Tröger: Überhaupt nicht. Wir werden viel zu arbeiten haben, aber wir haben ein Konzept, das inzwischen überall Anerkennung findet. Und dieses Konzept bedingt auch, dass wir die außerordentliche Mitgliederversammlung des NOK am 12. April, bei der – darum geht’s ja – die Entscheidung fällt, wer unser Kandidat sein wird, der für die internationale Kandidatur um Olympischen Spiele 2012 benannt wird.
Fischer-Solms: An dem Tag gibt es also einen Gewinner – den Kandidaten aus Deutschland für die Wahl der Stadt der Olympischen Sommerspiele 2012, und es wird vier furchtbar enttäuschte Verlierer geben.
Tröger: Das weiß ich nicht, ob sie furchtbar enttäuscht sind. Vielleicht können wir mit ihnen so weit kommen, dass es nachher auch Gemeinsamkeiten gibt, an denen sie beteiligt sind. Enttäuschung wird es geben. Wir haben das gerade auch mit dem Deutschen Fußballbund erörtert, der ja die ähnliche Lage hatte, wenn auch in viel geringerem Umfang, mit denen, die nicht den Zuschlag bekommen haben für die Spiele der Weltmeisterschaft 2006. Aber ich denke, dass es da Lösungen geben wird, und wir sind da auf guten Wegen und hoffen, dass wir das minimieren können, diese Enttäuschung.
Fischer-Solms: In diesen Tagen beginnen die Inspektionen bei den fünf deutschen Bewerberstädten. Im Sport braucht man Siegeszuversicht, aber kann man gleichzeitig die Bevölkerung einer Stadt, in der ja Millionen für diese Bewerbung investiert werden, darauf vorbereiten, dass eine Niederlage möglich ist?
Tröger: Ja, zunächst einmal muss die Bevölkerung darauf hingewiesen und darauf vorbereitet werden, dass auch Mittel erforderlich werden bei dieser Bewerbung, die möglicherweise auch anderen Bereichen gut täten, die in einer solchen Stadt eben behandelt werden müssen. Das geschieht. Wir haben bei unseren Umfragen, die wir gemacht haben, eine über 80prozentige, mitunter sogar hoch über 80prozentige Zustimmung der Bevölkerung erhalten, natürlich unter der Voraussetzung, dass nicht übermäßige Steuermittel in diese Bewerbung fließen. Aber die Bevölkerung weiß das auch, und die Bevölkerung will ja die deutsche Bewerbung, sie will ja nicht nur die regionale Bewerbung. Das ist eben unser Anliegen, dass wir sie einstimmen auf die deutsche Bewerbung, auf die deutsche Kandidatur, auch wenn ihre Region daran nur am Rande beteiligt ist.
Fischer-Solms: Die Frage ist, ob das gelingen kann. Deutschland war 1936 mit Berlin und Garmisch-Partenkirchen sowie 72 mit München Olympia-Gastgeber. Für den Kandidaten Berlin 2000 hatten wegen der besonderen Situation nach der Wiedervereinigung alle Konkurrenten freiwillig zurückgezogen. Erstmals, Herr Tröger, gibt es nun einen echten innerdeutschen Wettbewerb. Bewerber sind Düsseldorf mit der Rhein-Ruhr-Region, Stuttgart, Frankfurt/Main, Hamburg und Leipzig. Woher kommt eigentlich diese spürbar breite Olympiabegeisterung in diesem Lande?
Tröger: Das zeigt eben, dass die Olympiabegeisterung und die Bereitschaft, sich einer solchen Begeisterung zu stellen, flächendeckend vorhanden ist und nicht etwa nur in zufälligen Regionen bei zufälligen Kandidaten, bei zufälligen Bewerbern, zu denen ja auch in unserem Land noch andere gehören könnten. Aber immerhin weiß man ja, und das ist ja das Frappierende daran, dass 13 oder 14 unserer 16 Bundesländer an dieser Bewerbung beteiligt sind, also eine große flächendeckende Bereitschaft, das mitzumachen . . .
Fischer-Solms: . . . wenn man die Segelwettbewerbe mitnimmt . . .
Tröger: . . . auch die Segelwettbewerbe mitnimmt, gut – das sind nur zwei Länder; aber auch dadurch, dass eben Regionen auch in die Nachbarländer gehen, wie Rhein-Main und wie die Leipziger Bewerbung und andere. Gerade auch in diesen benachbarten Regionen ist die Begeisterung, mit dabei sein zu können, groß. Und ich denke, dass das eine sehr gute Chance für uns ist, nun insgesamt in unserer Bevölkerung etwas zu wecken, was vielleicht latent vorhanden war, aber doch sehr schlafend.
Fischer-Solms: Eine Chance, aber eben auch ein Geschäft. Für Peking 2008 garantiert alleine das IOC Zuwendungen in Höhe von rund 1,3 Milliarden US-Dollar. Ist das Hauptmotiv der deutschen Bewerber vielleicht einfach auch schlichter und schnöder Mammon?
Tröger: Nein, ganz sicher nicht. Aber das ist ein notwendiger Hinweis, weil wir eben so wenig wie möglich öffentliche Steuermittel einsetzen wollen, weil die Olympischen Spiele inzwischen seit München, wo es ja noch ganz anders war, ich will nicht sagen 'ein Geschäft geworden sind', aber auf jeden Fall davon ausgehen können, dass die Mittel durch Zuwendungen des IOC, der Sponsoren, der Fernsehanstalten und anderer gedeckt werden. Davon gehen auch wir aus. Ich glaube, dass unserem Land in der gegenwärtigen Situation ein hoher Anteil an Steuermitteln für die Ausgabe für Olympische Spiele nicht zuzumuten wäre. Deswegen ist das legitim. Aber ob es Überschüsse geben wird, die so signifikant sind, dass man sagen kann, man macht Gewinn davon, und wem sie dann zufließen – ob der Sportorganisation oder den Bewerbern, ist ja eine Frage, die noch völlig offen ist.
Fischer-Solms: Was ist mit Kommunen, die praktisch finanziell am Ende sind? Aktuelle Schlagzeilen kommen aus Frankfurt. Kann man sich in so einer Situation für Olympia bewerben?
Tröger: Das müssen die Kommunen wissen, das müssen die Länder, die sie unterstützen, wissen, denn die Länder sind ja dabei. Das muss die Wirtschaft wissen, die sie unterstützt und die ja hohe Aufwendungen macht. Nur – es ist eine Frage, die unser gesamtes Land betrifft. Können wir uns leisten, bei der gegenwärtigen Haushaltslage, bei der Notwendigkeit – ich denke nur an die Flutopfer, ich denke an viele andere Dinge, die notwendig sind – so etwas zu machen wie Olympische Spiele vorzubereiten, wenn es andere zunächst einmal akut vordringliche Aufgaben gibt. Ich bin der Meinung, diese Meinung ist – glaube ich – überall vorhanden: Wir können uns gar nicht erlauben, immer nur Phase für Phase unsere Dinge in Ordnung zu bringen. Wir müssen auch an die Zukunft denken, wir sind ja keine Bananenrepublik.
Fischer-Solms: Fünf Bewerberstädte, wie gesagt - nur eine aus dem Gebiet der ehemaligen DDR. Muss Leipzig hier nicht einen Sympathiebonus erhalten?
Tröger: Das weiß ich nicht, das müssen Sie die Wähler fragen. Schauen Sie, das ist immer eine schwierige Frage. Das NOK - wir, die wir das koordinieren und vorbereiten - können so einen Sympathiebonus ganz sicher nicht verordnen. Wir können auch gar nicht darauf hinweisen. Ob die einzelnen Wähler, die dann am 12.04. die Entscheidung zu treffen haben, jeder für sich so eine Sympathie zum Ausdruck bringt, ist deren Sache. Aber es ist eine geheime Wahl, und der kann nicht vorgegriffen werden.
Fischer-Solms: Bei der letzten deutschen Olympiabewerbung, wir haben schon darauf hingewiesen, war Berlin 2000 ja kläglich gescheitert. Was muss geschehen, damit sich diesmal ein ähnliches Fiasko im internationalen Wettbewerb nicht wiederholt?
