Dienstag, 23. April 2024

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Truppenabzug aus Syrien
"Ein guter Zeitpunkt für Russland, um die Erfolge zu sichern"

Russland habe mit seinem Einsatz in Syrien zwei wichtige Ziele erreicht, sagte Margarete Klein, Russland-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), im DLF. Zum einen habe der syrische Machthaber Baschar al-Assad eine bessere Position bei den Friedensgesprächen in Genf, zum anderen redeten die USA wieder mit Moskau. Das könne die Verhandlungen erleichtern.

Margarete Klein im Gespräch mit Martin Zagatta | 16.03.2016
    Russlands Präsident Wladimir Putin im Gespräch mit Außenminister Sergej Lawrow (m.) und Verteidigungsminister Sergej Shoygu (r.).
    Russlands Präsident Putin hat den Abzug von Streitkräften aus Syrien befohlen. (pa/dpa/EPA)
    Martin Zagatta: Wie bedeutsam dieser Abzug der russischen Luftwaffe ist, das lassen wir uns jetzt von Margarete Klein erläutern von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die russische Sicherheitspolitik. Guten Abend, Frau Klein.
    Margarete Klein: Guten Abend.
    Zagatta: Frau Klein, kommt dieser Rückzug für Sie jetzt überraschend, oder war der zu erwarten?
    Klein: Auf den ersten Blick ist es überraschend, aber die russische Seite hat ja immer wieder betont, dass dieser Einsatz zeitlich begrenzt sei und an ganz konkrete Ziele gebunden sei. Und wenn man jetzt die russische Kosten-Nutzen-Kalkulation zugrunde legt, dann ist es ein guter Zeitpunkt für Russland, um die Erfolge, die man erzielt hat, zu sichern und die Risiken einer möglichen weiteren tieferen Verstrickung in Syrien zu reduzieren. Und man kann sich nach innen und außen als Friedensfürst positionieren und zugleich auch Druck auf Assad ausüben, um russischen Forderungen entgegenzukommen und am Verhandlungstisch konzilianter vielleicht zu sein, und man übt auch den Druck auf die Opposition aus, ebenfalls Zugeständnisse in Genf zu machen.
    Man muss aber auch sagen, es ist nur ein Teilabzug und Russland kann jederzeit, wenn die Situation sich ändert, dies wieder rückgängig machen. Wir haben gesehen, wie schnell Russland auch Truppen und Gerät verlegen kann.
    "Sicherlich ist Assad in einer gestärkten Position"
    Zagatta: Wie kann denn Moskau, wie kann denn Putin jetzt davon sprechen, die Ziele seien erreicht, denn offiziell hat Moskau doch eingegriffen, um gegen Terroristen vorzugehen, vor allem gegen den sogenannten Islamischen Staat, und der ist ja nicht besiegt?
    Klein: Offiziell ist es, dass man den IS bekämpfen will und dass man die Gefahr islamistischer Rückkehrer nach Russland reduzieren will, und tatsächlich ist das auch wirklich ein sicherheitspolitisches Problem für Russland. Mehrere tausend Kämpfer vor allem aus dem Nordkaukasus, aber auch aus Zentralasien sind in Syrien aktiv. Einige davon hat man bekämpft, da kann man die russischen Zahlen jetzt schwer überprüfen. Aber letztendlich ging es um etwas anderes. Es ging darum, dass Assad Anfang 2015 in die Defensive geraten war, ein Sturz Assads möglich war und damit letztendlich der wichtigste Brückenkopf in der Region für Russlands Rückkehr in die Region eigentlich weg gewesen wäre. Und wenn man sich anguckt, was Russland in Syrien tatsächlich geschafft hat, ist es, Assad und damit auch Russland eine bessere Verhandlungsposition in Genf zu erkämpfen, und das ist das, was das Hauptziel war.
    Zagatta: Erschwert das dann die Friedensverhandlungen letztendlich nicht, wenn Assad jetzt mit russischer Hilfe wieder so fest im Sattel sitzt? Die Opposition und auch der Westen, die gehen ja davon aus, dass Assad gestürzt werden soll. Erschwert dies das letztendlich dann jetzt nicht bei den Verhandlungen?
    Klein: Da kann man unterschiedlich argumentieren. Sicherlich ist Assad in einer gestärkten Position, auch Russland in einer gestärkten Position bei diesen Verhandlungen. Andererseits ist aber jetzt auch das Kräfteverhältnis so, dass eigentlich keine der Seiten mehr wirklich auf einen militärischen Erfolg zielen kann, sozusagen im Sinne, dass man wirklich sich durchsetzen kann alleine in Syrien, und das mag wirklich auch bei allen Beteiligten vielleicht mit dazu führen, dass man sich an den Verhandlungstisch auch ernst setzt.
    "Die USA reden mit Russland wieder"
    Zagatta: Diesen Rückzug oder diesen Teilabzug, den soll Präsident Putin jetzt mit US-Präsident Obama sogar abgesprochen haben. Gibt es da jetzt wieder eine bessere Verständigung, denn als die Russen in Syrien eingegriffen haben, da ist das angeblich ja ohne jede Absprache erfolgt?
    Klein: Es ist so, dass eines dieser Ziele, das Russland mit dem Syrien-Einsatz verfolgt hat, wohl auch das ist, über Bande zu spielen, nämlich aus dieser Isolation durch den Westen herauszukommen, in die man durch die Ukraine-Kruse hineingeschlittert ist. Und die Hoffnung ist, dass man durch eine starke Position in Syrien wieder ein Akteur ist, der von den USA wahrgenommen wird, respektiert wird. Auch da hat man relativ viel erreicht. Die USA reden mit Russland wieder. Russland ist quasi der Co-Akteur bei dieser Frage des Waffenstillstandes geworfen. Das ist aber begrenzt auf Syrien. In Bezug auf die Ukraine hat sich die russische Hoffnung bis jetzt nicht erfüllt, dass man dort sozusagen westliche Zugeständnisse bekommt. Das sind auch zwei ganz unterschiedliche Konfliktfelder.
    Zagatta: Sie verfolgen ja die Friedensverhandlungen für Syrien auch sehr intensiv. Wenn Sie da heute eine Prognose abgeben müssten, gehen Sie davon aus, dass die erfolgreich sein können?
    Klein: Da fällt es mir schwer, eine Prognose abzugeben. Aber man kann sicherlich sagen, dass Assad deutlichen Druck Russlands spürt, hier auch entgegenzukommen. Ich denke, das ist auch ein Signal dieses Teilabzuges. Assad hat ja vor einigen Wochen davon gesprochen, dass es eine militärische Lösung geben könnte, dass er bis zum vollständigen Sieg kämpfen will. Er hat vorgezogene Parlamentswahlen angekündigt. All dies kann eigentlich nicht im russischen Interesse gewesen sein und das war sicherlich auch ein Disziplinierungsinstrument. Auch für die Opposition ist es jetzt so, dass sie unter Druck steht, wenn Russland sich zurückzieht, auch entgegenzukommen. Ich denke, die Ausgangslage ist vielleicht etwas besser. Aber eine Prognose ist schwer.
    Zagatta: Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Frau Klein, herzlichen Dank für das Gespräch.
    Klein: Danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.