Donnerstag, 18. April 2024

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Transfer, Hell und The Guard

Im Mittelpunkt der am Donnerstag anlaufenden Filme steht der Wunsch, ewig zu leben oder die Apokalypse zu überleben. Neben viel Science-Fiction gibt es auch noch die vermeintliche Behäbigkeit eines bräsigen irischen Polizisten.

Von Hartwig Tegeler | 21.09.2011
    "Transfer" von Damir Lukacevic
    "Als wir jung waren, hat Zeit keine Rolle gespielt", sagt Anna. Aber die Vergänglichkeit kann man sie austricksen? Wenn man sehr, sehr reich ist? Kann man es hinauszögern, das mit dem Sterben. Gute, zeitgemäße Frage. Die beiden Afrikaner jedenfalls in Damir Lukacevics Film "Transfer" haben kein Geld, aber junge Körper; Hermann und Anna hingegen - Hans-Michael Rehberg und Ingrid Andree spielen sie -, wohnhaft in gediegener Umgebung am Bodensee, sind zwar jahrzehntelang glücklich miteinander:

    "Wir wussten, wir würden zusammen uralt werden."

    Aber das mit dem uralt ... Eines Tages bricht Anna zusammen. Dr. Menzel - Jeanette Hain - von der Biotec-Firma fürs Besondere wirbt:

    "Sie werden begeistert sein."

    Für zwanzig Stunden können Hermann und Anna nach dem "Transfer" nun in den jungen Körpern der beiden Afrikaner Aplain und Sarah leben. In "Transfer" geht es um Körper- und Seelentausch, aber natürlich erzählt dieser Science-Fiction-Film vor allem davon, was passiert, wenn wir meinen, die Natur austricksen zu können. Wer sind wir dann noch? Was ist unsere Identität? Diese Fragen diskutiert "Transfer" in kühlen Bildern einer Zukunft, die der Mensch glaubt, im Griff zu haben.

    "Transfer" von Damir Lukacevic - empfehlenswert.

    "Hell" von Tim Fehlbaum
    Der Titel von Tim Fehlbaums bemerkenswertem Kinodebüt kann sowohl als auch ausgesprochen werden: Denn die Welt im Film "Hell" (dt. gesprochen) - wir schreiben das Jahr 2016 - ist sonnenverglüht, deswegen kann man auch mit Fug und Recht auch von "Hell" (engl. gesprochen), mit anderen Worten von der Hölle sprechen. Es gibt weder Pflanzen noch Tiere, weder Wasser ... noch die Zivilisation. Marie, ihre junge Schwester Leonnie, Philip - später kommt noch Tom hinzu - fahren in einem abgedunkelten Auto Richtung Gebirge. Dort soll es wieder Wasser geben. Noch fährt das Auto, noch finden sie in verlassenen Tankstellen Benzin.

    "Was hat der denn alles mitgenommen? - Philip, lass uns weiterfahren! - [Schrei.] - Leonie!"

    Doch dann gerät die Gruppe in einen Hinterhalt einer Bauernfamilie.

    "Seit drei Jahren gibt es keine Ernte mehr!"

    Und dann sagt die Bauersfrau: Wie soll man denn überleben, wenn alles Vieh tot ist? - Ich denke, diese Andeutung muss reichen, um zu ahnen, was noch kommen wird. Tim Fehlbaum hat seinen postapokalyptischen Horrorthriller "Hell" hochkarätig mit Hanna Herzsprung, Lars Eidinger und - als düster abwesende Matriarchin der unheimlichen Hinterwäldlerfamilie - mit Angela Winkler besetzt. Und Regisseur Fehlbaum beweist, dass deutsches Genrekino, das sich mit Lust, Begeisterung und großer handwerklicher Präzision bei den Vorbildern der filmischen Postapokalypse à la "The Road" oder " I am legend" bedient, dass deutsches Genrekino wunderbar funktionieren kann. Sehr genau zeichnet "Hell" nach, nicht ob, sondern wie der Mensch nach dem Ende der zivilen Gesellschaft dem Menschen ein Wolf wird.

    "Hell" von Tim Fehlbaum - herausragend.

    "The Guard - Ein Ire sieht Schwarz" von John Michael McDonagh
    "Sergeant Gerry Boyle. Was gibt´s?"
    Nein, die Arbeit hat Sergeant Gerry Boyle nicht erfunden, oder besser: das, was seinen Tagesablauf ausmacht - Besuch bei der kranken Mutter, danach ins Bordell sowie anschließend Dienst nach Vorschrift -, das alles setzt sich in John Michael McDonaghs schwarzer Komödie "The Guard" zu einem Leben zusammen, das nur eine einzige Störung kennt: Wenn etwas anders läuft als gewohnt. McDonaghs Film entwirft einen Ort an der letzten Grenze, hier in Europa. "The Guard" trägt denn auch den Untertitel "Ein Ire sieht schwarz". Also Irland. Das Leben des Sergeants Gerry kommt ungnädiger Weise nun aus dem Gleichgewicht, als in der genauso gewollten langweiligen Ödnis Gangster einen Drogendeal abziehen wollen. Plötzlich hat Sergeant Gerry Boyle einen schwarzen FBI-Agenten aus den USA an seiner Seite. Das erste gemeinsame Briefing gerät zum derben Desaster. Handmeldung Sergeant Boyle:

    "Ja, Sergeant. - Ich dachte, nur Schwarze wären Drogendealer."

    Sich für diese rassistische Unverschämtheit zu entschuldigen, nein, das kommt für Boyle nicht infrage. Auf keinen Fall.

    "Häh? Wofür soll ich mich entschuldigen. Ich bin Ire; Rassismus ist Teil meiner Kultur. - Hör auf, Boyle, halt die Klappe, Mann."

    Grandios spielt der Ire Brendan Gleeson diesen wuchtigen, grummeligen, sau-faulen Bären von einem Polizisten, hinter dessen vorgeblicher Tumbheit sich allerdings noch ganz andere Seiten zeigen werden. Und mit dem US-Schauspieler Don Cheadle als schwarzem FBI-Agenten hat Brendan Gleeson einen brillanten Gegenpart. Ihr Spiel macht "The Guard" zu einer herrlichen Buddy-Komödie mit vielen Haken, Ösen, Absurditäten und kulturellen 'clashes', die der Wilde Westen in Europa so bereithält.

    "The Guard - Ein Ire sieht Schwarz" von John Michael McDonagh - herausragend.