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Traumforschung
Träume. Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit

In unserer Traumwelt sind wir mit uns allein, es gibt nichts Subjektiveres. Genau das macht ihre Erforschung so schwierig. Allerdings hat es in den vergangenen Jahren trotzdem große Fortschritte gegeben. Stefan Klein berichtet darüber in einem spannenden Buch.

Rezension: Dagmar Röhrlich | 12.10.2014
    Die Erkenntnisfortschritte gründen sich auf riesige Traumdatenbanken. Die belegen, wie sich die Erfahrungen des Tages, die Lebensumstände und die Persönlichkeit im Traum spiegeln. Der zweite Faktor sind die Gehirnscans, die inzwischen mit ungeahnter Präzision die nächtliche Neuronenaktivität enthüllen. So gelang es im Jahr 2012 am Zentrum für Neuroinformatik in Kyoto erstmals, den Inhalt von Träumen "in Echtzeit aus den Köpfen zu lesen", beschreibt Stefan Klein in seinem neuesten Buch "Träume. Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit".
    Umschlagbild des Buches von Stefan Klein: Träume
    Stefan Klein: Träume. Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit (S. Fischer Verlag)
    Forschungsleiter Yukiyasu Kamitani ließ im Kernspintomographen die Aktivität verschiedener Gehirnareale seiner drei schlafenden Probanden verfolgen, um daraus auf den Trauminhalt zu schließen. Allerdings gelang das nur mit Hilfe eines Tricks: Kamitani hatte sie zuvor befragt, wovon sie träumten und ihnen passende Bilder gezeigt. Weil Bilder im wachen Zustand und im Traum gleiche Aktivitätsmuster erzeugen, konnte er in 60 Prozent der Fälle auf das Traumgeschehen schließen. Zwar lässt sich durchaus daran zweifeln, wie aussagekräftig ein derart manipuliertes Experiment tatsächlich ist, aber gibt doch Hinweise darauf, wie unser Gehirn im Traum arbeitet.
    Obwohl sich der moderne Mensch heute kaum an seine Träume erinnert, sind sie ein zentraler Teil unseres Lebens, schreibt Stefan Klein. Nach der "Glücksformel", dem "Sinn des Gebens" und "Da Vincis Vermächtnis" hat sich der Wissenschaftsjournalist nun einem Thema zugewandt, das gerade im Trend liegt: Schlaf und Traum. Sein Buch fällt auf, denn es ist ebenso unterhaltsam wie informativ und am "Puls" der Wissenschaft.
    Am Puls der Wissenschaft
    Zu Beginn erzählt er, dass der Mensch gut ein Drittel seines Lebens mit Schlafen verbringt. Und mit Ausnahme der ersten Phase nach dem Einschlafen ist das Gehirn fast während dieser ganzen Zeit mit Träumen beschäftigt, unser Bewusstsein also präsenter, als wir ahnen. Im Laufe einer Nacht gelangt nach der ersten Tiefschlafphase auch das Bewusstsein träumend mehr und mehr an die Oberfläche, bis wir aufwachen. Aus Träumen könne der Mensch viel über sich erfahren, über das eigene Ich. Durch den Traum "erweiterten sich nämlich unsere Fähigkeiten, verändert sich das Gehirn", so der Autor, "wir lernen buchstäblich im Schlaf. Unsere Persönlichkeit entwickelt sich nachts weiter."
    Stefan Klein möchte seine Leser auch davon überzeugen, sich ihre eigene Traumwelt zu erschließen, zu trainieren, den konkreten Ablauf nach Wunsch zu steuern. Der Traum als ungenutztes Potential - aber vielleicht belässt der Leser dann doch lieber im Reich der Träume, was im Reich im Reich der Träume passiert. So oder so ist "Träume - Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit" ist ein spannendes Buch, das zum Nachdenken anregt. Und wer sieht, wieviel während einer Nacht im Gehirn passiert, der geht vielleicht auch früher zu Bett, um länger zu schlafen.
    Stefan Klein: Träume. Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit
    ISBN-13: 978-3100396150
    S. Fischer Verlag, 288 Seiten, 19,99 Euro