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Trumps Chinapolitik
Ein gefährliches Spiel des US-Präsidenten mit dem Feuer

Der US-Präsident stehe mit seiner Coronapolitik mit dem Rücken zur Wand, sagte Jürgen Hardt (CDU) im Dlf. Deshalb versuche er, derzeit "durch harte Linie gegenüber China Punkte in den eigenen Reihen zu sammeln". Das sei für Trump gefährlich, weil die USA eng mit der chinesischen Wirtschaft verbunden sei.

Jürgen Hardt im Gespräch mit Dirk Müller | 27.07.2020
Jürgen Hardt, Außenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, spricht während einer Sitzung des Deutschen Bundestages
Bundestag (picture alliance/dpa - Gregor Fischer)
Schon länger sind die Beziehungen zwischen den USA und China belastet. Streitthemen sind neben dem Handelskonflikt auch die Einschränkung der Autonomierechte von Hongkong durch das neue Sicherheitsgesetz und der Umgang mit der Corona-Pandemie.
Am Montagfrüh (27.07.) sei nun das US-Konsulat im chinesischen Chengdu geschlossen worden, teilte das Außenministerium in Peking mit. Das Konsulargebäude wurde von chinesischen Sicherheitskräften abgeriegelt. China hatte die USA aufgefordert, ihre Diplomaten aus Chengdu abzuziehen, nachdem zuvor die Regierung in Washington die Schließung des chinesischen Konsulats in Houston angeordnet hatte.
Hardt erwartet in den nächsten Monaten "mildere Töne"
Es sei extrem gefährlich, den Konflikt mit China weiter zu verschärfen", erklärte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Jürgen Hardt im Dlf. Viele Millionen Arbeitsplätze in den USA seien von den wirtschaftlichen Verflechtungen abhängig. "Am Ende wird die amerikanische Wirtschaft dem amerikanischen Präsidenten schon sagen, dass viele Millionen Arbeitsplätze in Amerika auch von den Exporten nach China abhängen und auch der Wohlstand Amerikas auch ein Stück weit von billigen Produkten aus China", betonte Hardt. Der CDU-Politiker gehe davon aus, dass der Präsident in den nächsten Monaten wieder "mildere Töne" anschlagen werde, wenn er die Unterstützung der US-Wirtschaft nicht verlieren wolle.
Im europäischen Kontext forderte Hardt eine gemeinsame europäische Strategie, "die gegenüber China härter auftritt". Europa müsse sich klar gegen illegetime Handelspraktiken der Chinesen wehren.

Das Interview in voller Länge:
Dirk Müller: Herr Hardt, wie lange geht das noch gut?
Jürgen Hardt: Es ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer aus meiner Sicht, was der amerikanische Präsident betreibt, weil natürlich die berechtigten Sorgen und auch die tatsächlich vorhandenen Konflikte mit China, die wir auch in Europa ja haben, vermischt werden mit dem Narrativ von Donald Trump, alles Böse für Amerika kommt von außen. Das hat er vor vier Jahren bereits in seinem letzten Wahlkampf bedient. Da gehören Europa wie China genauso zu denen, die das Wohl der amerikanischen Bürgerinnen und Bürger schädigen. Und ich habe das Gefühl, er steht ziemlich mit dem Rücken an der Wand aufgrund seiner Corona-Politik, und er versucht, jetzt durch harte Linie gegenüber China Punkte in den eigenen Reihen zu sammeln. Aber die Wirtschaften, die amerikanische Wirtschaft und die chinesische Wirtschaft, sind ja aufs Engste miteinander verflochten. Es gibt ja viele Millionen Arbeitsplätze auf beiden Seiten, die davon abhängig sind, und deswegen ist es extrem gefährlich, jetzt den Konflikt mit China weiter zu verschärfen. Ich glaube, das wird am Ende auch dem Präsidenten auf die Butterseite fallen.
Trump "lehnt multilateralen Ansatz ab"
Müller: Blicken wir ein bisschen, Herr Hardt, auf den jüngsten Schritt, die Schließung des Konsulats in Houston, dann die Schließung heute Morgen – wir haben das in den Nachrichten gehört – des amerikanischen Konsulats in China, in Chengdu. Gehen wir von der amerikanischen Perspektive aus. Sie haben gesagt, da geht Donald Trump eindeutig zu weit. Das heißt, aus Ihrer Sicht ist es ein vollkommen indiskutabler Schritt, selbst wenn die Vorwürfe stimmen?
