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Tschechien
Der entgleisende Präsident

Er schimpft wie ein Rohrspatz - und das öffentlich. Tschechiens Präsident Milos Zeman steht derzeit deutlich in der Kritik. Spätestens seit seinem Radiointerview am vergangenen Sonntag fragen sich viele, ob dieser Präsident noch tragbar ist.

Von Stefan Heinlein | 05.11.2014
    Alle drei Monate – live am Sonntagnachmittag steht der Präsident dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Rede und Antwort. Eine Tradition seit den Tagen des Staatsgründers Tomas Masaryk. Doch an diesem Wochenende entgleist das Stundeninterview. Angesprochen auf seine weiche Linie gegenüber seinem russischen Amtskollegen Putin reagiert Milos Zeman weit unter der Gürtellinie.
    Korrupte russische Oligarchen wie Chodorkowski werde er niemals in Schutz nehmen. Auch die Mitglieder der Punkband "Pussy Riot" seien keine politischen Gefangenen, sondern in Wahrheit Prostituierte, die pornographische Texte und Handlungen öffentlich verbreiten.
    "Gossensprache" im öffentlich-rechtlichen Radio
    Milos Zeman fragt den Moderator, ob er eigentlich wisse, was der englische Begriff Pussy bedeute und übersetzt im gleichen Atemzug die Vokabel in vulgärster Gossensprache. Auch in der Folge verwendet der Präsident in fast allen Antworten Kraftausdrücke und beschimpft kritische Journalisten:
    "Der journalistische Mainstream ist bösartig und trostlos. Die meisten Kommentatoren kommen aus dem Mülleimer und gehören deshalb in die Latrine. Dafür habe ich nur Verachtung übrig."
    Tatsächlich ist der Präsident seit seinem Staatsbesuch in Peking Zielscheibe öffentlicher Kritik. Im chinesischen Staatsfernsehen hatte Zeman erklärt, er sei nicht nach Peking gekommen, um dort die Menschenrechtspolitik zu kritisieren, sondern um zu lernen wie man eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik gestalte und die Gesellschaft stabilisiere.
    Zeman im Privatjet eines Milliardärs
    Auch sein Rückflug aus Peking an Bord eines Privatjets eines tschechischen Milliardärs sorgt für heftige Kritik in allen politischen Lagern. Mittlerweile wird in Prag offen über die mögliche Abberufung des Präsidenten debattiert. Milos Zeman habe mit seiner Fäkalsprache das Präsidentenamt beschädigt, ließ Regierungschef Bohuslav Sobotaka mitteilen und auch sein Stellvertreter, Finanzminister Andrej Babis, ist tief empört:
    "Der Präsident repräsentiert unser Land. Seine Ausdrucksweise sorgt jedoch für ein schlechtes internationales Bild."
    Viele Tschechen jedoch empfinden mittlerweile für das Verhalten ihres Präsidenten nur noch Verachtung. In den kommenden Tagen haben Bürgerinitiativen zu Protesten aufgerufen. Im Internet ist unterdessen bereits der Zeman-Mix "Dirty Talking" ein Riesenerfolg.