Tröger: Das mit dem 'kläglich scheitern' kann ich so nicht stehen lassen. Meine Erfahrungen, und das gilt ja auch für viele andere – wenn ich denke, dass Amsterdam einmal Favorit war und auch nicht mehr Stimmen bekommen hat bei einer anderen Bewerbung als Berlin –, meine Erfahrung damit ist, dass es Bonus-Sympathiestimmen im IOC selten gibt. Wenn man weiß, wer ungefähr in Frage kommt, dann fokussiert und konzentriert sich das auf Finalisten, und die anderen gehen leer unter. Und ob da einer sieben oder neun oder zwölf Stimmen hat, ist völlig unbedenklich. Berlin ist damals attestiert worden, dass es die beste Präsentation überhaupt abgegeben hat, aber es war klar: Berlin war nicht an der Reihe. Der Bonus der Leidensstadt Berlin, unter dem heraus die Bewerbung konzipiert und ausgesprochen worden ist, der war vertan. Berlin war eine normale Stadt geworden, und deswegen waren andere an der Reihe, und das hat sich erwiesen. Aber Berlin wird zu Unrecht mit seiner Bewerbung schlecht gemacht, und auch daraus müssen wir lernen dieses mal. Es darf auch nicht die Alibiposition geben, die einige meiner Kollegen eingenommen haben, dass man nicht willkommen sei. Es darf also keine aggressiven massiven Gruppen geben, die den IOC-Mitgliedern deutlich machen, dass die Olympischen Spiele nicht gewollt werden. All das sind Dinge, auf die wir Einfluss nehmen müssen – aber erst nach dem 12.4., wenn es um die direkte Vorbereitung unseres Kandidaten geht.
Fischer-Solms: Hat der deutsche Bewerber überhaupt eine Chance? Jetzt frage ich den internationalen Sportfunktionär: Wenn der US-Bewerber New York heißen sollte, dann wäre doch eine IOC-Entscheidung mit Blick auf die Geschehnisse des 11. September 2001 schon so gut wie gefällt.
Tröger: Die Amerikaner haben damit selber Probleme, denn sie haben genau das Syndrom, das ich eben für Berlin genannt habe, auch für New York im Auge, dass, wenn die Entscheidung 2005 fällt, man möglicherweise an nine-eleven und an New York in dieser Frage gar nicht mehr denkt, weil möglicherweise – das klingt makaber und ich will es auch gar nicht an die Wand malen – etwas anderes passiert ist. Außerdem ist die Entscheidung noch nicht gefallen. Gegenwärtig sieht es so aus, als wenn San Francisco ebenfalls gute Chancen hat. Und dann ist der Kandidat, der Konkurrent von unserem Kandidaten, eben ein ganz anderer. Da wir noch gar nicht alle Kandidaten kennen, obwohl ich inzwischen damit rechne, dass es bis zu zwölf werden, ist das ganz schwer zu entscheiden. Aber man kann einen Wettkampf gar nicht gewinnen, wenn man ihn nicht bestreitet. Und das ist unser Argument.
Fischer-Solms: Gut, bleiben wir beim Internationalen Olympischen Komitee. Sie sind, Herr Tröger, seit 1989 im IOC. Sie waren zuvor schon in verschiedenen Funktionen und in Kommissionen beim IOC tätig, waren vom damaligen Präsidenten Samaranch unter anderem zum IOC-Sportdirektor berufen worden. Wie sehr eigentlich hat sich dieses IOC, das ja keine demokratische Legitimation hat und seine Mitglieder selbst beruft, wie sehr hat es sich von Charakter und Struktur her in dieser Zeit, in der Sie es kennen, geändert?
Tröger: Ja wissen Sie, ich habe zunächst einmal Bedenken mit dem Begriff 'demokratische Struktur'. Demokratische Strukturen sind etwas, was sich in einem Volk, in einer Nation entwickelt . . .
Fischer-Solms: . . .ich sagte demokratische Legitimation . . .
Tröger: . . . Legitimation, das international anzuwenden, ist außerordentlich schwierig. Ich weiß, es wird immer von dem 'One Country – one Vote' gesprochen, aber das ist ja alles Unsinn, das weiß man inzwischen. Natürlich ist die Frage: Wer kontrolliert dieses IOC, das sich selbst beruft? Das sehe ich alles ein. Aber das IOC hat sich, um auf Ihre Frage zu kommen, sehr geändert. Wenn man denkt, dass es zu der Zeit, noch vor wenigen Jahren, 70 bis 80 Mitglieder gegeben hat, während es heute 130 gibt, wenn man weiß, dass unter diesen 130 fünfundvierzig Quotenvertreter sind, die also nach ganz anderen Kriterien ausgewählt werden als nur nach Persönlichkeitskompetenz und anderen, dann macht es das sehr schwierig. Das IOC hat sicher einen Reinigungsprozess durchlaufen nach dem Skandal von Salt Lake City. Das IOC ist unter der neuen Leitung von Jaques Rogge, der viel Bewährtes von Samaranch übernommen hat, aber auch sehr viel neue Akzente gesetzt hat, sicherlich auch im Aufbruch begriffen. Aber auch hier muss ich sagen: Ich möchte gerne und mit großem Interesse und mit großer Spannung abwarten, was sich im November in Mexiko tut, weil auch dieser Kongress und das, was als Ergebnis da raus kommt, die Handschrift von Rogge tragen wird. Und sie wird eine ganz andere sein als die seines Vorgängers.
Fischer-Solms: Mit dem zeitlichen Abstand gefragt, Herr Tröger: Wie konnte dieser – Sie haben es angesprochen – dieser IOC-Korruptionsskandal, der so tiefe Einschnitte auch bei den Menschen, die an Olympia glauben, wie konnte dies eigentlich geschehen? Wie konnte es dazu überhaupt kommen?
Tröger: Es war vielleicht eine Fehleinschätzung auch von Präsident Samaranch, der davon ausgegangen ist, dass es überhaupt keine – ich zitiere ihn selber – 'schwarze Schafe' geben darf im IOC. Es gibt keine Gesellschaft dieser Art, vor allem nach der Globalisierung des IOC, wo nicht aus Mentalitätsgründen oder aus Persönlichkeitsgründen es Leute gibt, die sich dem allgemeinen Comment, den wir vorgegeben haben, nicht fügen. Das Ergebnis ist klar. Ich glaube, dass viele Dinge übertrieben dargestellt worden sind. Es hat ganz sicher keine Manipulation der Stimmen gegeben, weil ich glaube, selbst die, die vielleicht einmal Zusagen gegeben haben, haben sie dann in der vertraulichen Abstimmung gar nicht eingehalten. Aber das ist eine andere Frage.
Fischer-Solms: Aber Korruption ist unbestritten!
Tröger: Korruption ist unbestritten. Es hat Ansprüche gegeben und es hat Angebote derer, die auf die Stimmen angewiesen waren, nämlich der Bewerber, gegeben, ganz sicher – allerdings zu einer Zeit, als das alles noch mehr als Kavaliersdelikt gehandelt worden ist. Inzwischen sind wir anderer Meinung. Ich bezeichne das, was im IOC passiert und was mit den Mitgliedern zu tun hat, als eine Art Gefährdungshaftung – ganz egal, welche Mentalität, welche Einstellung er selber oder sie selber zu diesen Dingen hat. Es muss eine allgemeine Ansicht geben, einen allgemeinen Comment geben. Und wer sich dem nicht fügt, der wird zu recht ausgeschlossen. Dies ist geschehen. Ich glaube, dass der Reinigungsprozess erfolgt ist.
Fischer-Solms: Sie haben schon darauf hingewiesen: Die Reform der Reformen im kommenden November. Sollten denn trotz der bekannten Gefährdungen alle IOC-Mitglieder künftig wieder im Vorfeld einer Olympiawahl alle Bewerberstädte besuchen - und besuchen dürfen vor allen Dingen?
Tröger: Wissen Sie, Herr Fischer-Solms, das ist eine so belanglose Frage, die auch an meiner Person hochgespielt worden ist. Ich habe mich nur gegen eines gewehrt, nämlich 'Besuchsverbot'. Ich lasse mir Besuche, wo immer ich will, nicht verbieten.
Fischer-Solms: Ich darf trotzdem die Frage stellen.
