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Tote Hose bei Open Source?

Firefox ist also der beliebteste Browser in Deutschland. Und viele Surfer rufen ihre Mails mit Thunderbird ab – genauso wie etliche Dokumente mit Openoffice entstehen. Dass viele beliebte Programme Open Source sind – also frei einsehbar und frei verfügbar – darüber macht sich der gemeine Konsument immer weniger Gedanken. Die Open-Source-Szene selbst – auch sie verliert an Glanz – weshalb das renommierte Open Source Jahrbuch nun eingestellt wird. Statt dessen wollen die Initiatoren des Buches eine Konferenz im Vorfeld des jährlichen Linux Tages veranstalten.

Von Jan Rähm | 20.06.2009
    2004 erschien das Open Source Jahrbuch. Ein Buch, das Interessierten aber auch Unwissenden die Idee von Open Source und freier Software näher bringen sollte. Bernd Lutterbeck hatte es initiiert, um zu zeigen, dass Studenten hochwertige Produkte machen können – auch, wenn es sich um ein recht trockenes Thema wie Informatik handelt. Doch die Ausgabe 2008 war die letzte. Ein kritischer Punkt war erreicht.

    "Das war der Punkt, wo wir uns überlegt haben, soll und kann es so weiter gehen. Die Entscheidung war Nein. Entscheidender Grund war: Wir, das heißt die Studenten vor allem, die das Buch gemacht haben, waren der Überzeugung, dass es keine Beiträge mehr gibt, die auf überzeugendem Niveau zu akquirieren sind. Und deswegen fanden wir, dass sich die Idee ein Buch zu machen erledigt hat."

    Keine Beiträge von Niveau? Sollte es etwa so sein, dass es in der Open Source Welt nichts Innovatives mehr gibt, worüber es sich zu schreiben lohnt?

    "Ich glaube, dass sich die Idee Open Source in gewisser Weise erledigt hat. Erledigt hat heißt nicht, dass es überflüssig geworden ist, sondern es heißt einfach, dass der Grundgedanke überall klar ist. Es ist klar, dass dieses Modell in bestimmten Bereichen bessere Ergebnisse bringt als andere Produkte. Und dass man deswegen auch in der Praxis dazu übergegangen ist, es einfach zu machen."

    Ganz so drastisch will es der Open-Source-Spezialist und Gründer des Berliner Open-Source-Stammtischs für Unternehmer Frank Ronneburg nicht ausdrücken. Aber eine gewisse Ideen- oder besser Innovationslosigkeit sieht auch er:

    "Ich glaube, Open Source muss innovativ werden. Und ich glaube, dass viele Projekte durchgeführt werden und gar nicht an die Öffentlichkeit kommen, weil Open Source einfach selbstverständlich geworden ist. Die Leute benutzen das, es ist an jeder Ecke. Mann muss dafür keine Werbung mehr machen. Das fängt an mit Webservern, die man natürlich benutzt, mit Software, die man automatisch einfach runterlädt und benutzt. Das ist selbstverständlich geworden. Firefox, Open Office sind da glaube ich ganz gute Beispiele."

    Ergo: Open-Source-Produkte sind in der Praxis angekommen. Kaum jemand macht sich noch Gedanken darüber, dass einer der erfolgreichsten Internetbrowser, dass Produkt vieler freiwilliger und auch professioneller Programmierer weltweit ist. Doch an ihm zeigt sich auch das Problem von Open-Source-Software. Jahrelang hat man etwas nachgeahmt und nachgebaut. Einen besseren Browser. Ein besseres Bedienungskonzept.

    "Bisher wurden viele Sachen nachgebaut, nachprogrammiert, die im kommerziellen, proprietären Umfeld unterwegs waren an Software-Komponenten. Und ein gewisser Stillstand ist eher dadurch zustande gekommen, dass es so selbstverständlich geworden ist."

    Bernd Lutterbeck vergleicht die Situation der Open Source Welt mit dem Leben eines alten Ehepaars, bei dem es nicht mehr ganz rund läuft. Natürlich funktioniert alles, aber der Funke des Neuen, der fehle.

    "Und dieser Funke, der so vieles Positives bewirkt hat, wenn der nicht mehr da ist, dann, denk ich, ist das Langeweile, wie immer, sozusagen schnöder Alltag. Und wir versuchen sozusagen diesem schnöden Alltag ein bisschen mehr Glanz drauf zu setzen und einfach zu zeigen, dass Open Source mehr ist, als gute Software nach einem bestimmten Vertriebsmodell zu bauen."

    Innovationen kamen allzu oft aus großen Software-Firmen, die ihre Produkte natürlich nicht offen gestalteten. Also wurde wieder nachgebaut. Wie es mit Open Source weitergehen muss, hat Frank Ronneburg direkt vor Augen – samt einem konkreten Beispiel.

    "Ich glaube, der nächste Schritt ist, dass man da tatsächlich innovativ sein muss und neue Konzepte, neue Ideen auch in diesem Open-Source-Bereich bringen muss. Vielleicht ist da dieses Google Android Handy da das Richtige."

    Bei all der freien Software, warum gerade ein Handy, warum dieser sehr heiß umkämpfte Markt?

    "Weil dieser Handymarkt auch über viele Jahre so eingefahren ist und da ist mit den großen Herstellern nicht viel passiert. Und wenn dann doch jemand so etwas Innovatives bringt wie Apple, dann ist es wieder Closed Source. Da glaub ich, da ist noch Kapazität."

    Genau um diese Kapazitäten und wie man sie nutzen kann, soll sich die Konferenz Berlin Open 09 drehen. Sie soll klären, wie gute Ideen, möglichst offen umgesetzt und realisiert werden können.


    "Der Gedanke ist, dass die Szene lernen müsste, dass sich bestimmte Fragen erledigt haben und sie sich aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen darf. Ich habe den Eindruck, dass sich viele auf ihren Verdiensten ausruhen und nicht sehen, dass anderes übernommen wurde und was neues kommt. Das Neue ist aus meiner Sicht, dass dem Gedanken von Open Source ein bestimmtes Innovationsmodell naheliegt. Und dieses Innovationsmodell, das wollen wir in allen möglichen Aspekten vorstellen und ausloten, weil wir glauben, dass dort eine der Zukünfte liegt."