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Tschechische Sprache
Frauen wehren sich gegen weibliche Namensform

Im Tschechischen wird der Nachname einer Frau dem ihres Vaters oder ihres Ehemanns zugeordnet – mit der Nachsilbe -ovà. Dagegen wehren sich Tschechinnen. Abgeordnete unterstützen sie mit einem entsprechenden Gesetzesentwurf.

von Kilian Kirchgeßner | 25.09.2019
Auf manchen Standesämtern in Tschechien fragen rund ein Viertel der Frauen nach, ob sie den Nachnamen ihres Ehemannes auch ohne weibliche Endung annehmen können.
Auf manchen Standesämtern in Tschechien fragen rund ein Viertel der Frauen nach, ob sie den Nachnamen ihres Ehemannes auch ohne weibliche Endung annehmen können. (imago / Westend61)
Selbst Staatsgäste aus dem Ausland verändern in Tschechien ihren Namen – ob sie nun aus Deutschland kommen, ein wichtiges Amt in der Europäischen Union anstreben wie Ursula von der Leyen oder frühere US-Außenministerin sind wie Hillary Clinton.
Eine spezifische weibliche Namensform gibt es in allen slawischen Sprachen – ein Phänomen, das seinen Ursprung irgendwann im 15. Jahrhundert hat, sagt die Sprachwissenschaftlerin Marketa Pravdova von der Akademie der Wissenschaften in Prag.
Mit der Namensform wird eine Frau einem Mann zugeordnet
"Das entstand so, dass die Frauen sich einem Mann angeeignet hatten – ihrem Ehemann oder ihrem Vater. Nehmen wir den Namen Schmied, auf Tschechisch Kovar. Die Frau Kovarova war entweder die Frau des Schmieds oder die Tochter des Schmieds."
Diese ursprüngliche Bedeutung, die Zuordnung zu einem Mann, stößt bei vielen tschechischen Frauen heute auf Unverständnis. Eine Gruppe von Abgeordneten will deshalb jetzt das Gesetz ändern; die Initiative geht von Ondrej Profant aus – einem Parlamentarier von der Piraten-Partei.
"Das ist ein Thema, von dem wir wissen, dass es manche Frauen sehr beschäftigt. Und die bekommen die Wahlfreiheit. Das Interesse ist groß, und das Gesetz behindert die Frauen völlig überflüssigerweise."
Nachfragen auf tschechischen Standesämtern
Tatsächlich gibt es in Tschechien Standesämter, bei denen fast ein Viertel der Frauen bei Hochzeiten zwar den Namen ihres Mannes annehmen möchte, aber eben ohne die weibliche Endung. Die Nachfrage steige immer weiter, beobachten Standesbeamten – vor allem in Prag, aber auch in ländlichen Regionen werde immer häufiger ein entsprechender Antrag gestellt. Die Bedingungen sind derzeit allerdings noch restriktiv, sagt Anna Palasova, eine Standesbeamtin aus Prag:
"Die Antragstellerin muss entweder Ausländerin sein, sich dauerhaft im Ausland aufhalten, einen ausländischen Mann haben oder einer Minderheit angehören."
Und wie sehen die Tschechinnen selbst die Debatte? Eine 35-jährige Kellnerin sagt entschieden: "Ich bin dafür, dass die Nachsilbe nicht mehr benutzt wird, wenn die Frauen das nicht wollen. Das ist doch eine Frage an den freien Willen von jeder einzelnen."
Eine Rentnerin hingegen plädiert gegen eine Änderung: "Ich finde es falsch zu sagen, dass sich eine Frau mit der Nachsilbe –ova dem Mann unterordnet. Im Gegenteil: Wenn sie das –ova weglässt, vernachlässigt sie dadurch ihre Weiblichkeit."
Auch männliche Namen werden angepasst
Sprachwissenschaftlerin Marketa Pravdova von der Akademie der Wissenschaften will den Blick der Öffentlichkeit gern auf die linguistischen Feinheiten richten, ganz unabhängig von den gesellschaftlichen Hintergründen:
"Das ist ein sprachliches Problem: Kein Sprachwissenschaftler spricht den Frauen das Recht ab, sich so zu nennen, wie sie wollen – das ist eine Frage der Politik. Wir können nur vorhersagen, was es mit der Sprache machen würde. Und sie ist nicht dafür vorbereitet, Namen nicht zu deklinieren."
Tatsächlich werden im Tschechischen nicht nur weibliche, sondern auch männliche Namen dekliniert – sie haben also zum Beispiel im Akkusativ oder Dativ eine völlig andere Form. Man müsse vor einer Gesetzesänderung deshalb auch klären, wie man die Sprache weiterentwickeln wolle, mahnt Wissenschaftlerin Marketa Pravdova:
"Der Sinn der sogenannten Movierung, also der weiblichen Form, ist es, sich vor uneindeutigen Sätzen und Missverständnissen zu schützen. Die tschechische Sprache hat einen freien Satzbau, und durch die Movierung ist klar, welche Funktion der konkrete Name im Satz hat."
Das Prager Parlament will noch in diesem Jahr über den Gesetzentwurf entscheiden, der Ausgang der Abstimmung ist völlig offen.