Donnerstag, 18. April 2024

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Trio Monsieur Doumani
Mediterrane Rebellen

Monsieur Doumani: Das junge Trio aus Zypern hat im vergangenen Jahr mit seinem dritten Album "Anghatin" einige zyprische Folk-Traditionen zu neuem Leben erweckt. Gespielt jedoch nicht traditionell mit Laute, Geige und Percussion, sondern auf der Tzouras, einer Cousine der Bouzouki, mit Gitarre, Flöte und Posaune. Attacke!

Von Grit Friedrich | 05.07.2019
    Zwei Männer sitzen auf einer Treppe. Ein Mann in roter Hose steht neben ihnen.
    Monsieur Doumani wurden als beste Band bei den Songlines Music Awards nominiert. (Mina Panagiotis)
    Musik: "Mother And Mistress Of Us All"
    "Mother And Mistress Of Us All" ist ein Titel vom aktuellen Monsieur Doumani Album Angathin. "Mutter Erde, sie haben dich bis auf das Blut ausgepresst", lautet eine Textzeile, aber am Ende des Liedes verschluckt die Erde dann doch all ihre Blutsauger. Aus dem energetisch dichten Sound der Band spricht durchaus Wut über die Passivität vieler Menschen, angesichts der Müllberge, die immer weiter wachsen. Aufrütteln wollen die drei jungen Musiker aus Nikosia. Und gern auch anstacheln zum Protest. Denn es gibt viele ungelöste Probleme auf Zypern.
    Antonis Antoniou: Seit 1974 ist die Insel und seit 1963 unsere Heimatstadt Nikosia geteilt. Seit 2014 gibt es einige Übergänge, man kann auf die andere Seite gehen und auch türkische Zyprioten können den Süden besuchen. Wir arbeiten sehr aktiv daran, den Frieden zwischen den beiden Communities und die Vereinigung der beiden Teile voranzubringen. Nur mit Frieden werden wir das erreichen. Wir spielten im Nordteil von Nikosia, auch auf Festivals und haben einen Freundeskreis, der sagt, es ist Zeit, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Über all das möchten wir auch in unseren Liedern reden. Das aktuelle Album "Angathin" spricht diese Probleme genauso an wie den Umweltschutz. Wir müssen unseren Lebensstil ändern und die Art, wie wir im Alltag agieren.
    "Angathin" heißt Dorn, dieser Albumtitel hat mehr als symbolische Bedeutung. In vielen Texten geht es um den Zusammenhang von notorisch korrupten Politikern und der Umweltzerstörung auf Zypern.
    Soundtrack zu einem Protestmarsch
    Antonis Antoniou: Akamas ist eine Halbinsel, bisher ein geschütztes Gebiet. Wahrscheinlich die letzte noch unberührte Landschaft in Zypern. Dieses Gebiet ist jetzt im Fokus von Investoren. Leute mit viel Geld versuchen den Schutzstatus zu durchbrechen. Und das führt zu Zerstörung. Geld kann Einfluss nehmen auf die Regierung und sogar auf Gesetze. Wir sind an einem entscheidenden Moment angelangt für dieses Gebiet. Wir kämpfen durch unsere Lieder aber nehmen auch an Demonstrationen teil. Und treten dort auf.
    Musik: "Akamas' Dragoons"
    Potentielle Großinvestoren in einem Naturschutzgebiet auf Zypern werden in "Akamas' Dragoons" als gierige Drachen bezeichnet. Dieses Lied wirkt fast wie der Soundtrack zu einem Protestmarsch. Die zwischen beißender Ironie und tiefem Ernst pendelnden Songtexte von Monsieur Doumani treffen auf den Sound einer druckvollen akustischen Band, mit der kleinen Bouzouki "Tsouras", Gitarre, Posaune und Flöten. Dabei ist Monsieur Doumanis musikalische Sprache tief in den Traditionen Zyperns, aber auch im Rembetiko verwurzelt, dem rauen Griechen-Blues verräucherter Hafenspelunken rund um Pireus oder Athen. Man hört zwar bis heute, dass Bandgründer Antonis Antoniou Jazz studiert hat, aber erst eine Reise nach Kreta ließ ihn seine musikalische Sprache finden.
