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Yoga für Hartbesaitete

Ein Sonnengruß zu harten Beats, ein Krieger zur heulenden Gitarre: Das ist schwarzes Yoga. Im Berliner Studio von Charlotte Messerschmidt gibt es fernöstliche Übungen zu Dark-Metal-Klängen.

Von Mechthild Klein | 06.12.2017
    Eine Frau macht die Kopf-zum-Knie-Stellung im Yoga
    Die Kopf-zum-Knie-Stellung im Yoga (imago stock&people)
    In einem winzigen Studio im Berliner Stadtteil Friedrichshain hat die Yoga-Lehrerin alles vorbereitet. Lila Matten sind ausgerollt. Ein paar Kerzen erleuchten den Raum. Ein schwarzer Samtvorhang schützt vor neugierigen Blicken von Außen. Aus den Lautsprechern tönt - nein, keine sanfte Klangcollage. Aus den Boxen hämmert Dark-Metal. Seit einiger Zeit bietet Charlotte Messerschmidt Kurse für "Dark-Yoga" an - mit Musik für Metalheads und Hardrockfans.
    Am Anfang ist die Musik noch ruhig ...
    "Wir fangen wie immer im Sitzen an. Sucht euch einen guten Sitz, gerne mit Kissen oder Decke unterstützt", sagt Charlotte Messerschmidt. "Kann Schneidersitz sein, Fersensitz. Ihr wisst Bescheid. So dass ihr innerlich aufgerichtet seid. Dann schließt erst mal die Augen. Findet ne Position, in der ihr sitzen können. Kommt erst mal an, körperlich und auch innerlich. Erst mal das Gefühl: okay, ich bin auf meiner Matte. Ich bin da."
    Die Schüler gehen gedanklich alle Körperteile durch, sollen spüren, wo es kalt ist, verspannt oder ziept. Noch einmal ein bewusstes Einatmen. Charlotte leitet zur ersten Yogaposition an: Der herabschauende Hund - eine klassische Position aus dem Hatha-Yoga. Man steht auf allen Vieren auf der Matte.
    "Wir legen noch ein bisschen zu mit der Musik. Wir legen auch körperlich zu. Und dann löst die Hände."
    Dann das Dreieck - alle Yoga-Positionen müssen jeweils für ein paar Takte gehalten werden.
    "Und mit dem nächsten Ausatmen bringt ihr vorderen Arm, hinteres Bein zusammen unter dem Körper. Und mit dem Einatmen wieder ausstrecken. Und wieder zusammen mit dem Ausatmen."
    "Aaaaaaaah"
    Es geht weiter mit den verschiedenen Krieger-Figuren. Eingeleitet mit einem großen Ausfallschritt nach hinten. Im Hatha-Yoga kennt man mindestens drei solcher Positionen, in denen die Standfestigkeit trainiert wird.
    "Da bin ich versehentlich auf Random gekommen. Ich wollte eigentlich ein bisschen mehr Power. Uh! Wenn ihr eure Balance gefunden habt - was mir grade nicht so richtig gelingt - dann kraftvoll drei Mal ausatmen. Dann Feueratem und ordentlich einen Schlachtruf. Traut euch! Ihr wisst ja. Drei Mal kraftvoll alles raus. Wah! Und nochmal: Wah! Und jetzt mit Schmackes, alles was geht. Aaaaaah! Das waren aber nicht alle. Hab ich gehört. Okay. Nehmt den hinteren Fuß zur Seite und kommt erst mal in den Krieger Zwei."
    Eine Stunde Yoga zu üben, ist schweißtreibend. Nach einem Dutzend Figuren, gelegentlich mit etwas Headbanging, führt Charlotte am Schluss in den Entspannungsteil. Zu Metal-Musik im Stil Drone Doom: also ganz langsame, melancholische Musik. Fürs Chillen eben.
    Im "Dark-Yoga" stimmt Charlotte alle Yoga-Übungen auf diese spezielle Musik ab. Jedes Mal stellt sie eine Playlist zusammen. Auf Drone und Dark Ambient (*) folgen melodischer Death-Metal. Die Teilnehmer können auch Musikwünsche äußern. Die Auswahl ist es auch, die die Leute anzieht, die meisten sind schon länger dabei:
    "Ich stehe halt ein bisschen mehr auf Metal. Und ist mal was anderes."
    "Ich finde, wie sie das macht, das ist schon sehr optimal. Auch mit der Musikmischung und so weiter. Man kann sich auch was wünschen."
    "Ich wohn hier um die Ecke. Wir hören sowieso Hardrock, Metal alles sowas. Und dann hat man mal eine Schnupperstunde mitgemacht und seitdem dabei, seit ein paar Monaten. Weils einfach Spaß macht, das ist eine familiäre Atmosphäre. Das ist gute Musik."
    "Weihrauch hier, Glöckchen da - das ist mir zu pling-pling"
    Charlotte Messerschmidt ist in Deutschland derzeit wohl die einzige Yoga-Lehrerin mit dieser Musik-Kombination zu Yoga. Nur in den USA gibt es noch eine Lehrerin, die Metal-Yoga anbietet.
    "Ich höre selber sehr gerne Rock, Hardrock, Metal solche Sachen. Und wurde inspiriert von einer amerikanischen Yoga-Lehrerin, die in Pittsburgh mehr zu Drone und Dark Ambient unterrichtet. Aber eben etwas dunklere Musik. Habe gesehen, das funktioniert und man darf das auch machen. Ich hatte ein bisschen Zweifel. Und die Leute kommen auch. Es gibt tatsächlich auch ein Potential für Schüler, die das wahrnehmen wollen."
    Die 44-Jährige möchte Leute ansprechen, die sonst nicht ins Yoga-Studio finden würden. Sie verwendet deutsche Bezeichnungen, nicht die Sanskrit-Namen für die Körperhaltungen, die Asanas.
    "Das ist mir zu "pling-pling" - Weihrauch hier und noch ein Glöckchen da. Ich glaube, der Zugang ist für Leute, die noch nie Yoga gemacht haben, etwas leichter, wenn ich nur auf dieser körperlichen Ebene das anbiete."
    Mit Rechtsrock oder satanischer Musik habe ihr "Dark-Yoga"-Angebot nichts zu tun. Als die Wahl-Berlinerin auf der Suche nach einem Yoga-Studio war, musste sie genau gegen diese Vorurteile kämpfen.
    "Ich hatte immer das Gefühl, die Leute denken: Ich schmiere irgendwelche satanischen Symbole an die Wand. Und ich köpfe Katzen. Da gibt es viele Vorurteile, ja. Aber, was soll's."
    Seit vielen Monaten nun teilen sich die "Dark-Yoga"-Fans ein Studio mit anderen Yoga-Gruppen wie etwa Yoga für Schwangere, Kinder oder Rückenkranke. Und da hat sich gezeigt, dass die Metalheads genauso entspannt sind wie die anderen. Vielleicht sogar noch mehr relaxt, weil die Metal-Fraktion ihre Aggressionen und ihren Stress beim Hören der schnellen Beats loswerden können."
    (*) In der ursprünglichen Textfassung hieß es hier versehentlich "Dark Eminem".