    Ehring: Und die Qualität ist dann hinterher mit Torf vergleichbar?
    Reski: Ja. Das Projekt, das jetzt vom Landwirtschaftsministerium gefördert wurde oder wird, ist unter Federführung von Greifswalder Ökobiologen und die haben in vorherigen Projekten schon gezeigt, dass so was im Prinzip funktioniert - sie nennen das Paludikultur -, und auch in vorherigen Projekten gezeigt, dass die so gewonnenen Torfmoose ein sehr guter Ersatz sind, die auch im Gartenbau angewendet werden können, als Substrat zum Beispiel für Orchideen.
    Ehring: Paludikultur, das ist Kultur in sehr nasser Umgebung. Oder wie kann man das erklären?
    Reski: Genau. Die abgetorften Moore müssen ja eine gewisse Moorschicht noch haben, und sie muss nass sein, um eigentlich wieder zu renaturieren. Das ist für uns der Acker sozusagen, wo wir dann die im Labor gezüchteten Moose ausbringen, damit sie dort wieder anwachsen. Und um vernünftig wachsen zu können, brauchen sie natürlich auch genügend Wasser.
    Ehring: Torffreie Blumenerde wird von Gärtnern manchmal etwas schief angeguckt. Was ist eigentlich das Besondere am Torf? Warum ist der so schwer zu ersetzen?
    Reski: Der reife Torf, der Brauntorf, sind abgestorbene Torfmoose, die eine sehr große Wasserspeicherkapazität haben. Sie sind faserig und können trotzdem sehr viel Wasser in ihren Zellen speichern. Das heißt, sie sind insofern sehr durchlässig auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite geben sie über lange Zeit das Wasser an die Wurzeln der Blumen ab.
    Ehring: Wie weit sind Sie mit dem Projekt? Ab wann wird es dieses künstliche Torfprodukt dann zu kaufen geben?
    Reski: Das Projekt läuft seit Montag. Wir haben den Bewilligungsbescheid seit drei Wochen. Wir fangen jetzt gerade damit an. Das Projekt wird gefördert für drei Jahre und ich denke, am Ende der drei Jahre haben wir hoffentlich den Beweis, dass es auch in größerem Maßstab funktioniert. Beteiligt ist auch eine Firma in Niedersachsen, die das Abernten übernimmt. Der Zeithorizont, bis man es wirklich im Baumarkt, sagen wir mal, kaufen kann, ist sicherlich nicht unter fünf Jahre.
    Moore als Speicher von CO2
    Ehring: Können Sie schon sagen, in welchen Regionen es dann künftig angebaut werden soll, welcher Boden sich da besonders eignet?
    Reski: Das sind ehemalige Moorlandschaften, und davon haben wir zum Beispiel in Niedersachsen sehr große Flächen. Diese Firma sitzt auch in Niedersachsen, also wir würden da anfangen. Und in dem Moment, wo das System wirklich funktioniert, bieten wir das deutschlandweit an, würde ich sagen.
    Ehring: Vielleicht noch kurz zum Schluss. Wofür brauchen wir eigentlich das echte Moor? Warum kann man da den Torf nicht einfach abbauen?
    Reski: Man kann natürlich das echte Moor abtorfen, und das ist in Westeuropa ja auch fast flächendeckend geschehen. Das heißt, es wird jetzt schon in Sibirien Torf abgebaut. Aber Sie zerstören natürlich zum einen Umwelt, es sieht nicht so besonders schön aus. Aber vor allen Dingen sind Moore ein bisher unterschätzter Speicher von dem Klimagas CO2. Das heißt, wenn Sie Moore zerstören, setzen Sie unglaubliche Mengen Klimagas CO2 frei und rauben natürlich auch der normalen Natur Artenschutzmöglichkeiten und den Landwirten Einkommensmöglichkeiten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.