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Trittin: Geplante Steuerentlastungen müssen jetzt gegenfinanziert werden

Normal- und Geringverdiener müssen bei den Steuern entlastet werden, betont Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin. "Das darf man nicht vermengen mit dem berechtigten Anliegen, das Steuerdumping innerhalb der Europäischen Union zu bekämpfen." Denn dieses wirke eher langfristig.

Jürgen Trittin im Gespräch mit Mario Dobovisek | 20.08.2013
    Mario Dobovisek: Und am Telefon begrüße ich Jürgen Trittin, Spitzenkandidat der Grünen und im Bundestag Fraktionsvorsitzender seiner Partei. Guten Morgen, Herr Trittin!

    Jürgen Trittin: Guten Morgen!

    Dobovisek: Finden Sie es sexy, Steuern zu zahlen, Herr Trittin?

    Trittin: Steuern sind ein Beitrag zur Gemeinschaft für alle. Sie müssen gerecht verteilt werden. Das ist der Grund, warum wir Grünen in diesem Wahlkampf mit einem Konzept gehen, das für 90 Prozent der Bevölkerung die Steuern senken wird. Die werden nach dem grünen Steuerkonzept anschließend weniger bezahlen. Das ist nötig, um die immer noch schwache Binnennachfrage in Deutschland zu stärken. Und das geht nicht mit neuen Schulden, deswegen müssen diejenigen, das sind rund sieben Prozent der Bevölkerung, die ein höheres Einkommen haben, moderat mehr bezahlen.

    Dobovisek: SPD-Chef Siegmar Gabriel jedenfalls sagt, ich finde Steuerzahlen nicht sexy und schiebt hinterher, dass er am liebsten auf jede Steuererhöhung verzichten würde. Was bedeutet es für Sie, wenn Steinbrück und Gabriel laut darüber nachdenken, unter welchen Umständen man die Steuern doch noch senken könnte?

    Trittin: Ich bin ja immer dafür, dass Politik mit dem Betrachten der Wirklichkeit verbunden wird. Wenn man das hinkriegen will, was wir wollen, was übrigens auch im Steuerkonzept der SPD steht, nämlich Normal- und Geringverdiener bei den Steuern zu entlasten, dann muss man das. Wenn man das durch den Bundesrat bringen will, so hinbekommen, dass es nicht zu massiven Einnahmeausfällen bei den Ländern kommt. Und das geht nicht mit Versprechungen darüber, dass man vielleicht in zehn Jahren berechtigterweise endlich mit dem Steuerdumping in Europa, in der europäischen Union Schluss macht, sondern man wird das jetzt gegenfinanzieren müssen. Und dafür gibt es nur den Weg, diejenigen stärker zu belasten, die überdurchschnittlich hohe Einkünfte haben und die aus diesen überdurchschnittlich hohen Einkünften auch mittlerweile sehr, sehr große Vermögen generiert haben. Oder man verzichtet darauf noch mal ...

    Dobovisek: Herr Trittin, CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe spricht von einem peinlichen –

    Trittin: Wenn ich den Satz zu Ende führen darf ...

    Dobovisek: Ja, wir können da später gerne noch mal drauf zurückkommen, weil wir gerade so ein bisschen das verlassen, woran ich noch arbeiten möchte. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe spricht von einem peinlichen Eiertanz. Bekommt die SPD denn aus Ihrer Sicht kalte Füße aufgrund der Umfrageergebnisse?

    Trittin: Ich bleibe dabei: Wenn man die Entlastung von Normalverdienern will, dann muss man das solide jetzt gegenfinanzieren. Das darf man nicht vermengen mit dem berechtigten Anliegen, das Steuerdumping innerhalb der Europäischen Union, wie es in den Niederlanden, wie es in Irland praktiziert wird, zu bekämpfen. Das ist auch nötig, wird aber länger brauchen. Und ich glaube nicht, dass die Normal- und Geringverdiener so lange warten müssen.

    Dobovisek: Was erwarten Sie von der SPD?

    Trittin: Ich erwarte, dass man das, wofür man sich mal entschieden hat, auch im Wahlkampf klar vertritt. Dazu gehört es, dass die SPD wie die Grünen der Auffassung sind, dass Geringverdiener entlastet werden müssen. Dass man mehr Geld braucht, zum Beispiel, um sie in Bildung zu investieren und Betreuung. Das geht zum Beispiel nicht, wenn man weiter Geld für das Betreuungsgeld aus dem Fenster wirft. Ein Jahr Betreuungsgeld, das sind 33.000 Kita-Plätze. Und es geht auch nicht, wenn man weiter zuguckt, wie bestimmte Subventionen in diesem Lande aus dem Fenster geworfen werden. Wer drei Milliarden beispielsweise in mehr Wärmedämmung, in den Klimaschutz investieren will, der muss anfangen, ökologisch schädliche Subventionen abzubauen. Und vielleicht kann man sich ja überlegen, dass es ein guter Anfang wäre, die Subventionen für große Spritfresser – große Geländewagen bekommen in Deutschland bis zu 15.000 Euro Steuerzuschuss, wenn sie als Dienstwagen angeschafft werden –, diese Subvention ein Stück herunterzufahren, um auf diese Weise für mehr ökologischen Umbau zu sorgen. So geht Solidarität und Solidität.

