Freitag, 29. März 2024

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Tschentscher (SPD) zu Klimapaket
"Auf jeden Fall ein Fortschritt"

Der Erste Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat das Klimaschutzpaket verteidigt. Erstmals habe sich eine Bundesregierung konsequent mit allen Sektoren befasst, um den Klimaschutz voranzubringen, sagte Tschentscher im Dlf. Nur wenn es ums Steuerrecht gehe, müsse nachgebessert werden.

Peter Tschentscher im Gespräch mit Christiane Kaess | 29.11.2019
Der neue Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) im Rathaus.
Der neue Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) im Rathaus. (dpa-Bildfunk / Axel Heimken)
Christiane Kaess: Ein CO2-Preis soll künftig dafür sorgen, dass Benzin oder Heizöl teurer werden. Der Kauf von Elektroautos soll noch stärker finanziell unterstützt werden, genauso wie das klimafreundliche Sanieren von Häusern und der Austausch alter Ölheizungen. Alles Punkte des Klimaschutzgesetzes, auf das sich die Bundesregierung im September verständigt hat. Es soll der Fahrplan werden, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Die Parlamentarier im Bundestag haben dem Klimaschutzgesetz bereits zugestimmt. Experten glauben allerdings nicht, dass die Maßnahmen ausreichen, und auch die Bundesländer haben einige Kritik daran. Damit werden sie sich heute im Bundesrat Gehör verschaffen.
Ich kann darüber jetzt sprechen mit Peter Tschentscher von der SPD, Erster Bürgermeister und Präsident des Senats in Hamburg. Guten Morgen!
Peter Tschentscher: Guten Morgen!
"Drei dieser vier Gesetze werden nicht im Vermittlungsverfahren landen"
Kaess: Hamburg wird von einer rot-grünen Koalition regiert und in knapp drei Monaten sind bei Ihnen Bürgerschaftswahlen. Wie wird sich denn die Landesregierung im Bundesrat verhalten?
Tschentscher: Wir werden natürlich mit beraten, und es ist so, dass von diesen vier Gesetzen, die jetzt zur Beratung stehen, drei so sind, dass wir sie nicht in den Vermittlungsausschuss geben wollen, sondern wie alle anderen SPD-geführten Länder sagen wir, das ist ein Paket, das jetzt mal umgesetzt werden muss, damit es überhaupt vorankommt.
Kaess: Und die Grünen gehen da mit?
Tschentscher: Nein! Das ist ja keine Entscheidung, die jetzt durch die Landesregierung getroffen wird, sondern es gibt keine Mehrheit dafür, diese Gesetze in den Vermittlungsausschuss zu geben. So ist jedenfalls meine Einschätzung. Wir wissen jetzt noch nicht, was nachher im Bundesrat wirklich abgestimmt wird, aber das ist erst mal meine Einschätzung, dass drei dieser vier Gesetze nicht im Vermittlungsverfahren landen und damit dann auch in Kraft treten können. Und das sind ja wichtige Punkte, die dort drinstehen. Da geht es ja schon um die Förderung der E-Mobilität, um die Regelungen für den Bau von Bahntrassen, um die Förderung des Nahverkehrs in den Kommunen. Dort hat die Bundesregierung ja ziemlich hohe Milliardenbeträge angekündigt. Es geht um die Verteuerung des Fliegens und vieler Dinge, die eigentlich unstrittig sind und aus denen wir heraus auch sagen, das Klimaschutzpaket ist aus Sicht einiger vielleicht nicht ausreichend, aber es ist schon ein sehr großer Schritt – das erste Mal, dass eine Bundesregierung sich so konsequent mit allen Sektoren befasst und den Klimaschutz voranbringt.
"Brauchen eine Vereinbarung über den Ausgleich der finanziellen Mittel"
Kaess: Ja, Herr Tschentscher, und da wird es dann offenbar vorangehen bei den Punkten, die Sie genannt haben. Brauchen Sie denn den Vermittlungsausschuss?