Tröger: Natürlich, aber es ist eine belanglose Frage im Kontext beim IOC. Wenn es Unterschleife geben soll, dann gibt es Möglichkeiten, sie zu platzieren und sie anzunehmen auf ganz anderen Gebieten als nur bei einem - noch dazu gelenkten und organisierten – Besuch. Deswegen ist das für mich gleichgültig, ob es solche Besuche, organisiert durch das IOC, gibt, ob es solche Besuche - was sicher auszuschließen ist - organisiert durch die Städte und auf Einladung der Städte gibt. Also, das warte ich gelassen ab, mir ist das völlig gleichgültig. Kontakte zwischen den Bewerbern und den stimmberechtigten IOC-Mitgliedern müssen kontrollierbar sein, müssen transparent sein. Darauf muss geachtet werden. Das hat mit Besuchen nichts zu tun, das kann auch bei ganz anderen Gelegenheiten möglich sein. Und das bedarf der Richtlinien.
Fischer-Solms: Wir haben gelernt, mit dem olympischen Sport wird viel Geld gemacht. Auch von den Eiskunstlaufentscheidungen bei den Winterspielen dieses Jahres in Salt Lake City wurde berichtet, dass inzwischen die Mafia im Spiel ist. Was macht man damit?
Tröger: Ja, das ist eine ganz wichtige Frage, wie man damit umgeht. Aber das wird auch wieder fokussiert auf das IOC, obwohl es eine Frage des Sports insgesamt ist. Diese Dinge passieren ja vor allem zwischen den Olympischen Spielen, also in den vier Jahren zwischen zwei Ausgaben – Winter oder Sommer – auf ganz anderen Gebieten. Und hier müssen in der Tat auch die internationalen Verbände, vielleicht unter Anleitung und Mitwirkung des IOC, ein bisschen besser hingewiesen, ein bisschen besser instruiert und auch ein bisschen besser kontrolliert werden, dass solche Dinge im Vorfeld nicht passieren. Es ist immer misslich, wenn so etwas drei oder vier Jahre lang oder vielleicht sogar über einen viel längeren Zeitraum praktiziert wird. Bei Olympischen Spielen eskaliert es dann, weil das IOC vielleicht bessere Kontrollen als die anderen hat, und dann wird das alles auf dem IOC abgeladen. Ich halte das für falsch.
Fischer-Solms: Aber würden Sie für jedes IOC-Mitglied die Hand ins Feuer legen, dass es da vielleicht nicht auch in dem einen oder anderen Fall die Förderung mafiöser Strukturen oder die Beteiligung gibt?
Tröger: Das kann ich ja gar nicht, denn IOC-Mitglieder sind ja nun auch Repräsentanten nationaler Komitees oder internationaler Verbände. Und sie sind deswegen auch außerhalb der Olympischen Spiele, außerhalb der olympischen Bewegung eingebunden in all diese Dinge. Und der eine oder andere, der eben eine Rolle in diesen Strukturen spielt, ist dann auch im IOC, und das muss geprüft werden. Das IOC hat da schon eine Aufgabe, aber es kann sie nicht allein wahrnehmen.
Fischer-Solms: Herr Tröger, mal direkt gefragt: Sie sind mehr als ein Dutzend Jahre jetzt im IOC. Reicht Ihnen das nicht?
Tröger: Das ist nicht die Frage. Sie müssen sie ganz anders stellen. Ich bin seit 1971 in Funktionen in IOC-Kommissionen und anderen. Die Frage ist doch: Warum muss mir das reichen? Deswegen verstehe ich sie auch nicht ganz . . .
Fischer-Solms: . . . Sie sind im 74. Lebensjahr und hatten sich mal für ein Alterslimit 75 ausgesprochen . . .
Tröger: . . . ja, das ist eine andere Frage. Ich habe mich für das Alterslimit 75 ausgesprochen, ich habe auch dagegen gestimmt - als einziger notabene -, gegen die Erhöhung des Alterslimits von 75 auf 80. Ich habe damals die Erklärung abgegeben, dass ich selber mit 75 ausscheiden würde, um den Platz für einen möglichen anderen deutschen Kandidaten freizumachen, einen jüngeren. Inzwischen gibt es die Möglichkeit nicht mehr. Die Reformen haben dazu geführt, dass es den zweiten Platz – ich sage mal jetzt, den zweiten Platz neben dem von Dr. Bach wahrgenommenen – nicht mehr geben wird in Zukunft. Das heißt, ich würde in einer ganz wichtigen Phase für das deutsche NOK, für den deutschen Sport einen Platz aufgeben, der nicht wiederbesetzt würde. Ich halte das für absolut unzumutbar, so lange ich es durchhalte.
Fischer-Solms: Also weitermachen. Das betrifft ja auch die nationale Ebene. Es stehen ja in diesem Herbst Neuwahlen im NOK bevor.
Tröger: Die nationale Ebene hat damit nichts zu tun. Ich habe gute Argumente meinen Kollegen, die zu wählen haben, dafür gegeben, dass ich es gegen meine frühere Absicht nun doch noch einmal ein paar Jahre anbieten möchte. Diese Argumente sind im Prinzip akzeptiert worden. Es gibt nun einen Gegenkandidaten, das muss ebenso akzeptiert werden. Schauen wir, wie wir es machen. Aber ich wiederhole noch einmal: Meine Argumente für ein Angebot, noch einmal zu kandidieren, sind dem Grunde nach akzeptiert worden, und deswegen sehe ich keinen Grund, davon abzugehen.
Fischer-Solms: Damit kommen wir noch mal, Herr Tröger, zur Innenpolitik. Seit wenigen Tagen ist in der Bundesrepublik ein Dopingopfer-Entschädigungsgesetz in Kraft. In Berlin arbeitet eine Beratungsstelle für DDR-Dopingopfer. Warum verweigern Sie und das nicht gerade unvermögende NOK, Herr Tröger, dafür jede finanzielle Unterstützung? Nur, weil eine einzige Klage einer geschädigten Athletin gegen das NOK anhängig ist? Halten Sie das für angemessen?
Tröger: Herr Fischer-Solms, zunächst einmal: Das NOK ist unvermögend. Wir sind die einzige Organisation im Sport, die weder maßgebende Beiträge ihrer Mitglieder verlangt, noch für ihre normale Struktur und ihren normalen Betrieb öffentliche Mittel erhält. Das heißt, wir sind absolut angewiesen, gemeinsam mit der Stiftung Deutsche Sporthilfe, der wir zugunsten der Verbände und der Athleten einen erheblichen Anteil daran zuwenden, auf die Mittel, die wir generieren. Und wir haben ja vor zwei oder drei Jahren gemerkt, wie schnell man da auch in ein Loch fällt. Wir haben ein Dienstleistungsbudget für unsere Mitglieder. Dieses Budget ist sehr sorgfältig kalkuliert. Wir haben eine sehr bescheidene Geschäftsführung, die die Arbeit macht. Also von daher ist es nicht so, dass wir große Töne spucken können und große Ausgaben plazieren können. Aber das ist nicht die Frage hierbei. Ich bin der Erste gewesen, der für den Kasus der Dopingopfer Sympathie gezeigt hat und erklärt hat, hier müsse geholfen werden. Ich habe damals bereits gesagt, das kann sich nicht nur auf das NOK konzentrieren, das ist eine Frage der Politik und der anderen deutschen Sportorganisationen auch. Die mögen das mit prüfen, dann sind wir mit dabei. Der Anspruch an das NOK, der sich richtet aus Mitteln, die uns früher einmal – eigentlich sogar der Deutschen Olympischen Gesellschaft, nicht dem NOK, darauf will ich hinweisen – aus der Vereinigung 1990 zugeflossen sind, sind längst für satzungsgemäße Aufgaben ausgegeben, die sind also gar nicht mehr vorhanden. Wir wissen überhaupt nicht, wie der laufende Fall ausgeht, ob der uns nicht in einem einzigen Fall zu ganz erheblichen Schadensersatzleistungen zwingt. Und es muss doch ganz klar sein, dass wir so lange über Summen nicht sprechen wollen. Die Grundsatzaussage, dass wir dabei sind, wenn die anderen es machen – wenn nun diese auf der Grundlage des Gesetzes, das entschieden worden ist und dem wir Beifall gegeben haben, vorbereitete Untersuchung dazu geführt hat, dass genau definiert wird, wer Anspruchsberechtigter ist, wie hoch die Ansprüche sind, dann werden wir auch dabei sein. Das haben wir erklärt. Der Deutsche Sportbund, der lange zögernd war, hat nun eine kleine Summe gegeben, um zunächst einmal die Anschubfinanzierung zu sichern. Auch das wird begrüßt. Wir warten das ab. Vielleicht kann man ja auch von der Organisation, die unser Partner dort ist, die das alles betreibt, auf die Klägerin hinwirken, dass sie sich nun zufrieden gibt mit den Auswirkungen, die das Gesetz auch für sie positiv haben kann und dass sie ihre Klage zurückzieht. Dann sind wir sofort gesprächsbereit, dann wird sofort darüber gesprochen und wir sind mit dabei.