    "Ich habe mich vor langer Zeit in Jazzmusik verliebt. Ich war wirklich beeindruckt von der Freiheit und den Ausdrucksweisen der Musiker und ich hörte viel Jazz. Darum habe ich in Athen Jazz studiert. Einmal war ich mit Freunden nach Kreta eingeladen und blieb dort fünf Tage. In Kreta wurde ich in Rembetiko-Musik getauft, denn alle Leute, die wir dort im Haus unseres Freundes trafen, waren völlig verrückt danach und spielten Tag und Nacht Rembetiko, ich weiß nicht wann sie eigentlich geschlafen haben. Am Morgen kamen sie mit ihren Instrumenten zu uns und abends gingen sie in Tavernen oder Cafes und spielten dort bis zum nächsten Morgen. Diese Tage haben mich sehr beeinflusst und inspiriert."
    Das nächste Stück ist ein Karnevallied aus Zypern. Es hat fast etwas Bedrohliches, denn es gibt auch Zombies darin und die Posaune ruft die Reichen zum letzten Gericht.
    Musik: "Sikoses"
    Wie gern die Männer von Monsieur Doumani singen, hörte man bei "Sikoses". Eine traditionelle Melodie mit einem aktualisierten Text vom zweiten Album der Band. Zwar wurde es, wie das erste im eigene Studio mit einem einzigen Mikrofon aufgenommen, aber anders als beim Debüt, überwogen auf "Sikoses" eigene Songs, die meisten schreibt Sänger und Bandleader Antonis Antoniou.
    "Auf dem ersten Album waren auch schon zwei eigene Lieder, die sich mit einigen sozialen oder politischen Vorgängen hier auf der Insel kritisch auseinandersetzten. Viele Menschen haben das stark angenommen und ließen sich von diesen Liedern inspirieren. Wir verstanden, es war an der Zeit unsere eigene Musik zu schreiben, mit eigenen Texten, um die Dinge zu kommentieren, die uns störten. "
    Rebellischer Geist des Rembetiko
    Bei "The Suitcase" singt Antonis Antoniou wie gut es sich anfühlt, unnötigen Ballast abzuwerfen. Nicht mal einen Koffer braucht der Sänger wenn er unterwegs ist, nur seine kleine griechische Langhalslaute aus der Bouzouki-Familie. Auch hier schwebt die Posaune von Demetris Yiasemides immer mal wieder absichtsvoll fast dissonant neben der Melodie.
    Musik: "The Suitcase"
    In der fast trancigen, an Texturen reichen Musik von Monsieur Doumani hört man nicht nur den rebellischen Geist des Rembetiko, sondern auch das wichtigste Instrument dieses Genres, die Tsouras. Diese kleine Langhalslaute aus der Bouzouki-Familie ist relativ neu in der zyprischen Musik. Sie wird auf der Insel im Mittelmeer erst seit den sechziger Jahren gespielt.
    Was Antonis Antoniou diesem Instrument entlockt, hat allerdings den Kontext der Volksmusik schon lange gesprengt. Manchmal klingt sein Instrument wütend wie eine verzerrte E-Gitarre, dann wieder zart und spielerisch, aber nie imitiert er einfach traditionelle Musiker. Das Trio Monsieur Doumani komplett machen der Gitarrist Angelos Ionas und ein wie ein Jazzmusiker frei agierender Posaunist, der diverse Flöten beherrscht: Demetris Yiasemides.
