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Trockenheit
Wenn die Spree rückwärts fließt

Nach der langen Trockenperiode führt der Hauptstadt-Fluss sehr wenig Wasser - trotz Stauseen, über die der Pegel normalerweise reguliert werden kann. Denn auch die sind leer. Die erstaunliche Folge: Mittlerweile stimmt nicht einmal mehr die Fließrichtung.

Von Dieter Nürnberger | 25.10.2018
    Ein weißer Dampfer fährt auf der Spree durch das Regierungsviertel von Berlin. Foto: M. C. Hurek | Verwendung weltweit
    Noch fahren die Ausflugsdampfer auf der Spree - Ende des Monats könnte die Schifffahrt eingestellt werden. (picture alliance / dpa / Markus C. Hurek)
    Auf den ersten Blick scheint alles ganz normal zu sein auf der Spree in Berlin. Die Touristen-Ausflugsschiffe tuckern vorbei am Regierungsviertel und anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Auch der Wasserstandpegel - man sieht es an den Ufermauern - ist nur ein wenig niedriger als sonst. Und doch könnte es mit dieser Idylle mitten in der Großstadt schon in wenigen Tagen vorbei sein - wenn es nicht bald mal richtig regnet.
    Die Spree ist ohnehin kein starkes Fließgewässer - doch nach Monaten der Trockenheit geht es nun sogar in die falsche Richtung, sagt Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe: "Die Spree fließt schon noch. Aber sie fließt in der Stadt, ganz langsam natürlich, rückwärts."
    Auch die Stauseen sind irgendwann leer
    Die Spree ist rund 400 Kilometer lang, knapp die Hälfte davon ist schiffbar. Der Fluss gilt als gut geregelt und gestaut, sagt Derk Ehlert von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Die Spree in der Hauptstadt sei normalerweise gewappnet gegen Trockenperioden - und das relativ verlässlich seit Jahrzehnten: "Dafür gibt es große Seen in Brandenburg und auch in Sachsen. Selbst in Berlin haben wir große Bereiche, die extra für solch einen Fall vorbehalten werden. Es werden also Wassermengen gestaut, die dann nach und nach, wenn es mal sehr trocken ist, wieder zugeführt werden. Aber diese Becken sind auch irgendwann mal leer. So wie jetzt in diesem Jahr."
    Bergbauwasser ist da - aber ungeeignet
    Die Folgen der Trockenheit dieses Rekordsommers kommen in Berlin dank der Flussregulierung der Spree somit verspätet an. Weiter oben am Flusslauf kann deshalb von Normalität schon längst keine Rede mehr sein, so Derk Ehlert. Vor allem die Landwirtschaft sei betroffen: "In Brandenburg wurde mitunter den Landwirten schon verboten, Wasser zur Bewässerung des Wintergetreides zu nutzen. Das ist aber ganz entscheidend, um die Getreidesorten durch den Winter zu bekommen. Und in Teilen von Brandenburg und Sachsen ist es im Augenblick auch nicht erlaubt, Grubenwasser in die Spree zu leiten. In einigen Bergbaugruben ist recht viel Wasser - das können wir aber nicht nutzen, weil es eine zu hohe Sulfat-Konzentration hat. Und genau das können wir hier nicht gebrauchen."
    Trinkwasserversorgung nicht bedroht
    Denn ansonsten würde die Spree durch eine zunehmende Konzentration von Sulfaten und auch Eisenhydroxid, Hinterlassenschaften des Bergbaus in der Lausitz, zu einer trüben, ockerfarbenen Brühe. Fische und auch Pflanzen im Uferbereich würden dadurch geschädigt, was in Berlin auch zur Besorgnis über die Trinkwasserversorgung führt. Doch hier winkt der Experte der Berliner Wasserbetriebe ab. Täglich würden rund 600.000 Kubikmeter Trinkwasser für die Versorgung benötigt - der Großteil stammt allerdings nicht aus Brunnen an der Spree, sondern der Havel.
    Grundwasser bildet sich auch im Normalfall nur im Winter
    Zudem seien die Grundwasserspiegel in der Region noch weitgehend intakt, sagt Stephan Natz von den Wasserbetrieben. "Weil sich im Sommer auf natürlichem Wege hier bei uns ohnehin kein Grundwasser bildet. Dafür regnet es immer - auch in normalen Jahren - zu wenig. Die natürliche Grundwasserbildung findet nur im Winterhalbjahr statt. Und wir hatten ja zudem im vergangenen Jahr hier eine für unsere Verhältnisse regelrechte Sintflut. Sodass wir beim Grundwasser erst in der Mitte dieses Sommers eine Normalisierung der Situation hatten. Zu einer Zeit also, als der regierende Bürgermeister schon ganz Berlin zum Gießen der Bäume aufgefordert hat."
    Gravierende Folgen für die Wirtschaft
    Das hört sich erst einmal beruhigend an - doch sei die Trinkwasserversorgung in der Hauptstadt langfristig auf nicht durch den Bergbau verunreinigtes Wasser angewiesen. Und davon fließt zurzeit immer weniger, weshalb Ende Oktober nicht nur die Schifffahrt eingestellt werden könnte. Auch Industrieunterunternehmen würde die Wasserentnahme untersagt werden. Die Schleusen in der Stadt müssten dann dichtgemacht werden, so Stephan Natz.
    Schleusen verschwenden Wasser
    "Wenn so eine Schleuse vor allem durch Ausflugsdampfer ständig auf und zu gemacht wird, dann fließt viel Wasser ab. Wenn gleichzeitig aber nur wenig nachkommt und wir sichern wollen, dass die Gewässer ihre Breite behalten, dann können wir nur über zwei Dinge nachdenken: Entweder Regen oder irgendwann Einstellung der 'Schleusserei'. Vielleicht kommen wir ja mit einem blauen Auge davon." Man hofft somit auf Regen - nicht nur bis Ende Oktober, sondern auch auf normale Niederschläge in den kommenden Jahren.