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Treffen im Kanzleramt
Entscheidung im Diesel-Gipfel vertagt

Wieder hat ein Treffen im Kanzleramt zur Frage, was mit den Dieselfahrzeugen, die zu viel Schadstoffe ausstoßen, geschehen soll, keine Lösung gebracht. Aber der Druck auf Politik und Autoindustrie bleibt hoch. Noch in diesem Jahr werden in acht Städten Urteile zu möglichen Fahrverboten erwartet.

Von Nadine Lindner | 29.09.2018
    Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kommt zum Autogipfel ins Kanzleramt.
    Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor dem Autogipfel im Kanzleramt (Jörg Carstensen/dpa +++ dpa-Bildfunk)
    Das Treffen im Kanzleramt hat noch keine Einigung gebracht. Zu viele Fragen blieben zwischen den beteiligten Ministerien offen. Welche genau, dazu gab es nach der Ministerrunde keine Angaben, auch kein gemeinsames Statement.
    Es hieß lediglich, dass man auf einem – Zitat – "guten Weg" sei. Arbeitsaufträge wurden erteilt, um Detailfragen zu klären, bis zum Treffen des Koalitionsausschusses am Montagabend. Erst dann soll eine Entscheidung getroffen werden. Die Klärung der Diesel-Frage zieht sich also ins Wochenende. Bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag zum Thema "Drei Jahre Abgasskandal" sorgte diese Verzögerung für Kritik der Opposition:
    "Drei Jahre Abgas-Skandal, aus meiner Sicht, aus der Sicht meiner Fraktion sind dies drei verlorene Jahre."
    "Wir sind auf dem besten Weg, ohne Not die mit Abstand sauberste und effizienteste Spitzentechnologie Made in Germany selber mit voller Inbrunst zu zerstören."
    "Diese ewige Hin-und-Her-Gewackele, das kann nicht weitergehen, dass ein Verkehrsminister Deutschland so lange im Unklaren lässt wie Herr Scheuer das tut."
    Verkehrsminister pro Autoindustrie
    Andreas Scheuer, CSU-Verkehrsminister verwies im Gegenzug auf seinen Plan der Umtauschprämie und auf Arbeitsplätze in der Automobilindustrie, die es zu schützen gelte.
    "Allein bei Bosch hängen 50.000 Arbeitsplätze am Diesel dran. Und wir in dieser Koalition machen Wirtschaftspolitik, damit der Automobilstandort Deutschland erhalten wird."
    Scheuer hatte in dieser Woche ein Konzept vorgelegt, das einen Dreiklang aus Nachrüstungen, Rückkaufmöglichkeiten und Umtauschprämien vorsieht, wobei Scheuer Umtauschprämien – wie die Autoindustrie favorisiert. Der Streit innerhalb der Bundesregierung dreht sich nach wie vor um die Hardware-Nachrüstung von alten Diesel-Fahrzeugen und ihre Finanzierung.
    Dass die nach dem Treffen fortbestehen, wurde während der Aktuellen Stunde um Bundestag noch einmal mehr als deutlich.
    Florian Pronold, Staatssekretär im SPD-geführten Umweltministerium sprach sich noch einmal für Hardware-Nachrüstungen aus.
    "Ohne Nachrüstungen sind Fahrverbote in vielen deutschen Städten nicht zu vermeiden. Und seit über drei Jahren weisen wir als Umweltministerium auf diese Position hin."
    Flotten austauschen
    Merkel hatte sich vor dem Treffen in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen geäußert. Die Regierungschefin vollzog dort einen ähnlichen Spagat wie ihr Verkehrsminister, der zwar von der Industrie finanzierte Hardware-Nachrüstungen in sein Konzept aufgenommen hatte, sie im Kern aber ablehnt und stattdessen auf Umtauschprämien setzt.
    "Dann müssen wir versuchen, als Erstes und das ist im Interesse der Kunden und im Interesse der Automobil-Industrie die Flotte zu erneuern. Dazu ergänzend wird man für einige die Nachrüstung eröffnen können. Und wenn dieser Fall eintritt, sind wir der Meinung, dass der Kunde nichts dafür bezahlen soll."
    Ähnlich – pro Flottenerneuerung - äußerten sich die deutschen Auto-Hersteller. VDA-Präsident Bernhard Matthes am Donnerstag gegenüber dem Sender n-tv.
    "Wir wollen saubere Luft in den Städten. Wir wollen schnelle Wirkung. Und wenn wir uns darauf einigen können, dass die schnelle Wirkung Bestandserneuerung ist, dann machen wir genau das Richtige. Die Flotten austauschen. Ältere Fahrzeuge raus, jüngere Fahrzeuge rein."
    Weitere Fahrverbote erwartet
    Von den deutschen Herstellern gab es durch Medienberichte unterschiedliche Signale. Der Spiegel hatte berichtet, dass sich Volkswagen zwar grundsätzlich zu Hardware-Nachrüstungen bei Euro 5 Dieseln bereit erklärt, aber nur 80 Prozent der Kosten übernehmen will. Die "FAZ" berichtete von einem Gutschein-System, das deutsche Hersteller einrichten wollen, um nachträglich SCR-Katalysatoren einzubauen, ohne jedoch dafür die Garantie zu übernehmen.
    Der Druck auf Politik und Autoindustrie gleichermaßen bleibt hoch: Die Deutsche Umwelthilfe kündigte an, dass allein in diesem Jahr noch in acht Städten Urteil zum Thema Fahrverbote erwartet werden. Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, erklärte, die Pläne, dass Autohersteller über ein Gutscheinsystem die Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge zwar mitfinanzieren, aber nicht voll tragen und keine Garantie übernehmen, bleibe "eine Ohrfeige" für betroffene Verbraucher.