Fischer-Solms: Aber geschätzte 10.000 Betroffene des staatlichen DDR-Dopings auf der einen Seite und dem gegenüber nur eine einzige klagende Athletin: Warum ist da nicht mehr Großmut möglich?
Tröger: Das hat doch mit Großmut nichts zu tun. Nehmen Sie doch mal an, diese Klägerin bekommt eine Zuwendung – das weiß ich doch alles gar nicht – von 500.000 Euro . . .
Fischer-Solms: Wie hoch ist die Klage?
Tröger: Ich weiß es nicht. Die Klage ist nicht definiert. Das ist eine Grundsatzfrage und keine Frage von Großmut. Sie können mit Mitteln, die andere prüfen, wie das NOK sie hat, die auch von der Bundesregierung geprüft werden im Rahmen der Förderung, die wir für die Olympiamannschaft erfahren, doch nicht großmütig umgehen. Sie müssen sachlich damit umgehen. Und bei dieser Sachlichkeit spielen natürlich auch humanitäre Gesichtspunkte, die - wie ich gesagt habe - moralische Akzeptanz einer Verpflichtung eine Rolle, aber das muss alles abgewogen werden. Wir sind dabei, und wir haben das immer gut gemacht, meine ich. Wir sind hier unter Druck gekommen, einseitig unter Druck gekommen in einer Art und Weise, die ich und meine Kollegen auch nicht bereit sind, hinzunehmen. Wir wollen das sachlich abhaken, aber nicht über Journalisten und nicht über Anwälte.
Fischer-Solms: Nehmen wir das andere innenpolitische Reizthema, Herr Tröger. Es gibt den aktuellen Fall des Vorsitzenden der Gemeinschaft Deutscher Olympiakämpfer, des früheren Weltklasseschwimmers Klaus Katzur aus Leipzig. Er ist ja zugleich persönliches Mitglied bei Ihnen im NOK. Katzurs Stasi-Tätigkeit ist jetzt aufgedeckt worden. Sie lassen den Fall durch die Stasi-Kommission des Deutschen Sports unter Vorsitz von Hanna-Renate Laurien überprüfen. So weit, so gut. Aber Sie wollen feststellen lassen, ob denn der Stasi-Spitzel – Zitat – anderen Personen Schaden zugefügt hat. Das heißt also, die gegebenenfalls von der Berliner Behörde bestätigte Tätigkeit allein wäre für Sie kein Grund, von einem Stasi-Mann dessen Ehrenämter im Sport zurückzufordern?
Tröger: Nein, also erst einmal müssen Sie trennen. Der Antrag, der gestellt worden ist an Frau Laurien, ist der Antrag der beiden Ehrenpräsidenten der Gemeinschaft Deutscher Olympiateilnehmer, nämlich Friedel Schirmer und Walther Tröger. Dort ist er Präsident – oder ist es gewesen, inzwischen ist die Amtszeit abgelaufen. Und in dieser Funktion ist Klaus Katzur auch bei uns persönliches Mitglied. Auch die persönliche Mitgliedschaft läuft in wenigen Wochen aus, müsste erneuert werden, weil wir ja vor der Neuwahl der persönlichen Mitglieder stehen. Von daher gibt es da gar keine Eile. Wir haben uns mit dem Deutschen Sportbund und mit anderen Organisationen darauf geeinigt, dass eines der Kriterien für Maßnahmen dieser Art, vor allem im ehrenamtlichen Bereich, ist, dass Schaden zugefügt worden ist. Aber das ist doch nur ein Kriterium. Jetzt lassen Sie uns doch mal abwarten. Frau Laurien hat mir eben geantwortet, dass sie selbstverständlich diesen Antrag annimmt und uns entsprechend unterrichten wird. Warten wir doch das Ergebnis ab, und dann werden wir uns darüber unterhalten. Auf jeden Fall ist es sicher, dass, wenn die Kriterien, die wir für eine Unvereinbarkeit von solchen Vorgängen mit Ämtern im deutschen Sport sehen und festgelegt haben, nicht erfüllt sind, dass dann auch, soweit wir Einfluss darauf haben, solche Ämter nicht mehr wahrgenommen werden können. Aber die Einzelfallprüfung muss doch möglich sein, ehe wir uns verbindlich dazu äußern
Fischer-Solms: Aber die Formulierung, auf der die gemeinsame Arbeit der Stasi-Kommission läuft, heißt ja nicht, ob jemand Schaden zugefügt hat, sondern die Formulierung heißt, ob jemand die Schädigung einer anderen Person billigend in Kauf genommen hat.
Tröger: Gut, lassen Sie uns nicht über Formulierungen streiten. Diese Formulierung, die wir damals miteinander getroffen haben, ist verbindlich, auch wenn in meinem Brief vielleicht zunächst etwas anderes steht.
Fischer-Solms: Sind Sie, Herr Tröger, zwölf Jahre nach der Einheit für einen Schlussstrich in der DDR-Doping- und Stasi-Thematik?
Tröger: Nein. Ich bin auch nie für einen Schlussstrich gewesen. Es wird immer wieder solche Fälle geben. Und wenn eben neue Dinge auftauchen, die ja mitunter überraschend sind, mitunter gar nicht überraschend, weil ja die Akten nun immer noch aufgefunden und behandelt werden, dann muss dem auch weiterhin nachgegangen werden. Ich hielte es für ganz schlecht, wenn jemand, den wir absolut für unvereinbar mit unseren Kriterien halten, bei uns Funktionen hat, nur weil sein Fall verjährt ist.
Fischer-Solms: Abschließend gefragt: Die bundesdeutsche Gesellschaft zeichnet sich – und da ist ja diese großartige Hilfswelle nach der Flutkatastrophe kein Widerspruch – durch eine gewisse Entsolidarisierung aus. Die 'Ich-AG' ist namentlich ja auch im Hochleistungssport gut vertreten. Frage, Herr Tröger: Trauen Sie dem Sport die gesellschaftliche Kraft zu, eine positive und stabilisierende Rolle in der Gesellschaft der Bundesrepublik zu spielen - auch in Zukunft?
Tröger: Ob eine stabilisierende, ist fraglich. Vielleicht ist er dazu doch zu schwach und die Gesellschaft bereits zu sehr gefestigt in dieser 'Ich-Auffassung', die Sie benannt haben. Aber eine positive ganz sicher. Wir haben bei vielen Symposien, bei vielen Diskussionen über die Frage der ethischen Werte des Sports und der Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft darüber gesprochen: Kann der Sport mit all seinen Problemen und Bedenken und auch Skandalen und der ganzen Dopingfrage besser sein in seiner Struktur als die Gesellschaft insgesamt? Wir haben diese Frage immer positiv beantwortet. Er muss etwas besser sein, er muss seine Kriterien und seine Forderungen besser durchsetzen als die Gesamtgesellschaft es tun kann, auch wenn er sicherlich mit Einbrüchen leben muss. Und er kann beispielgebend sein, und ich bin nach wie vor der Meinung, dass das der Fall ist, und dass wir daran arbeiten müssen. Allerdings müssen wir dann unser Haus intern im Hinblick auf Achtung voreinander, auf Umgang miteinander, auf Fair Play, auf Kampf gegen Manipulationen jeder Art, auf die Zurückdrängung der übermäßigen Einflussnahme des Kommerzes usw. noch ein bisschen besser in Ordnung bringen.
