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Tschechien
Schlechte Zeiten für investigativen Journalismus

In Tschechien recherchiert ein bekannter öffentlich-rechtlicher Enthüllungsjournalist Kritisches zu Ministerpräsident Andrej Babis – und wird dafür vom Rundfunkdirektor gerügt. Der Fall zeigt: Der politische Druck auf die Sender wächst.

Von Kilian Kirchgeßner | 13.02.2018
    Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis im Scheinwerferlicht.
    Andrej Babis: Seit Ende 2017 Tschechiens Ministerpräsident (picture alliance / Michaela Rihova/CTK/dpa)
    Der zeitliche Zusammenhang ist auffällig: Ausgerechnet als Andrej Babis Finanzminister war, soll der Agrarkonzern, den er aufgebaut hat, deutlich zu viele Agrarsubventionen bezogen haben. Das fanden Investigativ-Journalisten des öffentlich-rechtlichen Radios in Tschechien heraus.
    Aber mit ihrer Reportage eckten sie im eigenen Haus an. Harsche Kritik äußerte der Rundfunkdirektor Rene Zavoral: "Ich will keine Arbeit verteidigen, die objektiv gesehen in schlechter Qualität abgeliefert wurde. Sie enthält faktische Fehler, wie Gutachten und Analysen gezeigt haben. Die Form der Aufarbeitung war nicht gut, der Redakteur Janek Kroupa und seine Kollegen haben verbindliche Standards von öffentlich-rechtlichen Medien nicht beachtet."
    Diese Rüge sprach der Radio-Direktor auf einer öffentlichen Sitzung des tschechischen Rundfunkrats aus – und sah sich umgehend mit dem Vorwurf konfrontiert, in vorauseilendem Gehorsam kritische Berichte unterdrücken zu wollen. Der Autor des kritisierten Beitrags, der renommierte Enthüllungsjournalist Janek Kroupa, ging daraufhin seinerseits in die Offensive.
    Einem tschechischen Fernsehsender sagte er: "Wir führen keinen Feldzug gegen Andrej Babis. Wir haben Informationen gesammelt. Agrofert hat sich zu den Praktiken sogar bekannt. Unserem Rundfunkdirektor gefällt das nicht. Das ist für mich alles. Mehr steckt da meiner Meinung nach nicht dahinter."
    Der tschechische Milliardär Babis hat mit seiner ANO-Partei die Parlamentswahl gewonnen - Foto vom 21. Oktober 2017 
    "Wir führen keinen Feldzug gegen Andrej Babis." (dpa/AP Photo/Petr David Josek)
    Der Schlagabtausch hatte zur Folge, dass sich Dutzende Redakteure des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem Enthüllungsjournalisten solidarisierten. Der Streit um einen konkreten Beitrag wurde damit zu einer Art Präzedenzfall, in dem sich viel aufgestaute Verunsicherung entlud – so urteilt Adam Cerny, Vorsitzender des tschechischen Journalistenverbands. "Schon längere Zeit beobachte ich, dass sowohl auf das Fernsehen als auch auf den Rundfunk politischer Druck ausgeübt wird. Das ist vermutlich immer so, wenn Politiker und Journalisten aufeinandertreffen – aber es geht um die Intensität, und die wird immer größer."
    Nervöse Medienmacher
    Tatsächlich beziehen einige tschechische Politiker immer wieder Stellung gegen den Rundfunk. Vor allem aus den Reihen der populistischen Parteien wird er als voreingenommen gebrandmarkt. Premierminister Andrej Babis ist dabei keine Ausnahme: Er bezeichnet Enthüllungsgeschichten regelmäßig als gezielte Kampagne gegen seine Person und versucht dadurch offenbar, von den eigentlichen Enthüllungen abzulenken. Und eine rechtsnationale Partei, die bei den Wahlen im Herbst erstmals ins Abgeordnetenhaus eingezogen ist, spricht sich sogar für die Verstaatlichung der öffentlich-rechtlichen Sender aus.
    Sie sollten direkt aus dem Staatshaushalt finanziert werden statt, wie bislang, über eine Rundfunkgebühr. Adam Cerny vom Journalistenverband spricht von einem latenten Druck: "Und wenn dann noch jedes Mal zusätzlich eine Debatte dazukommt, wenn eine kritische Reportage über einen hohen Politiker ausgestrahlt wird – dann ist klar, dass die Leute in den Medien nervös werden. Sie haben den Eindruck, dass sie unter Druck geraten, und das völlig zu Recht."
    Nicht mehr viele Investigativ-Abteilungen
    Bei der Reportage über die Agrarsubventionen ist der Rundfunk-Direktor inzwischen zurückgerudert und hat einige seiner scharfen Kritikpunkte revidiert. Ein wichtiges Signal, wie Branchenkenner urteilen. Denn interne Streitereien würden nur den Widersachern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die Hände spielen.
    Wichtig sei jetzt vor allem, dass die investigativen Journalisten weiter ihre Arbeit machen, sagt Adam Cerny. Denn außer in den öffentlich-rechtlichen Medien gibt es nicht mehr viele Investigativ-Abteilungen: "Seit zehn Jahren werden überall die Redaktionsetats ständig gekürzt. Das sind keine guten Bedingungen für investigative Reporter, die langfristig arbeiten. Das ist das größte Problem, ganz abgesehen vom politischen Druck, heikle Themen lieber nicht anzufassen."
    Die Schlacht sei nicht verloren, urteilt Adam Cerny. Aber die Zeiten für investigativen Journalismus seien schlechter als noch vor einigen Jahren.