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Trump und die Republikaner
Mehr eine Sekte als eine Partei

Donald Trump habe sich die Republikanische Partei zu eigen gemacht und Widerspruch unterbunden - sagen manche Republikaner in den USA. Es gebe Strukturen wie in einer Sekte, die zu einer großen Gefahr für das Land geworden seien. Und es werde lange dauern, bis sich die Republikaner davon erholen könnten.

Von Thilo Kößler | 28.08.2020
Präsident Trump an einem Rednerpult, mit seiner Frau Melania rechts und seiner Tochter Ivanka links von ihm.
Strukturen eines autokratischen Regimes (GETTY IMAGES NORTH AMERICA)
Donald Trump und die loyalen Mitglieder seiner Familie. Der engere Machtzirkel. Günstlinge und Begünstigte. Das waren die Akteure auf dem virtuellen Parteitag der Republikaner – oder was von ihnen übrig geblieben ist. Denn viele, sehr viele Republikaner zeigten sich nicht auf diesem Parteitag – sie stimmten nicht in den Chor derer ein, die Donald Trump eine zweite Amtszeit wünschen. Fern blieben Senatoren und Abgeordnete, die um ihre Wiederwahl fürchten. Die alte Parteielite wie Ex-Präsident George W. Bush oder der ehemalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney. Und Intellektuelle wie Norman Ornstein – ein republikanischer Vordenker, Buchautor, Mitglied des konservativen American Enterprise Institute in Washington DC. Er erkennt seine Partei nicht wieder, sagt er – und wird sie solange mit Kritik überziehen, wie Donald Trump Präsident ist.
"Die Republikanische Partei war sehr lange eine konservative Partei – und sie war darauf ausgerichtet, Probleme zu lösen. ‚Konservativ‘ meinte im Grunde genommen, sich an gültige Normen und Prinzipien zu halten."
Eigentlich keine Partei mehr
Unter Donald Trump gibt es den tradierten politischen Verhaltenskodex nicht mehr. Und die klassischen republikanischen Grundsätze wie Freihandel, Bündnistreue oder Haushaltsdisziplin hat Trump längst über Bord geworfen. Norman Ornstein, ein Republikaner alter Schule, meint: Eigentlich sind die Republikaner gar keine Partei mehr.
"Wenn, dann sind sie eine radikale Partei – aber mittlerweile doch mehr eine Sekte. Radikal sind die Republikaner, weil sie gar keine konservative Ideologie mehr haben. Es ist eher eine Theologie. Und sie beinhaltet den Glaubenssatz, dass eine Regierung an sich schlecht ist. Wenn man sie ganz abschaffen würde, gebe es echte Freiheit und die Menschen wären glücklich."
Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020 
Politische Ideen und Grundsätze zählen für Donald nicht, sagt Norman Ornstein. Was zählt, sei allein der Wille des Sektenführers.
"The ideas that used to be the firmament of a political party no longer mean anything. It´s all about what the cult leader wants."
Angst geht um wie in einer Sekte
Die Familie Donald Trumps, der innerste Zirkel von Tochter Ivanka, die beiden Söhne Donald jr. und Erik sowie Schwiegersohn Jared Kushner – dieses organisierte Machtzentrum der engsten Vertrauten erinnert Norman Ornstein an die Strukturen autokratischer Regime.
"Sie glauben, dass der Staat ihnen und ihrer Familie gehört – dass sie das Recht haben, sich auf Kosten des Landes und seiner Menschen zu bereichern. Sie glauben, dass die Regeln für sie nicht gelten."
Donald Trump habe sich die Partei zu eigen gemacht – alle Gegner ausgeschaltet oder eingeschüchtert und jeden Widerspruch unterbunden. Niemand wage mehr, die Stimme zu erheben, sagt Norman Ornstein. Wie in einer Sekte gehe die Angst um, ausgegrenzt oder exkommuniziert zu werden."
"If you are in a cult, you are fearful of being shunned or excommunicated."
US-Präsident Donald Trump nach einer Rede auf dem Parteitag der Republikaner
US-Republikaner: "Eine zweite Amtszeit von Trump wäre verheerend"
Der US-Republikaner Bill Kristol wirft Präsident Trump vollständig fehlenden Respekt vor der Rechtsstaatlichkeit vor. Wegen seiner Corona-Politik werde Trump die Wahl verlieren, sagte Dan Quayle im Dlf.
Das alles verdichte sich zu einer großen Gefahr für das Land – weil kein Republikaner mehr Einwände erhebt. Weder im Kongress, noch in den Bundestaaten.
"This is a very perilous time for the United States because the fact that the rest of the Republican party (…) are not raising any objections about these moves that violates all norms of our democracy.
Mindestens drei Wahlen verlieren
Norman Ornstein ist eine jener warnenden Stimmen innerhalb der republikanischen Partei, die unter Donald Trump die amerikanische Demokratie bedroht sehen. Seine zentrale Botschaft falle bei seinen weißen Anhängern auf fruchtbaren Boden, sagt er: Trump appelliert an ihre Ängste, im Zeichen der demographischen Entwicklung die weiße Mehrheit in der Bevölkerung zu verlieren. Das ist der rassistische Kern des Trumpismus, sagt Norman Ornstein. Und sieht möglicherweise schwere Konflikte auf das Land zukommen, falls Donald Trump tatsächlich am 3. November ein knappes Wahlergebnis nicht anerkennen sollte.
"Wahrscheinlich glauben ihm seine Anhänger, dass die Wahl gestohlen wurde und sie nun um ihren Lebensstil gebracht werden. Viele Leute hier sind bewaffnet bis an die Zähne, und es ist gut möglich, dass sie auf die Straße gehen und es zu Gewalt kommt. Das wäre für Trump ein guter Vorwand, um den Notstand auszurufen und den ganzen Wahlprozess anzuhalten."
Was aber passiert, wenn es anders kommt? Wenn Trump die Wahl eindeutig verliert und die Republikaner plötzlich vor dem Nichts stehen? Dann werden sie Trumps Erbe nicht so einfach abstreifen können, glaubt Norman Ornstein. Die Republikaner müssten mindestens drei Wahlen in Folge verlieren, um wieder in ein System mit zwei "relativ vernünftigen" Parteien zurückzufinden.
"If they lose three in a row, then I think we could begin to move back to having two relatively reasonable partys."