Fischer-Solms: Diese Werte bleiben für den Sport aktuell?
Tröger: Die Werte bleiben für den Sport aktuell, und sie sind, ich wiederhole das, beispielgebend für die gesamte Gesellschaft.
Fischer-Solms: An dem Tag gibt es also einen Gewinner – den Kandidaten aus Deutschland für die Wahl der Stadt der Olympischen Sommerspiele 2012, und es wird vier furchtbar enttäuschte Verlierer geben.
Tröger: Das weiß ich nicht, ob sie furchtbar enttäuscht sind. Vielleicht können wir mit ihnen so weit kommen, dass es nachher auch Gemeinsamkeiten gibt, an denen sie beteiligt sind. Enttäuschung wird es geben. Wir haben das gerade auch mit dem Deutschen Fußballbund erörtert, der ja die ähnliche Lage hatte, wenn auch in viel geringerem Umfang, mit denen, die nicht den Zuschlag bekommen haben für die Spiele der Weltmeisterschaft 2006. Aber ich denke, dass es da Lösungen geben wird, und wir sind da auf guten Wegen und hoffen, dass wir das minimieren können, diese Enttäuschung.
Fischer-Solms: In diesen Tagen beginnen die Inspektionen bei den fünf deutschen Bewerberstädten. Im Sport braucht man Siegeszuversicht, aber kann man gleichzeitig die Bevölkerung einer Stadt, in der ja Millionen für diese Bewerbung investiert werden, darauf vorbereiten, dass eine Niederlage möglich ist?
Tröger: Ja, zunächst einmal muss die Bevölkerung darauf hingewiesen und darauf vorbereitet werden, dass auch Mittel erforderlich werden bei dieser Bewerbung, die möglicherweise auch anderen Bereichen gut täten, die in einer solchen Stadt eben behandelt werden müssen. Das geschieht. Wir haben bei unseren Umfragen, die wir gemacht haben, eine über 80prozentige, mitunter sogar hoch über 80prozentige Zustimmung der Bevölkerung erhalten, natürlich unter der Voraussetzung, dass nicht übermäßige Steuermittel in diese Bewerbung fließen. Aber die Bevölkerung weiß das auch, und die Bevölkerung will ja die deutsche Bewerbung, sie will ja nicht nur die regionale Bewerbung. Das ist eben unser Anliegen, dass wir sie einstimmen auf die deutsche Bewerbung, auf die deutsche Kandidatur, auch wenn ihre Region daran nur am Rande beteiligt ist.
Fischer-Solms: Die Frage ist, ob das gelingen kann. Deutschland war 1936 mit Berlin und Garmisch-Partenkirchen sowie 72 mit München Olympia-Gastgeber. Für den Kandidaten Berlin 2000 hatten wegen der besonderen Situation nach der Wiedervereinigung alle Konkurrenten freiwillig zurückgezogen. Erstmals, Herr Tröger, gibt es nun einen echten innerdeutschen Wettbewerb. Bewerber sind Düsseldorf mit der Rhein-Ruhr-Region, Stuttgart, Frankfurt/Main, Hamburg und Leipzig. Woher kommt eigentlich diese spürbar breite Olympiabegeisterung in diesem Lande?
Tröger: Das zeigt eben, dass die Olympiabegeisterung und die Bereitschaft, sich einer solchen Begeisterung zu stellen, flächendeckend vorhanden ist und nicht etwa nur in zufälligen Regionen bei zufälligen Kandidaten, bei zufälligen Bewerbern, zu denen ja auch in unserem Land noch andere gehören könnten. Aber immerhin weiß man ja, und das ist ja das Frappierende daran, dass 13 oder 14 unserer 16 Bundesländer an dieser Bewerbung beteiligt sind, also eine große flächendeckende Bereitschaft, das mitzumachen . . .
Fischer-Solms: . . . wenn man die Segelwettbewerbe mitnimmt . . .
Tröger: . . . auch die Segelwettbewerbe mitnimmt, gut – das sind nur zwei Länder; aber auch dadurch, dass eben Regionen auch in die Nachbarländer gehen, wie Rhein-Main und wie die Leipziger Bewerbung und andere. Gerade auch in diesen benachbarten Regionen ist die Begeisterung, mit dabei sein zu können, groß. Und ich denke, dass das eine sehr gute Chance für uns ist, nun insgesamt in unserer Bevölkerung etwas zu wecken, was vielleicht latent vorhanden war, aber doch sehr schlafend.
Fischer-Solms: Eine Chance, aber eben auch ein Geschäft. Für Peking 2008 garantiert alleine das IOC Zuwendungen in Höhe von rund 1,3 Milliarden US-Dollar. Ist das Hauptmotiv der deutschen Bewerber vielleicht einfach auch schlichter und schnöder Mammon?
Tröger: Nein, ganz sicher nicht. Aber das ist ein notwendiger Hinweis, weil wir eben so wenig wie möglich öffentliche Steuermittel einsetzen wollen, weil die Olympischen Spiele inzwischen seit München, wo es ja noch ganz anders war, ich will nicht sagen 'ein Geschäft geworden sind', aber auf jeden Fall davon ausgehen können, dass die Mittel durch Zuwendungen des IOC, der Sponsoren, der Fernsehanstalten und anderer gedeckt werden. Davon gehen auch wir aus. Ich glaube, dass unserem Land in der gegenwärtigen Situation ein hoher Anteil an Steuermitteln für die Ausgabe für Olympische Spiele nicht zuzumuten wäre. Deswegen ist das legitim. Aber ob es Überschüsse geben wird, die so signifikant sind, dass man sagen kann, man macht Gewinn davon, und wem sie dann zufließen – ob der Sportorganisation oder den Bewerbern, ist ja eine Frage, die noch völlig offen ist.
Fischer-Solms: Was ist mit Kommunen, die praktisch finanziell am Ende sind? Aktuelle Schlagzeilen kommen aus Frankfurt. Kann man sich in so einer Situation für Olympia bewerben?
Tröger: Das müssen die Kommunen wissen, das müssen die Länder, die sie unterstützen, wissen, denn die Länder sind ja dabei. Das muss die Wirtschaft wissen, die sie unterstützt und die ja hohe Aufwendungen macht. Nur – es ist eine Frage, die unser gesamtes Land betrifft. Können wir uns leisten, bei der gegenwärtigen Haushaltslage, bei der Notwendigkeit – ich denke nur an die Flutopfer, ich denke an viele andere Dinge, die notwendig sind – so etwas zu machen wie Olympische Spiele vorzubereiten, wenn es andere zunächst einmal akut vordringliche Aufgaben gibt. Ich bin der Meinung, diese Meinung ist – glaube ich – überall vorhanden: Wir können uns gar nicht erlauben, immer nur Phase für Phase unsere Dinge in Ordnung zu bringen. Wir müssen auch an die Zukunft denken, wir sind ja keine Bananenrepublik.
Fischer-Solms: Fünf Bewerberstädte, wie gesagt - nur eine aus dem Gebiet der ehemaligen DDR. Muss Leipzig hier nicht einen Sympathiebonus erhalten?
Tröger: Das weiß ich nicht, das müssen Sie die Wähler fragen. Schauen Sie, das ist immer eine schwierige Frage. Das NOK - wir, die wir das koordinieren und vorbereiten - können so einen Sympathiebonus ganz sicher nicht verordnen. Wir können auch gar nicht darauf hinweisen. Ob die einzelnen Wähler, die dann am 12.04. die Entscheidung zu treffen haben, jeder für sich so eine Sympathie zum Ausdruck bringt, ist deren Sache. Aber es ist eine geheime Wahl, und der kann nicht vorgegriffen werden.
Fischer-Solms: Bei der letzten deutschen Olympiabewerbung, wir haben schon darauf hingewiesen, war Berlin 2000 ja kläglich gescheitert. Was muss geschehen, damit sich diesmal ein ähnliches Fiasko im internationalen Wettbewerb nicht wiederholt?