Hardt: Ich glaube, dass natürlich wir uns intensiv mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob es im Verhältnis zu China – das gilt auch für Europa, genau wie für Amerika – so weitergehen kann wie bisher, weil wir ja feststellen, dass die chinesische Regierung sowohl im Inneren als auch nach außen aggressiver auftritt, als das noch vor einigen Jahren der Fall war. Hier ist nur das Problem, dass es sich natürlich vermischt mit dem Narrativ des Präsidenten, der wiedergewählt werden will, und die Frage, ob das nun eine ausgewogene, ausgeklügelte China-Strategie ist, die am Ende dazu dienen könnte, die Position Amerikas gegenüber China zu festigen, oder ob es darum geht, für die nächsten 100 Tage die Reihen hinter dem Präsidenten zu schließen bei seinen Anhängern, die vermischen sich miteinander. Umso schwieriger ist es natürlich für uns in Europa, auch eine vernünftige China-Politik zu entwickeln an der Seite Amerikas. Der amerikanische Präsident fordert uns ja auf, mit ihm gemeinsam das zu tun. Ich kann mich nur daran erinnern, dass wir in den letzten Jahren immer wieder erlebt haben, dass die Versuche, etwa in der Welthandelspolitik gemeinsam mit Amerika etwas zu erreichen und dadurch auch stark gegenüber China aufzutreten, vom amerikanischen Präsidenten zurückgewiesen wurden, der gesagt hat, "America first", einen multilateralen Ansatz zur Lösung von internationalen Problemen lehnt er ab. Deswegen ist das etwas, was meines Erachtens nicht besonders glaubwürdig ist.
Eine chinesische und eine amerikanische Flagge
US-Außenpolitiker: "Handelskrieg mit China war absolut entscheidend"
China sei mittlerweile so mächtig, dass der Westen seine gesamte politische Lage neu überdenken müsse, sagte der US-Außenpolitiker Elbridge Colby im Dlf. Nur die USA seien stark genug, China direkt gegenüberzutreten.
Müller: Trotzdem noch mal die Frage, Herr Hardt, ganz konkret nach dieser Schließung des Konsulats. Ist das ein politischer Schritt, der richtig sein kann, der clever sein kann, der gut sein kann?
Hardt: Ich glaube, am Ende wird die amerikanische Wirtschaft dem amerikanischen Präsidenten schon sagen, dass viele Millionen Arbeitsplätze in Amerika auch von den Exporten nach China abhängen und der Wohlstand Amerikas ein gutes Stück auch von billigen Produkten aus China, und ich vermute, dass der amerikanische Präsident gegenüber China auch mildere Töne in den nächsten Monaten anschlagen muss, wenn er die Unterstützung der Wirtschaft nicht verlieren will, und ich glaube, das hat er so nicht bedacht in einer möglicherweise doch impulsiven Haltung.
Müller: Das heißt, Sie hätten das nicht gemacht? Sie weichen da jetzt immer aus. Das ist für mich jetzt ganz schwierig nachzuvollziehen, warum Sie nicht sagen, das war okay, das kann man machen, oder es ist völlig von der Rolle.
Hardt: Ich glaube, dass Erkenntnisse, dass aus chinesischen Botschaften heraus Spionage ausgeübt wird, nicht völlig neu sind. Ich glaube, dass dieser Verdacht schon lange im Raum steht und dass er jetzt schon politisch motiviert genutzt wird und dass am Ende des Tages dies nicht zu einer Verbesserung, zu einer Lösung der Konflikte zwischen China und Amerika führen wird und deswegen den Präsidenten nicht weiterbringt.
"China setzt alles ein, um eigene Positionen durchzusetzen"
Müller: Dass die Chinesen offensiv spionieren, oder dass Trump jetzt gesagt hat, hört auf zu spionieren?
Hardt: Ich glaube, dass China alle Mittel einsetzt, um seine eigenen Positionen in der Welt durchzusetzen. Dazu gehören auch die illegalen Methoden von Spionage. Ob das jetzt in Houston der Fall war oder nicht, kann ich nicht beurteilen, aber dass China keine Skrupel hat, so etwas zu tun, daran habe ich auch keinen Zweifel, und das müssen wir uns in Deutschland und Europa auch immer wieder klarmachen.