    "Weil wir keines dieser traditionellen Instrumente von Zypern wie Laute oder Geige spielen konnten, war es interessanter für uns etwas mit den Instrumenten, die wir beherrschten, zu schaffen. Darauf basiert die Idee des Trios, und nicht so sehr darauf die traditionelle Musik von Zypern einfach nachzuspielen. Wir wollten unsere Wurzeln erforschen, dort interessante Dinge finden und diese dann in unsere eigene Farbenpalette geben und damit unsere eigene Musik zu machen, Musik, mit der wir uns wohl fühlen."
    Musik: "The Forest Ranger"
    Man fühlt sich in eine kleine Taverne in einem Dorf irgendwo auf Zypern versetzt. Doch auch in einen New Yorker Jazzclub der dreißiger Jahre. Obwohl auf dem neuesten Album "Angathin" fast nur noch eigene Songs landeten, spielt das Trio im Konzert gern traditionelle Stücke, wie dieses. Diese Melodie über einen schwer verliebten Förster wurde für ihre CD "Grippy Grappa" zu neuem Leben erweckt. Bis vor ein paar Jahren hörten junge Leute auf Zypern kaum Lieder wie diese, doch die Musiker von Monsieur Doumani brachten Volkslieder zuerst auf die Straße und später auf Festivalbühnen. Es gibt einige mitreißende Instrumentalstücke auf ihren drei Alben, Tänze aus Zypern und Griechenland, viele spannende improvisierte Passagen, aber auch berückend schönen dreistimmigen Männergesang.
    "Als Trio ist es unvermeidlich, dass man einige Frequenzbereiche nicht abbildet. Mit Posaune, Flöten, Tsouras und Gitarre vermissen wir natürlich den Bass und Percussions. Das versuchen wir durch unsere Stimmen und die Art, wie wir unsere Instrumente spielen, auszugleichen und damit mehr Tiefe in diesem Musik hineinzubringen. Und so war es uns klar, dass wir alle unsere Stimmen einsetzen sollten, von Beginn an. Das war eine große Herausforderung, zu versuchen, diese Lücken zu füllen."
    Zyprischen Folk mit einer Drehung
    Bei "Drinking And Kissing" geht es darum, das Leben zu feiern, trinkend und küssend. Ein traditionelles Lied von Zypern, aber gespielt alles andere als museal. Den treibenden Beat gibt hier die Posaune vor. Und Antonis Antoniou spielt auch mit elektronischen Effekten.
    Musik: "Drinking And Kissing"
    Die Männer von Monsieur Doumani nennen ihre Musik: zyprischen Folk mit einer Drehung (cypriot folk with a twist). Denn es gibt in ihren eigenen Kompositionen viele Einflüsse. Dimitris Yiasemides an Posaune und Flöten hat eine klassische musikalische Ausbildung absolviert. Antonio Antoniou studierte klassische und Jazzgitarre und Angelos Ionas spielt seit seiner Kindheit in verschiedenen Bands Gitarre, aber auch immer mehr Gäste sind an der Entstehung der Songs beteiligt.
    "Für das aktuelle Album haben wir bei vielen Songs mit anderen Künstlern zusammengearbeitet. Mit verschiedenen Sängern und Musikern. Einer ist der Rapper Julio, der wirklich ernstzunehmende Texte im zyprischen Dialekt rappt. Das hat niemand hier vor ihm gemacht, alles war auf Griechisch oder Englisch. Er befasst sich mit ähnlichen Dingen wie wir. Und wir sind auch große Fans der Rapmusik und waren davon stark beeinflusst."
    Drei Männer stehen oder sitzen vor einem vergitterten Fenster.
    Monsieur Doumani ist die bekannteste Band Zyperns (Mina Panagiotis)
    Antonis Antoniou liebt vor allem die sozialkritischen Songs des zyprischen Rappers Julio, aber auch Bands aus Griechenland, wie Active Member, Social Waste und Stereo Nova. Rapmusik ist sehr populär auf Zypern. Darum ist es kein Zufall, dass gerade der Titelsong des aktuellen Monsieur Doumani Albums, Angathin, gemeinsam mit dem Rapper Julio entstand. Lieder sollen wie Dornen sein, auch wehtun, wo es sein muss. Und darum funktioniert auch dieser Hybrid aus einem gerappten Text und einer an Volksmusik inspirierten Musik, ein Stück, das fast wie ein Beschwörung klingt.