Tröger: Das mit dem 'kläglich scheitern' kann ich so nicht stehen lassen. Meine Erfahrungen, und das gilt ja auch für viele andere – wenn ich denke, dass Amsterdam einmal Favorit war und auch nicht mehr Stimmen bekommen hat bei einer anderen Bewerbung als Berlin –, meine Erfahrung damit ist, dass es Bonus-Sympathiestimmen im IOC selten gibt. Wenn man weiß, wer ungefähr in Frage kommt, dann fokussiert und konzentriert sich das auf Finalisten, und die anderen gehen leer unter. Und ob da einer sieben oder neun oder zwölf Stimmen hat, ist völlig unbedenklich. Berlin ist damals attestiert worden, dass es die beste Präsentation überhaupt abgegeben hat, aber es war klar: Berlin war nicht an der Reihe. Der Bonus der Leidensstadt Berlin, unter dem heraus die Bewerbung konzipiert und ausgesprochen worden ist, der war vertan. Berlin war eine normale Stadt geworden, und deswegen waren andere an der Reihe, und das hat sich erwiesen. Aber Berlin wird zu Unrecht mit seiner Bewerbung schlecht gemacht, und auch daraus müssen wir lernen dieses mal. Es darf auch nicht die Alibiposition geben, die einige meiner Kollegen eingenommen haben, dass man nicht willkommen sei. Es darf also keine aggressiven massiven Gruppen geben, die den IOC-Mitgliedern deutlich machen, dass die Olympischen Spiele nicht gewollt werden. All das sind Dinge, auf die wir Einfluss nehmen müssen – aber erst nach dem 12.4., wenn es um die direkte Vorbereitung unseres Kandidaten geht.
Fischer-Solms: Hat der deutsche Bewerber überhaupt eine Chance? Jetzt frage ich den internationalen Sportfunktionär: Wenn der US-Bewerber New York heißen sollte, dann wäre doch eine IOC-Entscheidung mit Blick auf die Geschehnisse des 11. September 2001 schon so gut wie gefällt.
Tröger: Die Amerikaner haben damit selber Probleme, denn sie haben genau das Syndrom, das ich eben für Berlin genannt habe, auch für New York im Auge, dass, wenn die Entscheidung 2005 fällt, man möglicherweise an nine-eleven und an New York in dieser Frage gar nicht mehr denkt, weil möglicherweise – das klingt makaber und ich will es auch gar nicht an die Wand malen – etwas anderes passiert ist. Außerdem ist die Entscheidung noch nicht gefallen. Gegenwärtig sieht es so aus, als wenn San Francisco ebenfalls gute Chancen hat. Und dann ist der Kandidat, der Konkurrent von unserem Kandidaten, eben ein ganz anderer. Da wir noch gar nicht alle Kandidaten kennen, obwohl ich inzwischen damit rechne, dass es bis zu zwölf werden, ist das ganz schwer zu entscheiden. Aber man kann einen Wettkampf gar nicht gewinnen, wenn man ihn nicht bestreitet. Und das ist unser Argument.
Fischer-Solms: Gut, bleiben wir beim Internationalen Olympischen Komitee. Sie sind, Herr Tröger, seit 1989 im IOC. Sie waren zuvor schon in verschiedenen Funktionen und in Kommissionen beim IOC tätig, waren vom damaligen Präsidenten Samaranch unter anderem zum IOC-Sportdirektor berufen worden. Wie sehr eigentlich hat sich dieses IOC, das ja keine demokratische Legitimation hat und seine Mitglieder selbst beruft, wie sehr hat es sich von Charakter und Struktur her in dieser Zeit, in der Sie es kennen, geändert?
Tröger: Ja wissen Sie, ich habe zunächst einmal Bedenken mit dem Begriff 'demokratische Struktur'. Demokratische Strukturen sind etwas, was sich in einem Volk, in einer Nation entwickelt . . .
Fischer-Solms: . . .ich sagte demokratische Legitimation . . .
Tröger: . . . Legitimation, das international anzuwenden, ist außerordentlich schwierig. Ich weiß, es wird immer von dem 'One Country – one Vote' gesprochen, aber das ist ja alles Unsinn, das weiß man inzwischen. Natürlich ist die Frage: Wer kontrolliert dieses IOC, das sich selbst beruft? Das sehe ich alles ein. Aber das IOC hat sich, um auf Ihre Frage zu kommen, sehr geändert. Wenn man denkt, dass es zu der Zeit, noch vor wenigen Jahren, 70 bis 80 Mitglieder gegeben hat, während es heute 130 gibt, wenn man weiß, dass unter diesen 130 fünfundvierzig Quotenvertreter sind, die also nach ganz anderen Kriterien ausgewählt werden als nur nach Persönlichkeitskompetenz und anderen, dann macht es das sehr schwierig. Das IOC hat sicher einen Reinigungsprozess durchlaufen nach dem Skandal von Salt Lake City. Das IOC ist unter der neuen Leitung von Jaques Rogge, der viel Bewährtes von Samaranch übernommen hat, aber auch sehr viel neue Akzente gesetzt hat, sicherlich auch im Aufbruch begriffen. Aber auch hier muss ich sagen: Ich möchte gerne und mit großem Interesse und mit großer Spannung abwarten, was sich im November in Mexiko tut, weil auch dieser Kongress und das, was als Ergebnis da raus kommt, die Handschrift von Rogge tragen wird. Und sie wird eine ganz andere sein als die seines Vorgängers.
Fischer-Solms: Mit dem zeitlichen Abstand gefragt, Herr Tröger: Wie konnte dieser – Sie haben es angesprochen – dieser IOC-Korruptionsskandal, der so tiefe Einschnitte auch bei den Menschen, die an Olympia glauben, wie konnte dies eigentlich geschehen? Wie konnte es dazu überhaupt kommen?
Tröger: Es war vielleicht eine Fehleinschätzung auch von Präsident Samaranch, der davon ausgegangen ist, dass es überhaupt keine – ich zitiere ihn selber – 'schwarze Schafe' geben darf im IOC. Es gibt keine Gesellschaft dieser Art, vor allem nach der Globalisierung des IOC, wo nicht aus Mentalitätsgründen oder aus Persönlichkeitsgründen es Leute gibt, die sich dem allgemeinen Comment, den wir vorgegeben haben, nicht fügen. Das Ergebnis ist klar. Ich glaube, dass viele Dinge übertrieben dargestellt worden sind. Es hat ganz sicher keine Manipulation der Stimmen gegeben, weil ich glaube, selbst die, die vielleicht einmal Zusagen gegeben haben, haben sie dann in der vertraulichen Abstimmung gar nicht eingehalten. Aber das ist eine andere Frage.
Fischer-Solms: Aber Korruption ist unbestritten!
Tröger: Korruption ist unbestritten. Es hat Ansprüche gegeben und es hat Angebote derer, die auf die Stimmen angewiesen waren, nämlich der Bewerber, gegeben, ganz sicher – allerdings zu einer Zeit, als das alles noch mehr als Kavaliersdelikt gehandelt worden ist. Inzwischen sind wir anderer Meinung. Ich bezeichne das, was im IOC passiert und was mit den Mitgliedern zu tun hat, als eine Art Gefährdungshaftung – ganz egal, welche Mentalität, welche Einstellung er selber oder sie selber zu diesen Dingen hat. Es muss eine allgemeine Ansicht geben, einen allgemeinen Comment geben. Und wer sich dem nicht fügt, der wird zu recht ausgeschlossen. Dies ist geschehen. Ich glaube, dass der Reinigungsprozess erfolgt ist.
Fischer-Solms: Sie haben schon darauf hingewiesen: Die Reform der Reformen im kommenden November. Sollten denn trotz der bekannten Gefährdungen alle IOC-Mitglieder künftig wieder im Vorfeld einer Olympiawahl alle Bewerberstädte besuchen - und besuchen dürfen vor allen Dingen?
Tröger: Wissen Sie, Herr Fischer-Solms, das ist eine so belanglose Frage, die auch an meiner Person hochgespielt worden ist. Ich habe mich nur gegen eines gewehrt, nämlich 'Besuchsverbot'. Ich lasse mir Besuche, wo immer ich will, nicht verbieten.
Fischer-Solms: Ich darf trotzdem die Frage stellen.
