Freitag, 19. April 2024

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Triathlon-Chef
"Es besteht insgesamt eine negative Einstellung zur Leistung"

Triathlon-Präsident Martin Engelhardt sorgt sich um den Leistungssport in Deutschland. Durch Doping und Missbrauch habe die gesellschaftliche Anerkennung für den Leistungssport rapide abgenommen, sagte der Sportfunktionär im Dlf. Er selbst kann sich eine Kandidatur für das Amt des DOSB-Präsidenten vorstellen.

Martin Engelhardt im Gespräch mit Astrid Rawohl | 22.08.2021
Der deutsche Triathlet Jonas Schomburg nimmt bei den Olympischen Spielen in Tokio in der Wechselzone sein Rennrad in Empfang.
Für Martin Engelhardt, dem Präsident der deutschen Triathletinnen und Triathleten ist es um die gesellschaftliche Anerkennung für den Leistungssport extrem schlecht bestellt. (dpa / picture alliance / Sebastian Gollnow)
Mit der schwächsten Medaillenausbeute seit der Wiedervereinigung sind die deutschen Athletinnen und Athleten von den Olympischen Spielen von Tokio zurückgekehrt. Das Team des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hatte in Japan zehnmal Gold, elfmal Silber und 16 Mal Bronze geholt.

Für Triathlon-Präsident Martin Engelhardt sind Gründe für den Leistungsabfall, die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung und Bedeutung für den Leistungssport. Zu seiner Zeit sei seine Schule stolz auf seine Leistungen gewesen, wenn er einen Titel errungen habe und er habe dafür einen Tag frei bekommen, berichtete der 61-Jährige.
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"Schulsport in Deutschland wird abgeschafft"

"Heutzutage bekommen Leistungssportler Hindernisse in den Weg gelegt, in vielen Schulen", sagte der Sportmediziner im Dlf. Kontinuierlich werde der Schulsport in Deutschland abgeschafft, kritisierte der hessische Sportfunktionär. Die Probleme hätten sich durch die Corona-Pandemie noch einmal verschärft. "Es ist ein Skandal, dass über 40 Prozent der Kinder in Deutschland unter zehn Jahren nicht mehr richtig schwimmen können", sagte Engelhardt.

Außerdem habe der Sport in der Bevölkerung durch Doping und Missbrauch ein negatives Image. "Viele Teile der Bevölkerung denken, dass die Kinder da zur Leistung gequält werden", sagte Engelhardt. "Es besteht insgesamt eine negative Einstellung zur Leistung." Dadurch habe man immer weniger Kinder, die man in den Sportarten zum Sport treiben bringen könnte und darüberhinaus würden auch qualifizierte Trainer fehlen, die die Kinder anleiten würden. Dadurch würde sich von ganz alleine bereits die Anzahl der Talente verringern. Sporttreiben sei generell rückläufig in Deutschland. Erst wenn man wieder mehr Menschen und Kinder für den Sport begeistern könne, werde es auch wieder möglich sein, ein Sportgroßereignis nach Deutschland zu holen.
Martin Engelhardt ist Präsident der Deutschen Triathlon Union.
Martin Engelhardt ist Präsident der Deutschen Triathlon Union. (Deutschlandfunk / Jessica Sturmberg)
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"Von Sport profitiert die ganze Gesellschaft"

Engelhardt forderte mehr kompetente und gut ausgebildete Trainer, um die Sportler in die Weltspitze zu führen. Hier gebe es immer weniger Trainer, die bereit seien, den hohen zeitlichen Aufwand zu betreiben.
Es sei auch bezeichnend, dass der Sport während der Pandemie von den Ministerien nicht angehört und eingeladen worden sei. "Da sieht man, dass der Sport in der Gesellschaft und Politik massiv an Bedeutung verloren hat", sagte der Chef der Deutschen Triathlon Union (DTU).

Jeder profitiere von sportlicher Aktivität, speziell aber Kinder für ihre geistige und körperliche Entwicklung. Im Sport lerne man automatisch, dass man sich für Erfolge anstrengen und nach Niederlagen wieder aufstehen müsse, dazu die Integration durch Sport und die Durchlässigkeit der Schichten, die sich positiv auf die Gesellschaft auswirken. Auch für die Gesundheitssysteme sei Sport enorm wichtig, da diese durch Übergewicht, Bewegungsmangel und Zivilisationskrankheiten in der Gesellschaft verstärkt belastet werden.

Martin Engelhardt wird auch als Nachfolger für das Amt von DOSB-Präsident Alfons Hörmann gehandelt, sollte er breite Unterstützung haben, werde er sich zur Wahl stellen, sagte er im Dlf.
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