Müller: Jetzt sagen ja viele Experten, dafür sind Botschaften und Konsulate definitiv auch da. Das heißt, das ist ja nichts Neues, und weil alle Seiten das machen, ist das irgendwo auch akzeptiert von den Regierungen. Stimmt das?
Hardt: In dem Augenblick, wo natürlich solche Spionage konkret Menschenleben in Gefahr bringt, Menschen schädigt und auch Wirtschaft schädigt, indem zum Beispiel Patente ausgeforscht werden oder Produktionsmethoden, in die ja derjenige, die sie entwickelt hat, viel Geld gesteckt hat, ist das natürlich schädlich und muss auch verhindert werden. Ich glaube allerdings, dass China auch andere Möglichkeiten hat, als ausgerechnet über Konsulate zu agieren. Man muss ja bedenken, dass ganz viele chinesische Staatsbürger sich völlig legal in Amerika außerhalb von Botschaften aufhalten. Ich glaube, die Fokussierung des Themas auf diesen Punkt hat für den Präsidenten schon eher die plakative Wirkung, dass er seinen Anhängern zeigen will, ich zeige klare Kante gegenüber allen vermeintlichen oder tatsächlichen Feinden Amerikas in der Welt. Da waren wir als Europäer auch mal auf der Liste der Bösen und jetzt sind die Chinesen im Fokus.
"Wir brauchen ein europäische Strategie gegenüber China"
Müller: Aber schadet das, klare Kante gegenüber China zu zeigen, wenn wir auch die europäische, die deutsche Diskussion sehen? Sind wir viel zu tolerant, zu moderat, vielleicht zu feige, mit China konsequenter zu verfahren?
Hardt: Ich glaube, dass wir eine gemeinsame europäische Strategie brauchen, die gegenüber China härter auftritt. Ich glaube, dass wir ganz klar uns verwehren müssen gegen illegitime Handelspraktiken der Chinesen. Ich glaube, dass China konkret in Afrika, aber auch in Teilen Europas mit Methoden vorgeht, die wirtschaftlich nicht akzeptabel sind, etwa Preise unter Einstand, Dumping-Methoden, um Märkte zu erobern. Und wir müssen uns immer klarmachen, dass in China ja nicht der Business-Plan der Manager darüber entscheidet, ob ein Geschäft zustande kommt, sondern, wenn es wirklich wichtig ist, die Wirtschaftsabteilung der Kommunistischen Partei Chinas, und das ist grundsätzlich etwas anderes, als es bei uns in der westlichen Welt der Fall ist. Das müssen wir uns immer wieder klarmachen.
Müller: Ist die deutsche Außenpolitik zu weich, Herr Hardt?
Hardt: Die deutsche Außenpolitik hat zum Beispiel die Lieferung von Ausrüstung für die Hongkong-Polizei bereits vor längerer Zeit eingestellt, weil man gesagt hat, wenn da tatsächlich Unterdrückung von Menschen geschehen kann, können wir das nicht zulassen, dass da deutsche Unternehmen dran verdienen. Und wir haben unser Rechtshilfe-Abkommen mit Hongkong immer schon so gestaltet, mindestens seit 2017, dass immer geprüft wird, ob es einen konkreten politischen Hintergrund bei dem Antrag auf Auslieferung etwa oder Rechtshilfe durch Hongkong gibt. Wir haben bereits gegenüber China in der Hongkong-Frage als Deutsche eine Politik eingetragen, wie sie Gott sei Dank jetzt europaweit von den Außenministern der Europäischen Union vorletzte Woche vereinbart worden ist.
Peter Beyer, CDU
Transatlantik-Koordinator: "Wir müssen den kleinsten gemeinsamen Nenner finden"
Die USA drohen unter Donald Trump auch Verbündeten mit Sanktionen, wie etwa bei der Gaspipeline Nord Stream 2. Das sei ein Ton, der so nicht gehe, sagte Peter Beyer (CDU), im Dlf.
"Huawei darf keine Kontrolle über unsere Technologie bekommen"
Müller: Und die Briten haben das auch getan mit dem Auslieferungsabkommen, mit den Bestimmungen. Da wird auch härter geprüft. Was ist mit Huawei?
