Freitag, 19. April 2024

Archiv

Traditionsmanufaktur
Meissens Zukunft steht auf dem Spiel

Meissen-Porzellan ist weltbekannt, doch nicht mehr so gefragt wie einst. Die im sächsischen Staatsbesitz befindliche Manufaktur hatte zuletzt deshalb das Sortiment um hochwertigen Schmuck, Lampen und Accessoires erweitert - zu einem hohen Preis. Nun steht die Weltmarke vor der Frage, wie es weitergehen soll.

Von Alexandra Gerlach | 14.04.2015
    Teile eines Porzellan-Service in einer Ausstellung der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen in Sachsen
    Porzellan aus Meissen ist weltbekannt. (picture alliance / dpa / Oliver Killig)
    Entschieden, fast trotzig sitzt Kurt Biedenkopf, der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende der Meissen-Manufaktur, am Tisch. Der plötzliche Weggang des von ihm geförderten einstigen Geschäftsführers Christian Kurtzke war auch für ihn ein Schock. Wie gravierend ist dessen ungeplantes Ausscheiden für die Zukunft der Manufaktur?
    "Wenn die Situation gefährlich wäre, dann wäre Herr Kurtzke nicht gegangen."
    Der 45-jährige Christian Kurtzke war seit 2008 Geschäftsführer und Kreativdirektor in Personalunion in der Manufaktur Meissen. Mit seinem Dienstantritt unterzog er das über 300 Jahre alte Traditionsunternehmen einem radikalen Wandel, einer Rosskur, die den Mitarbeitern viel abverlangte. Unter der Dachmarke "Meissen Couture" baute der westdeutsche Manager das gesamte Unternehmen und auch das Sortiment um. Neben die klassischen Porzellane und die hochwertigen Einzelanfertigungen traten neue Geschäftsfelder wie hochwertiger Schmuck, Möbel, Lampen, Accessoires und zuletzt Haute Couture. 650 Arbeitsplätze gilt es in Meissen zu halten, in einer Zeit, in der sich die Tischkultur komplett verändert hat:
    "Die Leute kaufen kein 24-teiliges Service mehr, auch nicht mehr ein 6-teiliges Service, die meisten haben auch gar nicht mehr sechs Gäste, also müssen wir dem Porzellan ein neues Bezugsfeld eröffnen."
    Der Expansionskurs verschlang Millionen
    Das Konzept baute auf internationale Flagship-Stores in Europa, USA, Arabien und China. Zuletzt wurde eine neue Niederlassung von Meissen in einer der renommiertesten Shopping Malls von Peking eröffnet. Doch während die neuen Produkte der Manufaktur auf den internationalen Leitmessen für Schmuck und Interieur Erfolge feiern dürften, stieg zu Hause die Skepsis. Der Expansionskurs des Staatsbetriebes verschlang Millionen, gleich mehrmals musste der Freistaat mit Darlehen einspringen, um die Geldprobleme des Unternehmens in den Griff zu bekommen.
    2013 waren es 12,2 Millionen Euro, die in Form eines Gesellschafterdarlehens in die Manufaktur flossen. 2014 wurden weitere 9, 8 Millionen Euro zugeschossen. Zugleich hielten die Unternehmensergebnisse nicht das, was die Geschäftsführung in Aussicht gestellt hatte. Für 2019 werden nun erstmals schwarze Zahlen erwartet. Aus Sicht von Sebastian Scheel, dem finanzpolitischen Experten der Landtagsfraktion "Die Linke", der zugleich bis 2014 Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Sächsischen Landtag war, ein Debakel:
    "Ich glaube so ein 'Weiter, wie bisher' kann es nicht geben, also dazu sind die Zerwürfnisse und auch die Problemlagen des Unternehmens zu groß, aber natürlich ist auch klar, wir können jetzt nicht einfach so abbrechen."
    Auseinandersetzungen über Konzept und Finanzierung
    Kurtzke hatte seine Expansions-und Umbaupläne von Anfang an öffentlich gemacht. Im Dresdner Finanzministerium hatte es dem Vernehmen nach mehrfach heftige Auseinandersetzungen über das Konzept und seine Finanzierung gegeben. Jetzt würdigt man hier zwar Kurtzkes Erfolge, zieht sich aber zugleich auf den Standpunkt zurück, EU-konform handeln zu müssen. Pressesprecher Stephan Gössl:
    "Wir haben immer das getan, was rechtlich wirklich möglich war und ist, und das werden wir auch in Zukunft tun."
    Kurt Biedenkopf, der Aufsichtsratsvorsitzende des staatlichen Unternehmens, macht sich indessen Sorgen, wie es weitergeht mit Meissen. Außerhalb Sachsens sei der neue Kurs der Manufaktur, nicht nur auf Porzellan zu setzen, "außerordentlich gut" bewertet worden, sagt der ehemalige Regierungschef. Wichtig sei nunmehr, dass der Freistaat endlich entscheide, was er mit der traditionsreichen Manufaktur wolle - den eingeschlagenen Weg fortsetzen oder die Kehrtwende:
    "Wenn er nicht drauf setzt, muss er die Manufaktur zumachen."