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Transparency: Debeka muss Bestechungsvorwürfe aufklären

Die Debeka-Versicherung soll leitende Beamte bezahlt haben, um ihre Produkte bei deren Mitarbeitern zu vertreiben. Dabei könnte es sich um Korruption handeln, kritisiert Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency Deutschland. Er fordert Aufklärung.

Christian Humborg im Gespräch mit Friedbert Meurer | 14.11.2013
    Friedbert Meurer: Die größte private Krankenversicherung in Deutschland, das ist die Debeka. Und ausgerechnet die Debeka steht jetzt ziemlich im Kreuzfeuer. Der Vorwurf lautet, sie soll Tausende Beamte als Tippgeber rekrutiert haben, ihnen Prämien bezahlt haben, manche sagen, sie bestochen haben, um die Daten junger Beamter herauszurücken, denn das ist ein gefundenes Fressen für jede private Versicherung, an diese Daten heranzukommen. Die Debeka habe ein Heer von Spitzeln unter den Beamten etabliert.

    Das "Handelsblatt" hat gestern darüber berichtet und von mindestens 10.000 VM gesprochen, Vertrauensmitarbeiter. VM klingt ein wenig nach IM. Die Debeka spricht von alten Sünden, man sei damals nicht so sensibel beim Datenschutz gewesen. Andere fragen, ob das nicht glatt Bestechung von Beamten oder Vorteilsgewährung ist. – Christian Humborg ist Geschäftsführer von Transparency Deutschland, ein Verein, der gegen die Korruption kämpft. Guten Morgen, Herr Humborg.

    Christian Humborg: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Was war oder was ist das Ihrer Meinung nach, was die Debeka da treibt?

    Humborg: Ich glaube, zunächst ist es mal ein großes Kuddelmuddel, wo sehr viele Fragen geklärt werden müssen, und es muss geklärt werden, an welchen Stellen gegen welche Gesetze verstoßen wurde, und es muss vor allen Dingen geklärt werden, ob in bestimmten Konstellationen dann auch Korruption im Spiel war.

    Meurer: Das "Handelsblatt" hatte einen Fall genannt: ein Gymnasium. Freitags immer wird eins von zwei Lehrerzimmern geräumt und da kommt dann die Frau von der Debeka, setzt sich hin und spricht mit den jungen Beamten über die neuen Verträge und der Schulleiter bekommt die Prämien. Bestechung?

    Humborg: Bei der Bestechung schreibt das Strafgesetzbuch vor, dass es im Rahmen der Dienstausübung erfolgen muss. Wenn der Beamte den Dienst ausübt, nimmt er Vorteile entgegen. Wenn das beispielsweise ein Direktor ist wie in dem geschilderten Beispiel, dann kann das so interpretiert werden. Das müssen dann die Staatsanwälte prüfen. Auch wenn es sich um Personalsachbearbeiter handelt, die Adressen herausgeben, dann handelt es sich auch um die Dienstausübung. Aber wie ich schon sagte: Da muss man dann genau hinschauen. Man könnte sich eine andere Konstellation vorstellen, wo ein Mitarbeiter nach der Arbeit einen Kollegen fragt, willigst Du ein, dass ich Deine Daten weitergebe, beim Bier vielleicht, nachdem man noch einen trinken gegangen ist nach der Arbeit. Da kann es dann sein oder da ist es wahrscheinlich so, dass es sich dann nicht um ein Korruptionsdelikt handeln würde.

    Meurer: Macht das für Sie einen großen Unterschied, ob ein älterer Beamter mit einem jüngeren Beamten in der Kneipe redet, oder ob das Gespräch im Amt stattfindet?

    Humborg: Ich finde beides äußerst verwerflich, dass hier mit Adressen gehandelt wird. Aber ich glaube, man muss schon sehen, an welcher Stelle jeweils welche rechtlichen Regelungen verletzt wurden.

    Es stellt sich eine weitere Frage: Wurde diese Nebentätigkeit vom Dienstherrn genehmigt, oder zumindest angezeigt, und dann hat der Dienstherr nicht widersprochen. Das ist eine weitere Frage, die sich stellt. Hier sind jetzt auch die Innenminister aufgerufen, das mal zu klären, wie viele Nebentätigkeiten für die Debeka sind im Moment angezeigt, in den Bundesländern, beim Bund, und muss man nicht auch prüfen, ob man diese Genehmigungspraxis überprüft.

    Meurer: Es soll solche Nebentätigkeitsgenehmigungen gegeben haben, behauptet die Debeka. Was ist den Beamten, Herr Humborg, Ihrer Kenntnis nach als Nebentätigkeit erlaubt und was ist ihnen nicht erlaubt?

    Humborg: Es wird ja unterschieden, ob es sich um genehmigungspflichtige oder nur anzeigepflichtige Nebentätigkeiten handelt, wobei auch wenn der Beamte die Nebentätigkeit nur anzeigen muss, der Dienstherr natürlich sagen kann, dass er nicht damit einverstanden ist. Und die nur anzeigepflichtigen Nebentätigkeiten ist etwas, wo die Debeka behauptet, dass zum Beispiel dieses System darunter falle. Ein weiterer klassischer Fall ist, wenn ein Beamter wissenschaftlich tätig ist. Das ist beispielsweise auch nur anzeigepflichtig. Wenn er jetzt einen richtigen anderen Beruf ausüben würde, dann wäre das in jedem Fall genehmigungspflichtig.