Hardt: Ich glaube, dass Huawei tatsächlich ein Unternehmen ist, das zum Zwecke gegründet wurde, diese 5G-Technik und die moderne digitale Technik des 21. Jahrhunderts ein Stück zu beherrschen. Ich glaube, dass China bei Huawei mit Marktmethoden auftritt, die dafür sorgen, dass durch entsprechende konkurrenzlos günstige Angebote und die politisch gewollten Preise andere daran gehindert werden oder vom Markt verdrängt werden sollen, und ich glaube, dem müssen wir uns entgegensetzen.
Müller: Und wie machen wir das?
Hardt: Ich glaube, dass wir im Blick auf 5G-Technologie in Europa eine klare Linie brauchen, dass nicht ein Lieferant aus einem Land alleine alle Komponenten stellen kann, sondern dass es immer die Möglichkeit der Redundanz und damit des Ausweichens auf andere Technologie gibt. Und ich habe das Gefühl, dass die Bundesregierung und die anderen europäischen Staaten dies auch im Blick auf den Ausbau von 5G so berücksichtigen. Einige tun das etwas plakativer, andere tun das etwas diskreter.
Müller: Wenn ich hier noch mal reingehen darf, Herr Hardt? Das heißt, in der Praxis sagen Sie, ich verkürze das jetzt ein bisschen, Huawei ist ein bisschen böse und deswegen dürfen sie nur ein bisschen teilhaben?
Hardt: Ich glaube, sie dürfen keine Kontrolle über unsere Technologie für die Zukunft bekommen. Ich glaube, es gibt immer noch einen Unterschied, ob man akzeptiert, dass solche Technologie in Bereichen verwendet wird, wo sie nicht systemrelevant ist, und dass wir vermeiden müssen, dass ein Land, China mit Huawei oder auch ein anderes Land, die ausschließliche Herrschaft über eine bestimmte Technologie bei uns bekommt. Die Gefahr sehe ich, aber die Gefahr ist, glaube ich, noch nicht eingetreten und kann noch wirksam verhindert werden.
Müller: Aber das können Sie kontrollieren, wenn Huawei einmal Fuß gefasst hat? Warum schließen Sie Huawei nicht aus?
Smartphone mit 5G-Logo von  Huawei 
Mehr Barrieren für Übernahme deutscher Unternehmen
Die Bundesregierung will die Kontrollen verschärfen, wenn außereuropäische Investoren ihre Finger nach deutschen Firmen ausstrecken. Das Bundeskabinett hat dazu eine Änderung des Außenwirtschaftsgesetz auf den Weg gebracht.
Hardt: Ich glaube, wenn man im internationalen Handel einzelne Unternehmen konkret davon ausschließt, Geschäfte im eigenen Lande machen zu können, muss man da sehr valide Gründe für anführen, weil man damit ein Prinzip des Welthandels verletzt, nämlich dass grundsätzlich jeder in jedem Land seine Waren anbieten darf. Und ich fände es schade, wenn gerade Deutschland, die enorm exportabhängige Nation, nicht nur im Blick auf China, sondern im Blick auf die ganze Welt, genau das Land wäre, das ohne konkrete substanzielle Nachweise einzelne Unternehmen kategorisch ausschließt.
Müller: Aber Sie haben doch jetzt auch Bedenken. Sie haben doch Bedenken formuliert. Das heißt, das stimmt gar nicht? Das ist quasi nur Verdacht?
Hardt: Ich glaube, dass die Vorstellung, dass ein Unternehmen mit seiner Technologie eine bestimmte Schlüsseltechnik in unserem Land, in Deutschland oder Europa komplett liefert und bereitstellt, ein Risiko an sich ist, so dass ich glaube, unabhängig von der Frage, ob sie tatsächlich so gegen uns genutzt werden könnte, diese Technik, oder nicht, wir uns darauf stützen sollten, dass wir bei solchen Technologien Redundanzen, das heißt Alternativen und auch Alternativen des Abschaltens und des Ausstiegs kurzfristig haben müssen, und das setzt voraus, dass zum Beispiel bei der 5G-Technik möglichst mindestens zwei, wenn nicht sogar drei oder mehr Anbieter von Schlüsseltechnologie auf der Welt da sein sollten. Und ich würde mir wünschen, wenn wir in Europa die Kraft hätten und die Anstrengung vollbringen würden, eigene Technologie in Europa zu entwickeln, die dann auch wiederum in anderen Ländern zur Verfügung steht, um dort wiederum auch als Alternative zu Huawei oder amerikanischer Technologie eingesetzt werden zu können.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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