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Tschetscheniens Wunden bluten

Auch nach dem Tod des Ex-Präsidenten Maschadow geht der Terror in Tschetschenien weiter, während Moskaus Einfluss schwindet. Es herrschen Korruption und Willkür, doch irgendwie versuchen die Menschen, ihr Leben in der zerschundenen Region zu meistern. Tschetscheniens Wunden bluten. Eine Heilung ist noch lange nicht in Sicht.

Von Hermann Krause | 06.04.2005
    Der Schnee dieses Winters ist geschmolzen und die Tristheit der Dörfer ist offensichtlich. Auch die Landschaft mit ihren braunen Äckern, den nicht bestellten Feldern und den kargen Büschen in diesem Teil Tschetscheniens wirkt traurig und verlassen. Mit dem Bus geht die Fahrt von Mosdok an der Grenze im Nord-Westen Tschetscheniens nach Grosny. Überall liegen verstreut Wrackteile herum, verbrannte Autos, Abfall, Müll, das Land wirkt verwahrlost. Die Menschen hier scheinen sich zu verstecken. So sind die flachen Häuser mit ihren großen Innenhöfen von hohen Mauern und schweren Eisentoren umgeben. Denn noch sind es die Dörfer, die sich langsam zu erholen scheinen. Im Frühling, wenn die Bäume Knospen tragen, wird hier wieder langsam das dörfliche Leben einkehren. Schliesslich war Tschetschenien einmal eine der schönste Republiken des Kaukasus.

    Je näher man aber Grosny kommt, desto deutlicher werden die Spuren des Krieges. Zerbombte Häuser, ausgebrannte Wohnungen, wie Skelette ragen sie in den Himmel. In Ruinen versuchen die Menschen zu leben, zwischen Trümmern und Trauer, in Kellern, in halbzerstörten Treppenhäusern. Vor den zerbombten Häusern, neben Bergen aus Schutt gibt es kleine Anzeichen von Handel. Marktstände sind aufgebaut, verkauft wird Obst, Brot oder Wurst, Cola oder Limonade.

    Das Elend der Menschen ist offensichtlich, aber irgendwie versuchen sie sich einzurichten, das Leben in dieser zerschundenen Stadt zu meistern. Natürlich gibt es mittlerweile auch Häuser, die neu gebaut wurden, für die Neureichen oder die vielen Regierungsvertreter. Auf dem zentralen Platz der Stadt treffen sich am Nachmittag junge Leute; man flaniert, lässt sich fotografieren, versucht ein wenig dem grauen Alltag zu entrinnen, aber dies gelingt kaum.

    ""Du kannst hier entlanggehen und lachen, aber morgen können sie dich umbringen. Sie können dich einfach abführen. Und alle werden weiter lächeln, aber keiner wird sich darum kümmern, dass du tot bist. Es gibt hier kein Gesetz, das gilt. Oben, auf der Regierungsebene, da werden sie Dich immer auslachen, aber was unten passiert, das zeigt keiner,"

    erklärt einer der Händler auf dem Platz. Korruption ist in Russland üblich, das Maß der Korruption, das in Tschetschenien herrscht, aber ist kaum zu überbieten.

    Die Machtstrukturen in Tschetschenien sind schwer durchschaubar. Die russische Armee ist mit 40 000 Soldaten vertreten, hinzu kommen Einheiten des Innenministeriums und des Geheimdienstes FSB, insgesamt mindestens 60 000 Mann. Die Regierung, eingesetzt vom Kreml, ist vom Volk weit entfernt. Hinzu kommt der Hass auf die russische Armee, die von vielen als Besetzer wahrgenommen wird und die bittere Armut. Wurzeln eines Mitmachterrorismus, wie die Journalistin Irina schildert:

    "Wenn sich einer findet, und 1 000 Dollar bietet, dafür das ein Sprengsatz gelegt wird, dann gibt es Jugendliche, die dazu bereit sind. Wer Hunger hat, für den ist das viel Geld. Mit Ideologie hat das nichts zu tun. Und zudem haben die Jungs das Gefühl, sie würden den Feind bekämpfen und vernichten. Das Geld geben diejenigen, die schon in den Bergen sind. Sie suchen sich dann die aus, denen es schlecht geht und die schon einiges durchgemacht haben. Solche Leute wollen Vergeltung üben."