Tschentscher: Bei diesen drei Gesetzen nicht. Wir wollen ein Gesetz – das ist auch schon vor geraumer Zeit vereinbart worden zwischen den Ländern, insbesondere zwischen den Ministerpräsidenten der Länder -, wir wollen das Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms im Steuerrecht. Dort möchten wir gerne im Vermittlungsausschuss über die Frage sprechen, wie die Lasten aus diesem Gesetz – das ist ja eben schon in Ihrem Beitrag erwähnt worden, dass es hier auch zu Steuerausfällen kommt, wenn steuerliche Förderungen von energetischer Gebäudesanierung erfolgen, oder bei der Vergünstigung von Bahnfahrten. Diese Ausfälle betreffen teilweise auch die Länder, sodass wir sagen, wir brauchen noch einmal eine klare Vereinbarung über den Ausgleich dieser finanziellen Mittel. Denn die Länder müssen ja auch eigene Anstrengungen noch unternehmen, um den Klimaschutz voranzubringen.
Kaess: Es geht ums Geld, und das ist es Ihnen wert, es hinauszuzögern, dass Deutschland seinen Klimazielen näherkommt?
Tschentscher: Nein, wir zögern gar nichts raus, sondern wir wollen jetzt sehr schnell möglichst, aus meiner Sicht noch bis Weihnachten eine solche Vereinbarung herstellen, damit das Gesetz dann …
Kaess: Aber der Vermittlungsausschuss bedeutet ja erst einmal eine Verzögerung.
Tschentscher: Ja, um hoffentlich nur wenige Wochen, wie gesagt bis Ende des Jahres. Diese Gesetze sollen ja überwiegend zum 1. Januar nächsten Jahres in Kraft treten und ich sehe, wenn wir es tatsächlich wollen, eine gute Möglichkeit, das bis Ende des Jahres hinzubekommen.
"Diese Gesetze müssen aus meiner Sicht in Kraft treten"
Kaess: Das ist die Frage, und es gibt ja auch die Sorge, gerade bei der Bundesumweltministerin Svenja Schulze, die auch von der SPD ist und jetzt noch mal dieses Argument geliefert hat und noch mal darauf verwiesen hat, dass in Madrid am Montag der UN-Klimagipfel beginnt und dass das kein gutes Signal ist, das Deutschland da aussendet, wenn Deutschland glaubwürdig auftreten möchte, dass dieses Klimaschutzgesetz jetzt nicht vorankommt.
Tschentscher: Ja, das ist ja auch ein Thema. Deswegen haben wir relativ früh gesagt, wir wollen mit der Bundesregierung über diesen Punkt sprechen. Es gibt ja eine ganz andere Gefahr: Es gibt ja eine Haltung der Grünen bundesweit, so eine Blockadehaltung für Deutschland einzunehmen. Das heißt, wir werden Anträge bekommen, alle Gesetze ins Vermittlungsverfahren zu geben und dann grundlegend über alles zu reden, und da muss ich schon sagen, das ist etwas, was ich nicht für richtig halte. Es gibt jetzt großen Fortschritt in Punkten, die unstrittig sind, und deswegen müssen diese Gesetze aus meiner Sicht auch in Kraft treten. Dort ist eher eine Verzögerungstaktik zu erkennen, von der ich aber nicht glaube, dass die sich durchsetzt.
Kaess: Dafür haben ja die Grünen ihre Gründe. Da geht es um den CO2-Preis, von dem die Grünen so, wie er jetzt beschlossen ist, nicht glauben, dass das eine Lenkungswirkung haben wird, und das sagen ja auch alle Experten. Ist das nicht begründet?
Tschentscher: Es ist so, dass Experten Einschätzungen haben, aber es gibt hier ja eine klare Einschätzung, dass es jetzt darauf ankommt, einen Pfad zur Einführung eines CO2-Preises von am Ende in mehreren Stufen 40 Euro pro Tonne einzuführen, und das ist die Idee der Bundesregierung zu sagen, es muss jetzt allen klar sein, wenn sie eine nächste Entscheidung treffen, zum Beispiel ein neues Auto beschaffen, oder eine Ölheizung möglicherweise noch hätten umrüsten wollen demnächst, dass man jetzt schon weiß, das ist eine Entscheidung, die man nicht treffen sollte, sondern jetzt soll die Lenkungswirkung sofort beginnen, indem wir diesen Pfad gesetzlich fixieren. Damit wissen alle, was auf sie zukommt, können sich aber auch darauf einstellen. Das ist ja das Kernargument zu sagen, die Lenkungswirkung tritt ja nur dann ein, wenn eine Verhaltensänderung auch möglich ist. Deswegen ist diese Idee so gestaltet, dass es jetzt einen gesetzlichen Rahmen gibt, um den CO2-Preis Jahr für Jahr zu erhöhen.
