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Tschechien
Erbitterter Streit um Reform der Mafia-Jäger

Im Rahmen einer Polizeireform wollen Tschechiens Sozialdemokraten Eliteeinheiten zur Korruptionsbekämpfung unter einem Dach vereinen. Die populistische ANO-Bewegung des Milliardärs und amtierenden Finanzministers Andrej Babis droht deshalb mit dem Bruch der Koalition. Doch genau gegen ihn laufen Ermittlungen wegen eines möglichen Missbrauchs von EU-Geldern.

Von Stefan Heinlein | 18.06.2016
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    Der tschechische Milliardär und Finanzminister Andrej Babis (picture alliance / dpa / Filip Singer)
    Andrej Babis ist einer der reichsten Männer Tschechiens. Auch politisch spielt der Milliardär als amtierender Finanzminister in der ersten Liga. Doch eigentlich hat der Vorsitzende der populistischen ANO-Bewegung keine Lust mehr auf das politische Tagesgeschäft in seiner Heimat:
    "Ich fühle mich nicht als Politiker. Für mich ist es der Tiefpunkt meiner Karriere, dass ich Minister in dieser Regierungskoalition bin."
    Grund für den aktuellen Polit-Frust des stellvertretenden Ministerpräsidenten sind die weitreichenden Pläne zur Polizeireform in Tschechien. Innenminister Chovanec will die beiden Elite-Einheiten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption unter einem Dach vereinen. Das Ziel sei mehr Effektivität um dunklen Geschäften auf die Spur zu kommen. Doch Andrej Babis wittert dahinter ein anderes Ziel: "Es geht in Wahrheit um die Liquidierung der Anti-Mafia-Polizei, die sehr erfolgreich war."
    Doch Innenminister Chovanec zeigt sich von dieser Kritik unbeeindruckt. Im Streit mit seinem Kabinettskollegen fährt der Sozialdemokrat schweres Geschütz auf. Andrej Babis wolle die Reformpläne verhindern, um weiter Einfluss auf die Arbeit der Ermittler nehmen zu können.
    "Wir wollen eine unabhängige Polizei. Sie darf nie zu einer Abteilung der Firmen von Andrej Babis werden. Derzeit laufen gegen ihn einige Ermittlungen. Er versucht deshalb die Reform zu verhindern. Die Polizei darf aber nicht Teil des politischen Spiels werden."
    Bruch der Koalition absehbar
    Tatsächlich gibt es derzeit Untersuchungen gegen das Firmenimperium von Andrej Babis. Sein Konzern soll in einigen Fällen zu Unrecht EU-Fördergelder erhalten haben. Ein Vorwurf gegen den sich der Finanzminister mit allen Mitteln wehrt. Auch ein Bruch der Koalition sei nicht mehr ausgeschlossen:
    "Ich fordere eine Verschiebung der Reform. Ansonsten ist der Koalitionsvertrag nur noch ein Fetzen Papier. Wir werden dann in der Koalition völlig freie Hand haben."
    Eine Drohung, die jedoch wenig Eindruck macht auf die Sozialdemokraten. Die Polizeireform wurde inzwischen ohne Änderungen auf den Weg gebracht. Vor seinem Abflug zu einer China-Reise zeigt Ministerpräsident Sobotka seinen Regierungspartnern die kalte Schulter:
    "Diese Reaktion ist nicht angemessen. Es gibt keinen Grund, die erfolgreiche Arbeit der Koalition zu beenden. Unser Partner sollte gut überlegen, ob das tatsächlich ein vernünftiger Schritt ist."
    Der Appell zeigt Wirkung. In den kommenden Tagen wollen sich die Streithähne wieder an einen Tisch setzen um über eine gemeinsame Zukunft zu beraten. Der Bruch der Mitte-Links-Koalition ist nach Meinung der meisten Beobachter in Prag dennoch nur noch eine Frage der Zeit.