    Dobovisek: Ihre Botschaft, Herr Trittin, gestern an die SPD klang da ein bisschen deutlicher. Da haben Sie ihr Hasenfüßigkeit vorgeworfen. Verabschiedet sich denn die SPD mit ihrem Zaudern bei den für ein Bündnis so zentralen Steuerplänen von Rot-Grün?

    Trittin: Ich hab den Eindruck, dass die SPD gestern im Gefolge meines Interviews viel Mühe darauf verwendet hat, ihre Position klarzustellen. Und so, wie es dann klargestellt worden ist, glaube ich, kann man ganz gut miteinander regieren.

    Dobovisek: Wenn allerdings die SPD weiter so klar zu Rot-Grün stünde, dann bräuchte sie auch keinen Parteikonvent zwei Wochen nach der Wahl.

    Trittin: Wie die SPD ihren weiteren Vorgang – das sind übrigens zwei Tage nach der Wahl, nicht zwei Wochen –

    Dobovisek: Pardon.

    Trittin: – das organisiert, das ist, glaube ich, ihre Sache. Ich halte das für klug, nach einem Wahlergebnis sich mit der Partei möglichst breit zu beraten. Wir tun Ähnliches ja in Form eines Länderrates am Samstag darauf auch.

    Dobovisek: Sind Sie denn ein bisschen eifersüchtig auf die SDP und ihren Große-Koalitionsjoker?

    Trittin: Ich bin nicht eifersüchtig. Ich finde überhaupt, dass so was wie Sexyness und Eifersucht in der Politik wenig zu tun haben. Es geht um den politischen Streit, um andere Konzepte. Wir wollen ein gerechteres, moderneres und ökologischeres Deutschland. Und ich glaube, das geht sehr gut mit einer Koalition von SPD und Grünen.

    Dobovisek: Damit könnten die Grünen ja genauso gut auch auf die CDU zugehen.

    Trittin: Die CDU möchte genau dieses nicht. Sie möchte, dass weiterhin zahlungskräftige Lobbys in diesem Lande bedient werden. Sie blockiert eine Reform der Klimapolitik. Sie ist verantwortlich, dass zum ersten Mal seit 20 Jahren die Treibhausgasemissionen nach oben gehen. Sie hält fest an einem verrückten Betreuungsgeld, und sie ist, anders als wir, der Auffassung, dass es in Deutschland keinen gesetzlichen Mindestlohn geben muss. Sie will also das Gegenteil von dem, was wir wollen. Und wenn man koalieren will, sollte man zumindest ungefähr in eine ähnliche Richtung gehen.

    Dobovisek: Dann stellen wir sie doch, die Frage aller Fragen dieser Tage, die meistgestellte und zugleich am wenigsten beantwortete: Schließen Sie ein Bündnis mit der Union aus?

    Trittin: Wir streben ein rot-grünes Bündnis an. Darauf konzentrieren wir uns und halten die anderen Diskussionen alle für abseitig und ablenkend.

    Dobovisek: Sprechen wir über 160 Milliarden Euro, darum geht es ja der SPD und Siegmar Gabriel. Das ist die Summe, die dem Fiskus durch Steuerbetrug und auch Steuerdumping verloren geht. Gelänge der Kampf dagegen besser, gäbe es dann aus Ihrer Sicht Spielraum für niedrige Steuern?

    Trittin: Dann würden wir alle insgesamt uns darüber freuen. Nichtsdestotrotz bleibe ich bei meiner Aussage, dass der Kampf gegen diese Steuervermeidung und geben die Steuerhinterziehung ein Kampf ist, der sehr langfristig wirken wird. Das, was Sie kurzfristig erreichen können, ist beispielsweise durch Abschaffung der übrigens in der großen Koalition eingeführten Abgeltungssteuer. Mit dieser Subvention auf Gewinne am Kapitalmarkt Schluss zu machen. Sie können die Abschreibungsmöglichkeiten erschweren, indem Sie jeweils Land für Land die Länder berichten lassen. Genau das hat Frau Merkel verhindert beim letzten G-20-Treffen. Aber es wird kurzfristig zu keinen Einnahmeverbesserungen führen. Dazu ist es notwendig, dass es endlich in Europa eine gemeinsame Steuerpolitik gibt. Und diese gemeinsame Steuerpolitik, das ist ein Projekt, für das ich mindestens ein Jahrzehnt veranschlage. Es ist richtig, man muss es tun. Man muss es so schnell wie möglich tun. Es bringt Ihnen nur heute für die Entlastung von Normalverdienern kein Geld in die Kassen.

    Dobovisek: Jürgen Trittin, der Grünen-Fraktionsvorsitzende zum Steuerkurs der SPD. Vielen Dank für das Gespräch!

    Trittin: Danke Ihnen, tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.