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Transgender-Debatte
Feminismus-Ikone Suzanne Moore verlässt den "Guardian"

Jahrzehntelang hat die bekannte linke Feministin und Kolumnistin Suzanne Moore für den britischen "Guardian" geschrieben. Nun hat sie dem Blatt den Rücken gekehrt. Sie fühlte sich im Streit mit Transgender-Aktivisten im Stich gelassen von der Chefredaktion.

Von Christine Heuer | 18.12.2020
Eine Ausgabe der britischen Zeitung "The Guardian"
Die britische Zeitung "The Guardian" (dpa / Jonathan Brady / PA Wire)
Als Suzanne Moore gegangen war, verkündete sie das auf Twitter. "Ich habe den Guardian verlassen. MANCHE dort werde ich vermissen", MANCHE in Großbuchstaben. Denn mit vielen mag die bekannte Kolumnistin nicht mehr arbeiten in dem Blatt, für das sie jahrzehntelang schrieb. In ihrer Twitter-Bio steht jetzt: "Sie ging, weil sie begriff, wie wertvoll Widerstand ist." Widerstand gegen Transgender, die darauf bestehen, das Geschlecht werde nicht biologisch, sondern von jedem allein definiert. Sie fühlen sich von Moore diskriminiert. Moore fühlt sich von ihnen indoktriniert.
"Bestimmte Teile der Transgender-Bewegung verbreiten die Idee, das biologische Geschlecht sei bloß ein Konstrukt. Das ist eine Ideologie, der ich mich nicht anschließen kann."

Morddrohungen und ein Brief an die Chefredaktion

Suzanne Moore ist keine rechte Traditionalistin. Sie ist eine linke Feministin. Anfang März veröffentlichte sie im "Guardian" eine Kolumne mit dem Titel "Frauen müssen das Recht haben, sich zu organisieren. Wir werden uns nicht den Mund verbieten lassen". Darin schrieb sie: Frau-Sein sei kein Gefühl, sondern eine biologische Tatsache, sogar bei Fröschen.
Es folgten ein Shitstorm, Morddrohungen und ein Brief an die Chefredaktion, unterzeichnet von 338 Mitarbeitern aller Geschlechter. Darin stand: "Wir sind enttäuscht, dass im 'Guardian' wiederholt Anti-Trans-Ansichten veröffentlicht wurden." In der Redaktionskonferenz klagte eine Trans-Kollegin, sie fühle sich in der Zeitung nicht mehr sicher. Es war klar, um wen es ging.
"Wissen Sie was? Wenn ich könnte, würde ich es tun. Als Hexe könnte ich Zaubersprüche machen. Es wäre brillant, nur mit Texten Unsicherheit zu verbreiten. Das würde ich gleich morgen machen. Ich habe eine ganze Liste von Leuten dafür."
Suzanne Moore ist fassungslos, dass sie ausgerechnet im liberalen "Guardian" ihre Meinung nicht mehr vertreten darf. Sie bat um ein Treffen mit Chefredakteurin Katherine Viner. Vergeblich.
"Ich bin öffentlich verrissen worden. Die Chefredaktion hätte sagen müssen: Wir stehen hinter dieser Autorin. Wir teilen zwar ihre Meinung nicht (kein Problem, ich bin Kolumnistin), aber: Wir stehen hinter ihr."

Auch J.K. Rowling erlebte einen Shitstorm

Moore glaubt, dass viele britische Institutionen längst eingeknickt sind vor einer immer mächtiger werdenden Transgender-Lobby. Sie ist auch nicht der erste Fall. Im Sommer erlebte J.K. Rowling einen Shitstorm. Die Harry Potter-Autorin provozierte mit feministischen Bemerkungen und warb für "Transfrauen sind Männer"-Aufkleber. Susie Green von der Transgender-Hilfe Mermaids UK warf Rowling "biologischen Existenzialismus" vor.
"Ich definiere mich selbst als Frau, denn das bin ich, und so möchte ich auch angesprochen werden. Die Erfahrung, eine Frau zu sein, betrifft nur diese Frau. Und es steht keinem zu, zu sagen, was das sein oder wie es aussehen soll."
J.K. Rowling zeigt sich seither gern mal in einem T-Shirt mit dem Aufdruck "Diese Hexe brennt nicht." Suzanne Moore veröffentlich weiter. Nur eben nicht mehr im "Guardian".