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Trauerfeier MH-17-Absturz
Für jedes Opfer ein weißer Luftballon

Noch immer ist ungeklärt, warum eine Passagiermaschine der Malaysia Airlines über der Ost-Ukraine abgestürzt ist. Unter den 298 Toten waren viele Niederländer, zwölf der Toten stammen aus Hilversum. Hier wird am Sonntag, einen Monat nach dem Absturz, eine Trauerfeier stattfinden.

Von Kerstin Schweighöfer | 15.08.2014
    In Santiago de Compostela werden ein Jahr nach den Bombenanschlägen von Madrid der 191 Opfer mit weißen Luftballons gedacht.
    Je ein weißer Luftballon für die 298 Opfer der MH-17 sind in Hilversum am Sonntag geplant. (AFP/Miguel Riopa)
    Noch ist es still im Laapersveld, einem eleganten Stadtpark in Hilversum mit sanft gewölbten Rasenflächen, Teich und alten Trauerweiden. Mehr als 1500 Menschen werden sich hier am frühen Sonntagnachmittag für den Trauerzug versammeln, erklärt Organisatorin Sharon Boekholt:
    "Hilversum ist mit 12 Toten ganz besonders betroffen, wir fanden, dass wir als Mitbürger ein Zeichen setzen müssen. Nicht nur, um der Toten zu gedenken. Auch, um den Angehörigen und Freunden zu zeigen, dass wir mit ihnen fühlen."
    Gedenken an alle 298 Opfer
    Wie so viele der rund 87.000 Hilversumer hat auch die 31-jährige Sharon Bekannte unter den Toten: Die Familie Smallenburg, die mit ihren beiden kleinen Kindern Carlijn und Werther auf dem Weg in den Urlaub nach Malaysia war. Insgesamt kamen beim Absturz der MH17 drei Familien aus Hilversum mit sechs kleinen Kindern ums Leben, darunter der Trainer des lokalen Fußballklubs und eine Grundschullehrerin:
    "Wir wollen auch all der anderen Opfer gedenken, die mit ihnen gestorben sind. Deshalb werden wir hier im Park 298 weiße Tauben fliegen lassen und 298 weiße Luftballons aufsteigen lassen. Wir haben die Teilnehmer aufgerufen, sich ebenfalls ganz in weiß zu kleiden. Weiß ist die Farbe des Friedens. Erst dachten wir an Schwarz, aber das ist viel zu düster."
    Trauerzug vor Gedenkfeier
    Der Trauerzug wird bei der St. Vituskirche im Stadtzentrum enden, wo anschließend eine Gedenkfeier stattfindet. Dafür werden Tausende von Menschen aus dem ganzen Land erwartet.
    In der Pfarrei ist Pfarrer Jules Dresmé damit beschäftigt, die letzten Vorbereitungen zu treffen, der 61-Jährige kommt gerade aus einer Besprechung mit Vertretern des Rathauses:
    "In seine Kirche passen höchsten 1500 Menschen, deshalb sollen drauß0en auf dem Kirchplatz große Bildschirme aufgestellt werden. Der Bürgermeister will eine kurze Rede halten, ebenso Lehrer und Vertreter von Sportvereinigungen. Auch Pfarrer Dresmé selbst wird zu Wort kommen. Von einem Gottesdienst allerdings will er nicht sprechen:
    "Die Kirche darf die Trauer nicht für sich allein beanspruchen, wir wollen ein Ort der Stille und des Trostes sein, und zwar für alle, egal, ob gläubig oder nicht. Ich selbst hoffe, und dafür bete ich auch, dass die Menschen nicht verhärten, dass sie sich nicht durch Rachegefühle beherrschen lassen, sondern dass die Liebe die Oberhand behält. Das ist der einzige Ausweg."
    Dresme ist seit 17 Jahren Pfarrer, er hat viel Leid miterleben müssen, aber so gross wie dieses Mal sei es noch nie gewesen:
    Unermessliches Leid, auch für die Gemeinde
    "Die Katastrophe spielt im sozialen Leben der Stadt eine große Rolle, sie hat regelrechte Löcher in die Infrastruktur gerissen. Mit Entsetzen haben die Menschen feststellen müssen, dass ihr Leben nicht so sicher ist, wie sie dachten. Das Leid ist unermesslich, es ist eine Tragödie, ein entsetzliches Drama."
    In einer Seitenkapelle der Vituskirche können Menschen für die Opfer Kerzen anzünden und sich in ein Kondolenzbuch eintragen. Auf einem Tisch, umgeben von Blumen, Kerzen und Teddybären, stehen Fotos der Toten, glückliche junge Ehepaare, auf dem Arm ihre kleinen Kinder.
    Noch mehr Blumensträuße, ein regelrechtes Meer aus Blumen und Stofftieren findet sich nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt vor der Korporaal van Oudheusden-Kaserne . Breitbeinig bewacht ein Soldaten Eingang . Ihm wurde ein striktes Redeverbot auferlegt. Denn in dieser Kaserne ist ein internationales Pathologenteam dabei, die Überreste der 298 Toten zu identifizieren.
    Aufmerksam beobachtet der Soldat die vielen Schaulustigen, die anhalten oder vorbeikommen, um Fotos zu machen oder weitere Blumen niederzulegen.
    Neben ihm steht eine junge Mutter, rechts und links ein Kind an der Hand. Sie ist gerade aus dem Urlaub zurück, eines der Opfer hat in derselben Fußballmannschaft gespielt wie ihr Sohn.
    "Wir sind einen Tag nach dem Absturz abgeflogen, in eine ganz andere Richtung, nach Menorca. Aber wir sassen wie benommen im Flugzeug. Mir ist einmal mehr klar geworden, dass man jeden Tag ganz bewusst leben muss. Da denkt man, man fliegt bloß in den Urlaub, eine von vielen Etappen deines Lebens. Und dann ist es plötzlich die letzte."