"Die Lenkungswirkung aller Maßnahmen ist schon sehr groß"
Kaess: Aber die Zweifel, Herr Tschentscher, daran sind groß, ob das bei diesem niedrigen Preis überhaupt irgendetwas bringt. Kann es sein, dass die SPD nicht noch mal über einen höheren CO2-Preis sprechen will – aus Sorge, das werde dann alles noch sozial ungerechter, und dann ist es auch egal, ob das für den Klimaschutz etwas bringt oder nicht?
Tschentscher: Es sind sich ziemlich viele Menschen sicher, dass die Lenkungswirkung der Kombination aller Maßnahmen schon sehr groß ist. Es geht ja darum, dass auf der anderen Seite die Entscheidungen, die getroffen werden können, auch steuerlich gefördert werden. Das heißt, es ist ja ein Paket. Selbst wenn diese Befürchtung eintritt, die einige haben, ist klar geregelt, gesetzlich fixiert, dass dann weitere Maßnahmen zu erfolgen haben, und das würde möglicherweise auch dazu führen, dass man an der CO2-Preisentwicklung noch mal was ändert. Momentan geht es ja darum, dass wir vorankommen, dass endlich aus dem Reden ein Handeln entsteht, und dazu liegen jetzt vier Gesetze vor, die, wie man es auch immer sieht, auf jeden Fall einen Fortschritt bedeuten. Deswegen bin ich der Auffassung, wir sollten jetzt nicht weiter blockieren, sondern die Gesetze möglichst bald in Kraft treten lassen. Dazu gehört, dass es in diesem einen Punkt, wo es um das Steuerrecht geht, klare Vereinbarungen dazu gibt, dass den Ländern auch die Möglichkeit gegeben wird, das auszugleichen. Und vor allem – auch das ist ja ein Punkt, der uns in Hamburg wichtig ist -, wir werden ja eigene Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, und auch die sind natürlich mit finanziellen Aufwendungen verbunden, die wir dann auch leisten wollen.
"Wir haben ein großes Potenzial der Windenergie"
Kaess: Herr Tschentscher, schauen wir zum Schluss noch auf das Thema Windkraft. Sie gehen heute mit einigen Ministerpräsidenten-Kollegen vor die Presse und wollen sich dazu äußern. Was wird Ihr Hauptpunkt sein?
Tschentscher: Es geht ja darum, dass die Windenergie eingebrochen ist. Der Aufbau neuer Windenergieanlagen ist in diesem Jahr dramatisch zurückgegangen, was eine Reihe an Gründen hat, die wir zusammengestellt haben, um von Norden aus – wir haben ja ein großes Potenzial der Windenergie – auf die Bundesregierung, auf die Kanzlerin noch einmal zuzugehen und zu sagen, was sich ändern muss, damit wir an dieser Schlüsseltechnologie für die Energiewende – vieles beruht ja darauf, dass wir …
Kaess: Was hat die Bundesregierung da falsch gemacht?
Tschentscher: Momentan sehen wir jedenfalls, dass das Bundeswirtschaftsministerium nicht vorankommt mit den Regelungen, die wir zum Beispiel brauchen, um die Windenergie dann auch zu nutzen, die wir im Norden haben. Wir wollen ja die Sektorkoppelung voranbringen, grünen Strom nicht nur wie bisher als Strom verwenden, sondern ihn einsetzen in den Sektoren Verkehr und Gebäude, Heizung, indem wir den Strom umwandeln in Wärme oder auch in Wasserstoff und andere Energieträger wie LNG und Kerosin. Diese technisch möglichen Nutzungen von grünem Strom für klimaneutralen Wasserstoff, Antrieb von Fahrzeugen, oder auch in der Industrie, das sind Dinge, die derzeit quasi wirtschaftlich unmöglich gemacht werden, weil wir kein sinnvolles Regulierungssystem und keine Förderung für solche Fortschrittsprojekte haben.
Dazu kommt, dass wir ja alle wissen, dass die Windenergieanlagen derzeit sehr schwer zu errichten sind. Wir wünschen uns mehr Ausschreibungsvolumen, mehr Möglichkeiten, solche Energieanlagen zu errichten, und zugleich diesen Strom auch sinnvoll netzdienlich, wie man sagt, so einzusetzen, dass er nicht plötzlich als Überschuss auch noch abgeriegelt wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.