Tröger: Natürlich, aber es ist eine belanglose Frage im Kontext beim IOC. Wenn es Unterschleife geben soll, dann gibt es Möglichkeiten, sie zu platzieren und sie anzunehmen auf ganz anderen Gebieten als nur bei einem - noch dazu gelenkten und organisierten – Besuch. Deswegen ist das für mich gleichgültig, ob es solche Besuche, organisiert durch das IOC, gibt, ob es solche Besuche - was sicher auszuschließen ist - organisiert durch die Städte und auf Einladung der Städte gibt. Also, das warte ich gelassen ab, mir ist das völlig gleichgültig. Kontakte zwischen den Bewerbern und den stimmberechtigten IOC-Mitgliedern müssen kontrollierbar sein, müssen transparent sein. Darauf muss geachtet werden. Das hat mit Besuchen nichts zu tun, das kann auch bei ganz anderen Gelegenheiten möglich sein. Und das bedarf der Richtlinien.
Fischer-Solms: Wir haben gelernt, mit dem olympischen Sport wird viel Geld gemacht. Auch von den Eiskunstlaufentscheidungen bei den Winterspielen dieses Jahres in Salt Lake City wurde berichtet, dass inzwischen die Mafia im Spiel ist. Was macht man damit?
Tröger: Ja, das ist eine ganz wichtige Frage, wie man damit umgeht. Aber das wird auch wieder fokussiert auf das IOC, obwohl es eine Frage des Sports insgesamt ist. Diese Dinge passieren ja vor allem zwischen den Olympischen Spielen, also in den vier Jahren zwischen zwei Ausgaben – Winter oder Sommer – auf ganz anderen Gebieten. Und hier müssen in der Tat auch die internationalen Verbände, vielleicht unter Anleitung und Mitwirkung des IOC, ein bisschen besser hingewiesen, ein bisschen besser instruiert und auch ein bisschen besser kontrolliert werden, dass solche Dinge im Vorfeld nicht passieren. Es ist immer misslich, wenn so etwas drei oder vier Jahre lang oder vielleicht sogar über einen viel längeren Zeitraum praktiziert wird. Bei Olympischen Spielen eskaliert es dann, weil das IOC vielleicht bessere Kontrollen als die anderen hat, und dann wird das alles auf dem IOC abgeladen. Ich halte das für falsch.
Fischer-Solms: Aber würden Sie für jedes IOC-Mitglied die Hand ins Feuer legen, dass es da vielleicht nicht auch in dem einen oder anderen Fall die Förderung mafiöser Strukturen oder die Beteiligung gibt?
Tröger: Das kann ich ja gar nicht, denn IOC-Mitglieder sind ja nun auch Repräsentanten nationaler Komitees oder internationaler Verbände. Und sie sind deswegen auch außerhalb der Olympischen Spiele, außerhalb der olympischen Bewegung eingebunden in all diese Dinge. Und der eine oder andere, der eben eine Rolle in diesen Strukturen spielt, ist dann auch im IOC, und das muss geprüft werden. Das IOC hat da schon eine Aufgabe, aber es kann sie nicht allein wahrnehmen.
Fischer-Solms: Herr Tröger, mal direkt gefragt: Sie sind mehr als ein Dutzend Jahre jetzt im IOC. Reicht Ihnen das nicht?
Tröger: Das ist nicht die Frage. Sie müssen sie ganz anders stellen. Ich bin seit 1971 in Funktionen in IOC-Kommissionen und anderen. Die Frage ist doch: Warum muss mir das reichen? Deswegen verstehe ich sie auch nicht ganz . . .
Fischer-Solms: . . . Sie sind im 74. Lebensjahr und hatten sich mal für ein Alterslimit 75 ausgesprochen . . .
Tröger: . . . ja, das ist eine andere Frage. Ich habe mich für das Alterslimit 75 ausgesprochen, ich habe auch dagegen gestimmt - als einziger notabene -, gegen die Erhöhung des Alterslimits von 75 auf 80. Ich habe damals die Erklärung abgegeben, dass ich selber mit 75 ausscheiden würde, um den Platz für einen möglichen anderen deutschen Kandidaten freizumachen, einen jüngeren. Inzwischen gibt es die Möglichkeit nicht mehr. Die Reformen haben dazu geführt, dass es den zweiten Platz – ich sage mal jetzt, den zweiten Platz neben dem von Dr. Bach wahrgenommenen – nicht mehr geben wird in Zukunft. Das heißt, ich würde in einer ganz wichtigen Phase für das deutsche NOK, für den deutschen Sport einen Platz aufgeben, der nicht wiederbesetzt würde. Ich halte das für absolut unzumutbar, so lange ich es durchhalte.
Fischer-Solms: Also weitermachen. Das betrifft ja auch die nationale Ebene. Es stehen ja in diesem Herbst Neuwahlen im NOK bevor.
Tröger: Die nationale Ebene hat damit nichts zu tun. Ich habe gute Argumente meinen Kollegen, die zu wählen haben, dafür gegeben, dass ich es gegen meine frühere Absicht nun doch noch einmal ein paar Jahre anbieten möchte. Diese Argumente sind im Prinzip akzeptiert worden. Es gibt nun einen Gegenkandidaten, das muss ebenso akzeptiert werden. Schauen wir, wie wir es machen. Aber ich wiederhole noch einmal: Meine Argumente für ein Angebot, noch einmal zu kandidieren, sind dem Grunde nach akzeptiert worden, und deswegen sehe ich keinen Grund, davon abzugehen.
Fischer-Solms: Damit kommen wir noch mal, Herr Tröger, zur Innenpolitik. Seit wenigen Tagen ist in der Bundesrepublik ein Dopingopfer-Entschädigungsgesetz in Kraft. In Berlin arbeitet eine Beratungsstelle für DDR-Dopingopfer. Warum verweigern Sie und das nicht gerade unvermögende NOK, Herr Tröger, dafür jede finanzielle Unterstützung? Nur, weil eine einzige Klage einer geschädigten Athletin gegen das NOK anhängig ist? Halten Sie das für angemessen?
Tröger: Herr Fischer-Solms, zunächst einmal: Das NOK ist unvermögend. Wir sind die einzige Organisation im Sport, die weder maßgebende Beiträge ihrer Mitglieder verlangt, noch für ihre normale Struktur und ihren normalen Betrieb öffentliche Mittel erhält. Das heißt, wir sind absolut angewiesen, gemeinsam mit der Stiftung Deutsche Sporthilfe, der wir zugunsten der Verbände und der Athleten einen erheblichen Anteil daran zuwenden, auf die Mittel, die wir generieren. Und wir haben ja vor zwei oder drei Jahren gemerkt, wie schnell man da auch in ein Loch fällt. Wir haben ein Dienstleistungsbudget für unsere Mitglieder. Dieses Budget ist sehr sorgfältig kalkuliert. Wir haben eine sehr bescheidene Geschäftsführung, die die Arbeit macht. Also von daher ist es nicht so, dass wir große Töne spucken können und große Ausgaben plazieren können. Aber das ist nicht die Frage hierbei. Ich bin der Erste gewesen, der für den Kasus der Dopingopfer Sympathie gezeigt hat und erklärt hat, hier müsse geholfen werden. Ich habe damals bereits gesagt, das kann sich nicht nur auf das NOK konzentrieren, das ist eine Frage der Politik und der anderen deutschen Sportorganisationen auch. Die mögen das mit prüfen, dann sind wir mit dabei. Der Anspruch an das NOK, der sich richtet aus Mitteln, die uns früher einmal – eigentlich sogar der Deutschen Olympischen Gesellschaft, nicht dem NOK, darauf will ich hinweisen – aus der Vereinigung 1990 zugeflossen sind, sind längst für satzungsgemäße Aufgaben ausgegeben, die sind also gar nicht mehr vorhanden. Wir wissen überhaupt nicht, wie der laufende Fall ausgeht, ob der uns nicht in einem einzigen Fall zu ganz erheblichen Schadensersatzleistungen zwingt. Und es muss doch ganz klar sein, dass wir so lange über Summen nicht sprechen wollen. Die Grundsatzaussage, dass wir dabei sind, wenn die anderen es machen – wenn nun diese auf der Grundlage des Gesetzes, das entschieden worden ist und dem wir Beifall gegeben haben, vorbereitete Untersuchung dazu geführt hat, dass genau definiert wird, wer Anspruchsberechtigter ist, wie hoch die Ansprüche sind, dann werden wir auch dabei sein. Das haben wir erklärt. Der Deutsche Sportbund, der lange zögernd war, hat nun eine kleine Summe gegeben, um zunächst einmal die Anschubfinanzierung zu sichern. Auch das wird begrüßt. Wir warten das ab. Vielleicht kann man ja auch von der Organisation, die unser Partner dort ist, die das alles betreibt, auf die Klägerin hinwirken, dass sie sich nun zufrieden gibt mit den Auswirkungen, die das Gesetz auch für sie positiv haben kann und dass sie ihre Klage zurückzieht. Dann sind wir sofort gesprächsbereit, dann wird sofort darüber gesprochen und wir sind mit dabei.