    Meurer: Es sieht ja so aus, dass diese Gespräche dann mit dem Debeka-Mitarbeiter im Finanzamt stattgefunden haben, in der Schule oder auf der Polizeiwache, dass es da ein Büro gegeben hat, in dem solche Geschäfte dann abgewickelt wurden. Erwarten Sie von den Dienstherren, also von den Innenministern, dass damit Schluss sein muss?

    Humborg: Damit muss natürlich Schluss sein. Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen hier exklusiven Zugang bekommt zu den Büroräumen von Beschäftigten des öffentlichen Sektors. Das ist vollkommen inakzeptabel. Wie gesagt, ich glaube, wir brauchen in diesem Kuddelmuddel dringend Aufklärung, und da ist weiterhin auch die Debeka gefragt, aber vor allen Dingen auch die 17 Innenminister. Die müssen jetzt sagen, wie sieht es eigentlich aus in unseren Behörden und was läuft da eigentlich. Und es muss auch geklärt werden, es gibt ja noch weitere rechtliche Regelungen, die verletzt sein könnten, beamtenrechtliche Regelungen, aber vor allen Dingen auch Datenschutzregelungen.

    Meurer: Das alles haben ja alle Beamten mitbekommen. Was würden Sie sagen, wenn am Ende herauskommt, die Innenminister haben es gewusst?

    Humborg: Zunächst mal glaube ich, dass das hier was ist, was sowieso nicht unter der Decke zu halten ist, weil offensichtlich so viele Personen beteiligt sind und es unwahrscheinlich ist, dass jetzt, wenn das wirklich 10.000 waren, alle 10.000 so schweigen werden, dass man dazu nicht weitere Informationen bekommt. Und die Innenminister werden sich dann fragen lassen müssen, inwieweit sie das absehen konnten und vielleicht auch nicht eingegriffen haben. Das ist in der Tat eine ganz spannende Frage und deswegen brauchen wir da mehr Informationen, mehr Zahlen, mehr Analysen.

    Meurer: Die Debeka verteidigt sich, das sei so ungefähr gewesen, wie wenn man jemand fürs Fitness-Center wirbt oder für den Buchklub. Wie sehr spielt es für Sie eine Rolle, dass das ganze einen systematischen Ansatz hat, dass es 10.000 Vertrauensmitarbeiter gegeben hat, die die jüngeren Beamten der Debeka ausgeliefert haben?

    Humborg: Ich glaube, das mit einem Buchklub zu vergleichen, das finde ich doch sehr mutig von der Debeka, weil ich Buchklubs ja in der Regel nicht an Personen weitergebe, die möglicherweise gar nicht wissen, dass ich ihre Daten verscherbele. Insofern glaube ich, dass diese Aussage, das Herunterspielen, das dort gerade stattfindet, überhaupt nicht dazu beiträgt, verantwortungsvoll mit dieser Sache umzugehen, und auch nicht dazu beiträgt, dass wir jetzt hier eine vernünftige Diskussion haben. Weil es gibt ja zwei Geschädigte: Das eine sind vor allen Dingen die Wettbewerber der Debeka, die nicht diese Möglichkeiten haben. Aber es sind natürlich dann auch Kollegen, die feststellen, hier ist meine Adresse weitergegeben worden, und das ist ja wiederum auch etwas, was nicht dem Vertrauensschutz und der Atmosphäre in Behörden gut tut.

    Meurer: Noch ganz kurz: 10.000 Beamte sollen in dem Netz gewesen sein. Wie kann man die alle verhören?

    Humborg: Ich glaube, es geht jetzt nicht darum, alle 10.000 Beamte zu hören. Das macht wenig Sinn. Man muss, glaube ich, zunächst mal feststellen, an welchen Stellen haben wir es mit Korruptionsdelikten zu tun. Wie gesagt, das muss nicht in allen Fällen sein. Und wir müssen vor allen Dingen natürlich auch schauen - und das, finde ich, ist ganz wichtig -, dass man sich gerade auf die Führungskräfte konzentriert. Gerade wenn Führungskräfte an dieser Stelle sich nicht korrekt verhalten haben, muss dem besonders nachgegangen werden. Aber die Behörden haben Anti-Korruptions-Beauftragte, die Behörden haben Datenschutz-Beauftragte, viele oder fast alle Behörden, und die sind jetzt gefragt. Die müssen jetzt agieren, die müssen das jetzt auch mit auf ihre Tagesordnung nehmen.

    Meurer: Christian Humborg, der Geschäftsführer von Transparency Deutschland, zu den umstrittenen Geschäftspraktiken des größten deutschen privaten Krankenversicherers Debeka in der deutschen Beamtenschaft. Danke, Herr Humborg, und auf Wiederhören.

    Humborg: Bitte sehr.


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