Donnerstag, 18. April 2024

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Transsexualität in Serien
Zwischen Klischee und Innovation

In Filmen und Serien sind Transgender-Personen in den letzten Jahren stärker vertreten. Doch auf der Leinwand werden oftmals immer noch bestimmte Stereotype von Transsexualität bedient. Durch den Siegeszug der großen Streaming-Plattformen ändert sich das nun langsam.

Von Roswitha Böhm | 04.06.2020
US-Schauspielerin Indya Moore steht in der Rolle der Transfrau Angel in einem weißen Glitzerkleid mit Haube umringt von anderen Tänzern auf dem Parkett, dabei regnet es Glitter
Glitter und Bewunderung: US-Schauspielerin Indya Moore spielt die Transfrau Angel in der Serie „Pose“ (FX/Netflix)
Die große Lovestory. In der neuen Amazon Serie "Botschaften von Anderswo" bahnt sich an:
"Würdest Du mit mir ausgehen?"- "Ja."
So weit, so bekannt. Aber was hier besonders ist: Simone, die weibliche Hauptfigur, die hier um ein Date gebeten wird, ist eine Transfrau. Und zwar gespielt von einer Transfrau, der Schauspielerin Eva Lindley. "Botschaften von Anderswo" ist nur ein Beispiel dafür, wie Transfiguren gerade in den Serien der großen Streaming-Plattformen sichtbarer werden.
Hartnäckige Klischees
"Das ist ein Trend, den ich jetzt sicherlich schon seit fünf Jahren oder so beobachte. Und in den letzten zwei, drei Jahren verstärkt auf jeden Fall", sagt Vincent Beringhoff, Medienpädagoge und selbst trans. Wie Transpersonen auf der Leinwand dargestellt werden, hat sich außerdem stark verändert. Noch in den Neunzigern gab es Darstellungen, die zutiefst transphob waren. Zum Beispiel im Jim Carry-Klamaukfilm "Ace Ventura", in dem der Hauptcharakter, nachdem er die Transfrau Lois Einhorn geküsst hat, ausruft "Oh mein Gott, Einhorn ist ein Mann!", sich dann übergibt, übertrieben hektisch die Zähne putzt und seine Kleidung verbrennt.
Solche Darstellungen sind heute wohl nicht mehr denkbar. Trotzdem gibt es hartnäckige Klischees, die sich bis heute halten, sagt die Sozialpsychologin Annette Vanagas, die ihre Dissertation über Transfiguren im Film geschrieben hat. Zum Beispiel, dass Transfiguren häufig als Sexarbeiter oder Mordopfer gezeigt werden. Und dann ist da noch die Sache mit dem falschen Körper:
"Das ist vielleicht die wirkmächtigste und fatalste Darstellung, die ich da finden kann. Denn es ist einfach faktisch nicht so, dass alle Menschen, die transgeschlechtlich sind, ihren Körper als vollkommen falsch definieren, sondern sie definieren die Zuschreibung, die sie bei der Geburt erhalten haben, indem man ihnen ein Geschlecht zugewiesen hat, als falsch. Natürlich gibt es auch ganz viele, die ihren Körper dann chirurgisch oder mit Hormonen anpassen wollen, aber das sind eben nicht alle."
Transmenschen immer noch unterrepräsentiert
Transsein sei eine Frage der Identität, nicht von körperlichen Merkmalen. Und das gehe in Filmen oftmals völlig unter.Es gibt kaum Filme und Serien, die von Transmenschen gemacht werden. Dazukommt, dass Transfiguren fast immer von Schauspielerinnen oder Schauspielern gespielt werden, die selbst nicht trans sind. Und für die hagelt es anschließend häufig Preise. Vor ein paar Jahren wurde zum Beispiel Jared Leto für seine Transrolle in "Dallas Buyers Club" mit einem Oscar ausgezeichnet.
Annette Vanagas: "Das finde ich genauso fragwürdig wie, dass damals auch Menschen Blackfacing, also sich das Gesicht schwarz angemalt haben, um schwarze Personen darzustellen. Ein Körper ist kein Kostüm. Niemals. Und dementsprechend wird daraus ein Kostüm gemacht in diesen Filmen."
Doch auch hier verändert sich etwas. Seit die Trans-Schauspielerin Laverne Cox durch ihre Rolle in der Netflix-Serie "Orange is the new Black" zum Star wurde, treten auch in anderen Serien mittlerweile Trans-Darstellerinnen und -Darsteller auf.
Fehlender Mut der deutschen Filmindustrie
Den Rekord hält die amerikanische Serie "Pose", in der es um die queere New Yorker Subkultur in den 80er-Jahren geht. Im Zentrum steht eine Gruppe stolzer Transfrauen, die es sich zum Beispiel nicht gefallen lassen, wenn sie von der privilegierten Tischnachbarin als verkleidete Männer bezeichnet werden. Bei deutschen Produktionen lässt diese Art der Innovation auf sich warten. Festgefahrende Denkmuster und fehlender Mut seien das Problem, sagt Tans-Drehbuchautor Lion Lau:
"Es gibt eine definierte Norm im deutschen Fernsehen. Und diese Norm ist weiß, heterosexuell, monogam und schlank. Und das deutsche Fernsehen denkt, es kennt seine Zuschauenden, es schaut auf die Quoten. Und letzten Endes ist es feige und klammert sich an ein sinkendes Schiff, weil dieses es immerhin so weit getragen hat."
Damit Filme und Serien Vorurteile nicht auf- sondern abbauen – da sind sich alle einig –, ist es wichtig, dass eine Transfigur nicht auf ihr Transsein reduziert wird. Annette Vanagas wünscht sich deswegen:
"So einen transgeschlechtlichen Superheld. Wo aber nicht die Transgeschlechtlichkeit die Superkraft ist, sondern einfach nur als Nebengeschichte erwähnt wird. Das wär doch mal ne tolle Sache."