Fischer-Solms: Aber geschätzte 10.000 Betroffene des staatlichen DDR-Dopings auf der einen Seite und dem gegenüber nur eine einzige klagende Athletin: Warum ist da nicht mehr Großmut möglich?
Tröger: Das hat doch mit Großmut nichts zu tun. Nehmen Sie doch mal an, diese Klägerin bekommt eine Zuwendung – das weiß ich doch alles gar nicht – von 500.000 Euro . . .
Fischer-Solms: Wie hoch ist die Klage?
Tröger: Ich weiß es nicht. Die Klage ist nicht definiert. Das ist eine Grundsatzfrage und keine Frage von Großmut. Sie können mit Mitteln, die andere prüfen, wie das NOK sie hat, die auch von der Bundesregierung geprüft werden im Rahmen der Förderung, die wir für die Olympiamannschaft erfahren, doch nicht großmütig umgehen. Sie müssen sachlich damit umgehen. Und bei dieser Sachlichkeit spielen natürlich auch humanitäre Gesichtspunkte, die - wie ich gesagt habe - moralische Akzeptanz einer Verpflichtung eine Rolle, aber das muss alles abgewogen werden. Wir sind dabei, und wir haben das immer gut gemacht, meine ich. Wir sind hier unter Druck gekommen, einseitig unter Druck gekommen in einer Art und Weise, die ich und meine Kollegen auch nicht bereit sind, hinzunehmen. Wir wollen das sachlich abhaken, aber nicht über Journalisten und nicht über Anwälte.
Fischer-Solms: Nehmen wir das andere innenpolitische Reizthema, Herr Tröger. Es gibt den aktuellen Fall des Vorsitzenden der Gemeinschaft Deutscher Olympiakämpfer, des früheren Weltklasseschwimmers Klaus Katzur aus Leipzig. Er ist ja zugleich persönliches Mitglied bei Ihnen im NOK. Katzurs Stasi-Tätigkeit ist jetzt aufgedeckt worden. Sie lassen den Fall durch die Stasi-Kommission des Deutschen Sports unter Vorsitz von Hanna-Renate Laurien überprüfen. So weit, so gut. Aber Sie wollen feststellen lassen, ob denn der Stasi-Spitzel – Zitat – anderen Personen Schaden zugefügt hat. Das heißt also, die gegebenenfalls von der Berliner Behörde bestätigte Tätigkeit allein wäre für Sie kein Grund, von einem Stasi-Mann dessen Ehrenämter im Sport zurückzufordern?
Tröger: Nein, also erst einmal müssen Sie trennen. Der Antrag, der gestellt worden ist an Frau Laurien, ist der Antrag der beiden Ehrenpräsidenten der Gemeinschaft Deutscher Olympiateilnehmer, nämlich Friedel Schirmer und Walther Tröger. Dort ist er Präsident – oder ist es gewesen, inzwischen ist die Amtszeit abgelaufen. Und in dieser Funktion ist Klaus Katzur auch bei uns persönliches Mitglied. Auch die persönliche Mitgliedschaft läuft in wenigen Wochen aus, müsste erneuert werden, weil wir ja vor der Neuwahl der persönlichen Mitglieder stehen. Von daher gibt es da gar keine Eile. Wir haben uns mit dem Deutschen Sportbund und mit anderen Organisationen darauf geeinigt, dass eines der Kriterien für Maßnahmen dieser Art, vor allem im ehrenamtlichen Bereich, ist, dass Schaden zugefügt worden ist. Aber das ist doch nur ein Kriterium. Jetzt lassen Sie uns doch mal abwarten. Frau Laurien hat mir eben geantwortet, dass sie selbstverständlich diesen Antrag annimmt und uns entsprechend unterrichten wird. Warten wir doch das Ergebnis ab, und dann werden wir uns darüber unterhalten. Auf jeden Fall ist es sicher, dass, wenn die Kriterien, die wir für eine Unvereinbarkeit von solchen Vorgängen mit Ämtern im deutschen Sport sehen und festgelegt haben, nicht erfüllt sind, dass dann auch, soweit wir Einfluss darauf haben, solche Ämter nicht mehr wahrgenommen werden können. Aber die Einzelfallprüfung muss doch möglich sein, ehe wir uns verbindlich dazu äußern
Fischer-Solms: Aber die Formulierung, auf der die gemeinsame Arbeit der Stasi-Kommission läuft, heißt ja nicht, ob jemand Schaden zugefügt hat, sondern die Formulierung heißt, ob jemand die Schädigung einer anderen Person billigend in Kauf genommen hat.
Tröger: Gut, lassen Sie uns nicht über Formulierungen streiten. Diese Formulierung, die wir damals miteinander getroffen haben, ist verbindlich, auch wenn in meinem Brief vielleicht zunächst etwas anderes steht.
Fischer-Solms: Sind Sie, Herr Tröger, zwölf Jahre nach der Einheit für einen Schlussstrich in der DDR-Doping- und Stasi-Thematik?
Tröger: Nein. Ich bin auch nie für einen Schlussstrich gewesen. Es wird immer wieder solche Fälle geben. Und wenn eben neue Dinge auftauchen, die ja mitunter überraschend sind, mitunter gar nicht überraschend, weil ja die Akten nun immer noch aufgefunden und behandelt werden, dann muss dem auch weiterhin nachgegangen werden. Ich hielte es für ganz schlecht, wenn jemand, den wir absolut für unvereinbar mit unseren Kriterien halten, bei uns Funktionen hat, nur weil sein Fall verjährt ist.
Fischer-Solms: Abschließend gefragt: Die bundesdeutsche Gesellschaft zeichnet sich – und da ist ja diese großartige Hilfswelle nach der Flutkatastrophe kein Widerspruch – durch eine gewisse Entsolidarisierung aus. Die 'Ich-AG' ist namentlich ja auch im Hochleistungssport gut vertreten. Frage, Herr Tröger: Trauen Sie dem Sport die gesellschaftliche Kraft zu, eine positive und stabilisierende Rolle in der Gesellschaft der Bundesrepublik zu spielen - auch in Zukunft?
Tröger: Ob eine stabilisierende, ist fraglich. Vielleicht ist er dazu doch zu schwach und die Gesellschaft bereits zu sehr gefestigt in dieser 'Ich-Auffassung', die Sie benannt haben. Aber eine positive ganz sicher. Wir haben bei vielen Symposien, bei vielen Diskussionen über die Frage der ethischen Werte des Sports und der Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft darüber gesprochen: Kann der Sport mit all seinen Problemen und Bedenken und auch Skandalen und der ganzen Dopingfrage besser sein in seiner Struktur als die Gesellschaft insgesamt? Wir haben diese Frage immer positiv beantwortet. Er muss etwas besser sein, er muss seine Kriterien und seine Forderungen besser durchsetzen als die Gesamtgesellschaft es tun kann, auch wenn er sicherlich mit Einbrüchen leben muss. Und er kann beispielgebend sein, und ich bin nach wie vor der Meinung, dass das der Fall ist, und dass wir daran arbeiten müssen. Allerdings müssen wir dann unser Haus intern im Hinblick auf Achtung voreinander, auf Umgang miteinander, auf Fair Play, auf Kampf gegen Manipulationen jeder Art, auf die Zurückdrängung der übermäßigen Einflussnahme des Kommerzes usw. noch ein bisschen besser in Ordnung bringen.
Fischer-Solms: Diese Werte bleiben für den Sport aktuell?
Tröger: Die Werte bleiben für den Sport aktuell, und sie sind, ich wiederhole das, beispielgebend für die gesamte Gesellschaft.