    Musik: "Angathin (Thorn of a cactus)"
    Der Rapper Julio und Monsieur Doumani haben für das Album Angathin das erste Mal kooperiert. Heute gibt es auf Zypern wieder mehr junge Leute, die interessiert sind an der traditionellen Musik ihrer Insel, aber auch an der aus Griechenland oder des gesamten Mittelmeerraums. Sie studieren diese Musik, reisen, kommen dann auf die Insel zurück und haben viele Ideen wie man diese Musik weiterentwickeln kann oder originalgetreu spielt. An den Wochenenden kann man in Nikosia viele solcher jungen Bands hören, in Cafes oder Tavernen. Doch bei allem Willen einen neuen zeitgenössischen Sound zu schaffen, funkelt aus den Alben von Monsieur Doumani tiefes Wissen um die traditionelle Musikkultur auf Zypern.
    Vom geographischen Rand Europas
    " Natürlich respektieren wir die alten Volkssänger. Wir verdanken ihnen viel, ihrer Musik, ihrem Gesang und ihren Interpretationen der traditionellen Musik auf Zypern. Die alten Aufnahmen aus den fünfziger und sechziger Jahren haben unsere Arbeit sehr beeinflusst. Leider gibt es keine älteren Aufnahmen als diese. Wir nutzen das aber als Rohmaterial."
    Musik: "Έσυρα το μήλον"

    Musik: "I Tossed an Apple"
    "I Tossed an Apple" kam auf das Debütalbum "Grippy Grappa" und ist ein lokaler Ohrwurm geworden auf Zypern. Das Trio Monsieur Doumani erntete auch im Ausland viel Kritikerlob für seine drei Alben, das aktuelle, "Angathin", erhielt den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Es wurde ein deutlich politisches Album, auch wenn die Songtexte nie didaktisch wirken. Über den Erfolg ihrer dritten CD in den europäischen Weltmusikcharts waren die Zyprioten überaus glücklich, kommen sie doch vom geographischen Rand Europas.
    Demetris Yiasemides: "Für mich persönlich ist dieses Album das reifste bisher. Wir sind viel zusammen gereist, gaben viele Konzerte. Unzählige Stunden haben wir geprobt, sodass der Klang jetzt sehr fokussiert ist. All das gibt uns Selbstvertrauen. Und das die Leute zu den Konzerten kommen und über unsere Musik reden, das ist wundervoll. Unsere ersten Alben waren 100 Prozent home made, ein wenig naiv, aber gleichzeitig originell, doch wir spielen immer voller Liebe und Hingabe."
    Das Trio bleibt auf dem Boden, auch nach der Nominierung als beste Band bei den renommierten Songlines Music Awards in Großbritannien, die im November verkündet werden. Bis dahin touren die Musiker wieder durch halb Europa, mit Stationen vor allem im Süden von Deutschland, in Österreich, beim Festival Glatt & Verkehr in Krems und beim Sziget Festival in Budapest. Im Gepäck rebellisch-groovige Musik aus Zypern, die zum Nachdenken und Tanzen anregt. Live entwickelt diese Musik nochmal eine ganz andere Energie als auf den Alben. Bei "Antics" gibt es unüberhörbar afrikanische Einflüsse und zum ersten Mal eine Trommel, die Udu aus gebranntem Ton wird normalerweise in Nigeria gespielt. Mit diesem eher nachdenklichen Stück von Monsieur Doumani, verabschiede ich mich. Am Mikrofon war Grit Friedrich.
    Musik: "Antics"