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Triales Studium
Nichts für Faulenzer

Abgeschlossene Ausbildung, Meisterbrief und Bachelor-Abschluss – in nur fünf Jahren: Das triale Studium wurde eingeführt, um das Handwerk wieder zu beleben und auch für Abiturienten attraktiv zu machen. Doch die Arbeitsbelastung ist sehr hoch und das Studium wird nicht so angenommen wie erhofft.

Von Vivien Leue | 10.06.2019
Zwei Zimmermannsgesellen, die auf Wanderschaft sind, arbeiten auf einer Baustelle in Bamberg.
Praxis und Theorie: Mit einem trialen Studium wird man zu einem Spezialisten im Handwerk, bekommt den Meisterbrief und absolviert ein betriebswirtschaftliches Studium (dpa)
"Mein Name ist Harald Vergossen, ich bin verantwortlich im Haus für das triale Studium."
Die Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, Gebäude "W", Raum 307. Hier, in einem kleinen Übungsraum im dritten Stock, erklärt BWL-Professor Harald Vergossen gerade ein paar interessierten Abiturienten, wie das triale Studium funktioniert – welche Vorteile und Herausforderungen es mit sich bringt. "Sie würden drei Abschlüsse erwerben innerhalb dieser fünf Jahre und würden eben gleichzeitig zu einem Spezialisten im Handwerk und ein betriebswirtschaftliches Studium durchlaufen."
Die jungen Männer und Frauen – und auch ein paar Eltern – schauen gespannt auf die Infos und Tabellen, die Harald Vergossen zeigt. Eine abgeschlossene Ausbildung, der Meisterbrief und einen Bachelor-Abschluss – in nur fünf Jahren. Das hört sich gut an. Und Professor Vergossen nennt noch einen Vorteil: "Eine weitere Chance, die ich hier ansprechen möchte, ist, dass hier im Kammerbezirk Düsseldorf und das sieht in anderen Kammerbezirken nicht anders auch, sehr viele Handwerksbetreibe Nachfolgerinnen und Nachfolger suchen."
Anstrengende Sechs-Tage-Woche
Vor allem deshalb wurde vor etwa vier Jahren dieser triale Studiengang eingerichtet, auf Bitten des Handwerks, erzählt der BWL-Professor. Dann wendet er sich den Details des Programms zu: "Jetzt habe ich ihnen hier mal eine Tabelle mitgebracht, wie so der Studienverlauf im Einzelnen aussieht." Und die ersten Interessenten sehen plötzlich ein wenig skeptisch aus.
"In den ersten beiden Semestern wäre es so, dass sie drei Tage im Handwerksbetrieb sind, dass sie zwei Tage im Berufskolleg verbringen und dass sie dann einen Tag in der Woche in der Hochschule sind und das ist dann in der Regel der Freitagabend und Schrägstrich oder der Samstag."
Ab dem dritten Semester sind es dann immer der halbe Freitag und der Samstag, den die Studierenden an der Hochschule verbringen – zusätzlich zu ihrer Arbeit im Ausbildungsbetrieb und der Lehre im Berufskolleg. Das ist anstrengend, warnt Vergossen. "Sie werden weniger Freizeit haben, sie müssen wirklich bereit sein, große Teile ihrer Freizeit für das Studium aufzubringen und sie müssen für die nächsten Jahre mit einer Sechs-Tage-Woche leben."
Ein junger Mann in der letzten Reihe meldet sich. "Ich habe eine Frage, weil das Studium so anstrengend ist..." Er lernt bereits Mechatroniker und würde gerne noch ein Studium aufsatteln. Aber: "Was haben sie für eine Durchfallrate?" – "Die Durchfallquote?" – "Ja, wie viele von diesen 30 Leuten machen denn das Studium zu Ende?"
"Gute Frage, ich kann ihnen das aber noch nicht abschließend beantworten, weil wir das Studium erst seit 2015 anbieten, also wir haben noch keine Gruppe, die wirklich bin zum Ende studiert hat. Ich kann ihnen aber sagen und das will ich ihnen auch ganz offen und ehrlich ansprechen, dass von der ersten Gruppe, das waren zwölf Leute, da sind jetzt noch fünf an Bord."
Schnelles, aber kein oberflächliches Programm
Ganz so hoch war die Abbrecherquote in den darauf folgenden Jahrgängen nicht. Sie liegt aber immer noch bei recht hohen 30 bis 35 Prozent, sagt Vergossen. "Die Gespräche mit denen, die das nicht fortsetzen, zeigen, dass das an der hohen Arbeitsbelastung liegt, die mit dem Programm verbunden ist."
Das triale Studium sei zwar ein schnelles, aber kein oberflächliches Programm, sagt der Professor. Die Studierenden erwerben einen vollwertigen BWL-Abschluss, mit allen Modulen, Vertiefungen und Wahlfächern, die es auch im Vollzeit-Studium gäbe: Mit mindestens einer Fremdsprache, Modulen in Wirtschaftsmathe, Statistik oder VWL zum Beispiel.
Die Besonderheit an diesem Studiengang sind allerdings die Angebote zum Thema "Handwerk". "Unternehmensstrategie des Handwerks wäre eines dieser Module, Soziologie des Handwerks, also wie ist das Handwerk aufgebaut, was für Institutionen gibt es da, wie arbeitet man im Handwerk, das wäre dieses zweite Modul oder auch Projektmanagement im Handwerk wäre eines, was in diesen Bereich gehört."
Die Interessenten scheinen hin- und hergerissen. Das Programm ist attraktiv und lässt offenbar wenige Wünsche offen, denn zum Inhalt gibt es kaum Fragen. Dafür umso mehr zur Organisation. Ein junger Mann fragt: "Ich könnte jetzt von vornherein schon sagen, dass ich freitags nicht die Zeit hätte für dieses Studium. Gäbe es trotzdem die Möglichkeit, wenn ich nur am Samstag kommen würde?" - Das müsse man im Einzelfall klären.
Studienplätze bleiben frei
Eine Mutter fragt: "Es besteht aber keine Anwesenheitspflicht, also genau wie im Studium?" - Nein, sagt der BWL-Professor.
"Ist es denn möglich, den ganzen Stoff auch online nachzuholen?", fragt ein junger Mann. Es sei schon wichtig, sagt Vergossen, dass man die nötige Zeit auch an der Uni verbringe. Die Sechs-Tage-Woche – um sie kommen die trialen Studenten wohl nicht herum.
Für Till Strommenger, der mit seinem Vater zur Info-Veranstaltung gekommen ist, ist das allerdings kein K.o.-Kriterium. "Man muss natürlich auch für diese Arbeitsbelastung gebaut sein und wenn man jetzt eher sehr viel Freizeit gewöhnt ist, wäre so ein Studium ein größerer Aufwand, als wenn man jetzt es gewöhnt ist, samstags mal zu arbeiten."
Er möchte sich auf jeden Fall für das Studium bewerben. Sein Vater Hartmut unterstützt das. Er hat selbst einen handwerklichen Betrieb und findet das triale Studium ideal. "Weil es letzten Endes den Nachwuchs bringt, den denke ich Betriebe brauchen. Eine gute Ausbildung ist immer sinnvoll und gerade auch die Verbindung zwischen Studiengang und auch praktischer Ausbildung, das macht schon Sinn."
Harald Vergossen kann Till Strommenger und allen anderen Bewerbern schon jetzt Hoffnung machen. Von den angebotenen 40 Studienplätzen pro Jahr sind bisher immer nur 20 bis 25 besetzt worden. Jeder, der wollte, hat auch einen Platz bekommen.