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Transhumanisten-Treffen in Madrid
Der Traum vom ewigen Leben

Die Deutschen werden immer älter, die Zahl der 100-Jährigen steigt. Den Transhumanisten reicht das jedoch nicht: Auf der Zukunftskonferenz TransVision in Madrid trafen sich Wissenschaftler und Firmengründer, um den Traum von der Unsterblichkeit wahr werden zu lassen.

Von Dennis Kastrup | 22.10.2018
    Bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der TransVision 2018 wurde auch der der humanoide Roboter "Sophia" vorgestellt. Daneben sitzen von links nach rechts Ben Goertzel, José Luis Cordeiro, Natasha Vita-More, Michael Greve und Anders Sandberg.
    Bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der TransVision 2018 wurde auch der der humanoide Roboter "Sophia" (links) vorgestellt. Daneben Mitorganisator José Luis Cordeiro (2. v. l.) und Anders Sandberg (r.) vom Future Institute in Oxford. (Foto: Dennis Kastrup)
    "Beim Transhumanismus geht es darum, wie wir durch Technologie uns als Spezies verändern und auch, welche neuen Möglichkeiten sich dadurch ergeben. Also es geht eigentlich da drum, die Grenzen menschlicher Biologie zu überwinden, um die Menschheit in eine weitere, viel fortentwickeltere, buntere Zukunft zu führen."
    Torsten Nahm leitet das Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz einer deutschen Bank und ist einer der Teilnehmer, die an diesem Wochenende im Zentrum von Madrid über die Zukunft der Menschheit diskutiert haben. Organisiert wurde die TransVision-Konferenz von José Cordeiro, Vizechef von Humanity+. Die gemeinnützige Organisation hat sich auf die Fahnen geschrieben, den ethischen Umgang mit neuen Technologien zu fördern und die Diskussion darüber in die Öffentlichkeit zu bringen.
    "Wir glauben daran, dass wir spätestens 2045 in der Lage sein werden, uns zu verjüngen. Deshalb plane ich nicht damit, zu sterben. Ich will nicht nur nicht sterben, es wird sogar noch besser: 2045 will ich jünger sein als heute."
    Die Transhumanisten sehen in dem technologischen Fortschritt eine große Chance für die Menschheit. Grenzen kennen sie keine, alles ist möglich. Künstliche Intelligenz, Roboter und Prothesen sollen die menschlichen Fähigkeiten verbessern, intellektuell und physisch.
    "Jetzt zu sterben wäre eine Tragödie"
    Das Kernthema auf der TransVision war aber die Unsterblichkeit. Codeiro gibt sich zuversichtlich:
    "Wir sind so nah dran, Verjüngungstechnologien zu entwickeln, die Unsterblichkeit erreichen können, dass es eine Tragödie wäre, jetzt zu sterben. Es ist immer schlimm, zu sterben, aber besonders jetzt, da wir bereits sehen, dass wir sehr bald das Altern umkehren können."
    Wann genau das eintreten wird, kann auf der TransVision jedoch keiner wirklich vorhersagen. Gen- und Immun-Therapien sollen in naher Zukunft aber bereits Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Aids heilen können. Das Verändern der Stammzellen soll dann, wenn alle ethischen und politischen Hürden aus dem Weg geräumt worden sind, auch das ewige Leben ermöglichen. Nicht nur im katholischen Gastland Spanien treffen die Transhumanisten mit diesem Vorhaben auf Widerstand.
    "Die Leute glauben, wir sind verrückt und Scharlatane. Das ist aber immer so. Als Galileo gesagt hat, dass sich die Erde um die Sonne dreht, dachten sie, dass er verrückt war. Sie haben ihn fast verbrannt. Das war die katholische Kirche. All diese Wissenschaftler waren Revolutionäre, sie haben die Perspektive auf die Evolution und das Universum verändert. Jetzt verändern wir die Sicht auf Leben und Tod."
    Erstes Treffen im Keller
    Seit 20 Jahren gibt es die TransVision jetzt. Die erste Ausgabe fand in einem Keller mit einer Handvoll Interessierten unter einem Hotel außerhalb von Amsterdam statt. Vergangenes Wochenende haben sich 100 Teilnehmer getroffen. Was treibt sie an? Elena Milova arbeitet bei der gemeinnützigen Organisation Life Extention Advocacy Foundation und hilft Wissenschaftlern im Bereich der Lebensverlängerung, Geld für ihre Forschung zu finden.
    "Meine Mutter bekam Krebs. Zur selben Zeit sind meine beiden Großmütter gestorben und dann meine Mutter. Das hat mich darüber nachdenken lassen, was wirklich wichtig im Leben ist. Dann habe ich irgendwann beschlossen, dass ich kein normales Leben wollte. Ich will etwas wirklich Wichtiges und Großes für die Menschheit machen."
    Einfrieren zum Smartphone-Preis
    Die geliebten Familienmitglieder länger leben zu lassen ist ein häufig genannter Grund der Transhumanisten. Sind sie jedoch schon verstorben, gibt es noch einen Plan B: Es existieren bereits seit Ende der 60er Jahre ein paar Firmen, die das Einfrieren des Leichnams anbieten, um ihn später, wenn die Forschung soweit sei, wieder lebendig zu machen. Kryonisches Einfrieren nennt man das. Mit solchen Versprechungen lässt sich natürlich viel Geld verdienen. Auf der anderen Seite kostet es auch viel, Teil dieses exklusiven Kreises zu sein. Anders Sandberg vom Future Institute in Oxford ist sich aber sicher: Irgendwann wird die ganze Menschheit davon profitieren.
    "Smartphones waren mal sehr teuer. Und jetzt gibt es sie überall. Viele Technologien beginnen als Spielzeug für die Reichen bevor sie nach einer Weile sehr billig werden, weil man sie massenhaft herstellen kann."
    Alles nur Träumerei?
    Nach drei Tagen in der Diskussions-Blase TransVision beginnt man selber, an eine leuchtende Zukunft zu glauben. Auf der anderen Seite ähneln die Verheißungen auch einer Religion. Darunter leidet die Glaubwürdigkeit der Redner. Manche Aussagen finden bei anderen Wissenschaftlern keine Anerkennung, weshalb einige Mitglieder von Humanity+ auch sehr kritisch gesehen werden. Dennoch lässt sich festhalten: Die Technologien wachsen exponentiell. Sie werden uns verändern und mit Sicherheit unsere Leben verlängern, glaubt Torsten Nahm, aber ...
    "Ewig? Ich bin Mathematiker. Also Ewigkeit gibt es in diesem Universum nach allem, was wir wissen, eh nicht. Aber eine deutlich verlängerte Lebensspanne, das denke ich, das wird in ein paar hundert Jahren für uns absolute Selbstverständlichkeit sein. Wir werden dann zurückgucken auf dieses dunkle Zeitalter, wo Menschen noch sterben mussten, weil es keine andere Möglichkeit gab."