    Das Militär ist überall präsent. An den Einfahrtstraßen stehen Panzer und Panzerwagen, Posten haben sich verbarrikadiert, hinter Stacheldraht und Erdwällen. An jeder wichtigen Kreuzung sind Holzverschläge aufgebaut mit Schiessscharten und bewaffneten Posten. Am meisten bewacht wird das Regierungsgebäude, im Dezember 2003 wurde ein Anschlag verübt. Ein mit Sprengstoff beladener LKW konnte bis vor die Verwaltung fahren, ein Selbstmordattentäter riss über 40 Menschen mit in den Tod. Der jetzige Präsident Tschetscheniens Alu Alchanow gilt als Erfüllungsgehilfe Moskaus.

    "Den Weg, den unser Volk am 23. März des Jahres 2003 gewählt hat, der hat sich nicht geändert. Der politische Kurs ist vom ersten tschetschenischen Präsidenten vorgegeben worden, von Achmed Kadyrow und dieser Kurs wird von Wladimir Putin unterstützt.Und and diesem Kurs wird sich auch nicht ändern."

    Alchanow, der früher Innenminister war und somit Mitverantwortung für die vielen Entführungen trägt, bezieht sich auf das Referendum von 2003. Darin hatten die Tschetschenen einer von Moskau vorgegeben Verfassung zugestimmt. Der Ausgang des Referendums war allerdings genauso gefälscht wie die nachfolgenden Wahlen. Im Herbst 2003 wurde Achmed Kadyrow gewählt. Auch diese Abstimmung war manipuliert. Am 9. Mai des letzten Jahres kam Kadyrow, der es wagte, nicht immer die Forderungen Moskaus zu erfüllen, dann auf mysteriöse Weise um. Bei einem Sprengstoffanschlag im Fußballstadion von Grosny, von denen viele glauben, dass ihn nur der russsiche Geheimdienst verüben konnte. Kurze Zeit später schlug Vladimir Putin dann Alchanow als Kandidat vor - dieser wurde natürlich gewählt, mit überragender Mehrheit, auch diese Wahlen waren gefälscht. Die Forderungen des Westens, mit den Terroristen zu verhandeln, lehnt auch Alchanow ab:

    "Für mich ist es sehr interessant, diese Leute zu fragen, die behaupten, sie kennen die Situation in unserer Republik. Haben sie einmal mit einfachen Tschetschenen gesprochen? Sie kennen nicht ihre Wünsche, ihre Launen, ihre Vorstellungen."

    Das wichtigste Thema zur Zeit in Tschetschenien aber ist der seltsame Tod von Aslan Maschadow, dem 1997 frei gewählten Präsidenten. Wen immer man in Grosny fragt, Maschadow genoss und genießt hohes Ansehen. Im Januar 1997 wurde er mit 59% der Stimmen gewählt, auch für die Tschetschenen war er so etwas wie eine Symbolfigur des Widerstandes. Die Journalistin Irina:

    "Die Zahl derjenigen, die mit der Situation nicht zufrieden sind, hat sich seit dem Tode Maschadows verdreifacht. Selbst die einstigen Gegner Maschadows haben ihre Meinung geändert. Wie kann man im Fernsehen solche Bilder zeigen? Einen ehemaligen Präsidenten, der halbnackt tot auf der Erde liegt. Und dann sagt Ramsan Kadyrow, das ist ein Geschenk für alle Frauen zum Weltfrauentag. Nach solchen Worten kann man doch diesen Menschen nur noch hassen."

    Der Kreml hingegen und auch die jetzige tschetschenischen Führung verteufelt Maschadow und stellt ihn auf eine Stufe mit dem schrecklichsten aller Terroristen, mit Schamil Basayev. Er ist mittlerweile "Feind Nr.1" des Kreml und der tschetschenischen Führung. Wie weit sich die Politik vom einfachen Volk entfernt hat, zeigt sich, wenn man die Leute auf der Strasse nach Maschadow fragt:

    "Maschadows lieben wir und werden wir weiter lieben. Es war ein guter Mensch, und jetzt geben sie seinen Leichnam nicht raus, das ist das Schlimmste. Das ganze Volk ist dagegen. Einen Toten muss man doch zur Beerdigung den Verwandten übergeben. Es ist eine Schande."

    Der russischen Gesetzgebung entsprechend werden die sterblichen Überreste eines Terroristen an einem geheimen Ort vergraben. Für Tschetschenen ein große Beleidigung, ein Zeichen dafür, wie wenig sich Moskau oder die jetzige Regierung um das Volk schert.

    "Um den Menschen ist es mir schade. Er war unser Präsident und die Leute haben ihn gewählt. Er war auch Offizier. Er hat Putin um eine halbe Stunde gebeten, um Gespräche zu führen, mehr nicht, aber das wurde abgelehnt. Gib mir fünf Minuten, dann werden wir Frieden haben, hat er gesagt. Und jetzt hat man ihn umgebracht."

    Dass Maschadows sich in dem Ort Tolstoi Jurt aufgehalten haben soll, in einem Bunker, das halten die meisten für eine erfundende Geschichte. Dieses Tolstoi Jurt ist ein verlassenes Nest, ein Dorf mit einer Schule, einem Verwaltunsgebäude und vielen Bauernhäusern. Dort, wo sich Maschadow versteckt haben soll, sind nur noch Trümmer zu sehen, das Haus der Familie Jusupuv wurde vom Geheimdienst in die Luft gesprengt, weil es angeblich vermint war. Maschadow ist irgendwo anders getötet worden, sagen hier alle. Dann hat man seine Leiche hierhergebracht und eine Propagandaschlacht entfesselt. Ein unwürdiges Schauspiel, aber typisch für die Situation in Tscheschenien. Die Menschen werden getäuscht und belogen. Der Besitzer des Hauses, ein einfacher Mann, ist verschwunden, die Staatsanwaltschaft behauptet, er hätte die Terroristen geschützt. Dazu der Iman, das geistliche Oberhaupt des Dorfes:


    "Sie haben ihn hierher gebracht. Wenn sie sich einen Menschen anschauen, der gerade gestorben ist, dann sieht der Leichnam doch anders aus. Bei Maschadows ist der Tod schon lange vorher eingetreten."

    In Tschetschenien ist immer wieder die Rede von den "Kadyrowzy", dass sind die Soldaten, die Ramsan Kadyrow unterstehen und sich oft außerhalb der Legalität bewegen. Ramsan ist der Sohn des Präsidenten Achmed Kadyrow, der bei dem Attenat am 9. Mai des letzten Jahres in Grosny im Fußballstadion ums Leben kam, ein schwer einzuschätzender junger Mann. Seine Soldateska wird auf 5000 bis 6000 Mann geschätzt, darunter auch ehemalige Rebellen, die ihre Waffen abgaben und jetzt Ramsan dienen. In Tschetschenien bewegen sie sich wie eine eigene herrschende Klasse, auch sie sollen an Entführungen und Erpressungen teilgenommen haben:

    "Meinen sie die Helsinki-Gruppe, die mich beschuldigt? Das sind doch Kleinigkeiten, was die sagen. Als hätte ich Gefangene im Keller oder irgendwo. Das ist eine Beleidigung mir gegenüber. Ich möchte sie vor Gericht stellen, denn sie behaupten, ich lasse Leute verschwinden,"

    so Ramsan. Er residiert in Gudermes, dort hat er sich ein eigenes kleines Städtchen aufgebaut, Hotels, Sporthallen, ein Verwaltungsgebäude, ein Juweliergeschäft. Eigene Wachen schirmen ihn ab, schwerbewaffnete junge Männer, selbst die Soldaten des Innenministeriums haben hier keinen Zugang. Vor einigen Monaten habe er Maschadow einen Posten als Kommandanten angeboten, dieser solle helfen, Verhandlungen mit den Terroristen zu führen. Dann aber hieß es, Ramsan habe damit begonnen, Verwandte von Maschadow zu entführen. Eine Prozedur, die für den jungen Kadyrow durchaus üblich zu sein scheint:

    "In erster Linie arbeiten wir mit den Verwandten derjenigen, die in die Berge gegangen sind. Damit sie zurückkommen und ihre Waffen abgeben. Wenn das einer nicht versteht, dann führen wir eine Spezialoperation durch, holen ihn uns und übergeben ihn der Staatsanwaltschaft. Wer Widerstand leistet, den vernichten wir, wie das auch in anderen Ländern üblich ist."

    Ramsan ist von Wladimir Putin zum stellvertretenden Regierungschef in Tschetschenien ernannt worden und zuständig für die Sicherheit. Als ein Oberst des militärischen Abwehrdienstes Ramsan kürzlich fragte, ob er die Entführungen der Verwandten von Maschadow angeordnet hätte, bejahte dieser das. Jetzt hört es sich so an:

    "Was ist mit den Verwandten von Maschadow passiert? Wir suchen sie. Fünf Jahre hat man sie nicht angerüht und in Ruhe gelassen. Ich glaube, dass Basayev sie entführt hat. Also fragen sie den doch. Sie leben und werden weiterleben. Aber wo, das weiß ich doch nicht. Denen geht es bestimmt besser als den anderen."
    Vermutet wird, dass sich Maschadow ergeben hat, damit seine Verwandten freigelassen werden. Ein ähnlicher Fall ereignete sich Ende des Jahres. Über 30 Mitglieder der Familie des Verteidigungsministers von Maschadow, der ebenfalls im Untergrund lebte, wurden entführt und gefoltert, der Verteidigungsminister ergab sich schließlich. Dass es bei Maschadow jetzt nicht anders war, vermuten viele, nur wurde dieser in eine Falle gelockt und erschossen, wird vermutet.

    Die russische Gerichtsbarkeit würde das Ganze voraussichtlich sanktionieren. So hatte Generalstaatsanwalt Ustinow nach der Tragödie von Beslan öffentlich erklärt, er wäre damit einverstanden, wenn im Fall einer Geiselnahme auch die Verwandten der Terroisten als Geiseln genommen würde. Offiziell ist die Zahl der Entführungen in Tschetschenien mittlerweile rückläufig, aber dennoch verschwinden immer noch junge Männer:

    "Sie schlagen zusammen, sie morden bis jetzt. Sie fragen nach keiner Erlaubnis. Wohin unsere jungen Männer gebracht werden, das wissen wir nicht. Hier in diesem Haus ist es passiert, aber auch woanders, wir haben ja keine Waffen, um uns zu wehren. Sie klopfen an die Tür, wir öffnen und dann werden sie weggebracht."

    Die Menschenrechtsorganisation "Memorial" hat im letzten Jahr an die 400 Fälle registriert, in Wirklichkeit sind es vermutlich mehr. In irgendeiner Weise ist jede Familie betroffen. Was in den abgelegenen Dörfern Tschetscheniens in den Bergen geschieht ist völlig unbekannt. Dorthin lässt das Militär keine Journalisten und auch keine Beobachteter. "Satschistki", die Säuberungen, sie finden besonders statt, wenn irgendwo in Russland wieder ein Terrorakt verübt wird. Von Tschetschenen oder wenn es darum geht, Geld zu verdienen.

    "10.000 Dollar, 15.0000 Dollar, 20.000 aber woher sollen wir die haben? Und wenn wir nicht bezahlen, dann bleiben sie im Gefängnis und irgendwann bekommen wir die Leichen wieder. Wer das macht? Vielleicht der FSB oder die von Ramsan. Vielleicht die Spezialdienste. Bei uns gibt es so viele. Das Geld wird von einem Mittelsmann überbracht, so habe ich gehört, wir leben ja hier."

    Die Gefängnisse sind voll, ohne ein Verbrechen begangen zu haben werden junge Tschetschenen im Schnellverfahren zu jahrelanger Lagerhaft verurteilt.
    Während Präsident Alchanow behauptet, der Frieden sei näher gerückt, haben die Terroristen in den Bergen Zulauf erhalten. Und der nächste Terrorakt irgendwo in Russland wird stattfinden – sicherlich auch, um sich für den Tod von Maschadow zu rächen. Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter. Von einem "Freiheitskampf" kann man allerdings nicht mehr sprechen. Es ist eher ein Kampf um Macht und Einfluss in einer zerstörten und verlorenen Republik. Wie sagte Wladimir Putin bei seinem letzten Deutschlandbesuch:

    "Wir haben hier eine Gruppe von Demonstranten gesehen, mit dem Schild stoppt Krieg in Tschetschenien. Ich möchte erstens sagen, meine sehr verehrten Demonstranten, wir haben das gelesen. Zweitens, seit drei Jahren gibt es keinen Krieg in Tschetschenien, er ist schon vorbei. Sie können ruhig nach Hause gehen. Frohe Weihnachten."

    Der Krieg ist zu Ende. Aber der Terror geht weiter. Die Terroristen haben sich in den Wäldern verschanzt, erhalten finanzielle Unterstützung aus arabischen Staaten, unter ihnen gibt es mittlerweile viele Söldner. Der schlimmste unter ihnen, Schamil Bassajew, der für das Massaker von Beslan verantwortlich war, kann sich immer noch frei bewegen. Seit Jahren wird er gejagt, erfolglos. Respekt vor dem schrecklichsten aller Terroristen scheint zumindest Ramsan Kadyrow zu haben, der es sich mit seinen Leuten auch zur Aufgabe gemacht hat, Bassajew zu finden:

    "Ich lebe in Tschetschenien und nenne mich Kämpfer. Es ist sehr bitter für mich, dass wir ihn nicht bekommen. Er ist ein kluger Stratege, ein guter Kämpfer. Er hat eine gewisse Logistik, auf die er sich verlassen kann, entsprechende Vorräte, eine gute Ausrüstung, woher, das weiß ich nicht. Mein Traum ist nicht, ihn zu töten, sondern lebendig zu fangen, um klar zu machen, dass er kein Patriot ist, sondern ein normaler Bandit."

    Ob sich Bassajew dem Waffenstillstand, den Maschadow vier Wochen vor seinem Tod verkündete, auch anschloss, war nicht ganz klar, möglicherweise ja. Seit Maschadow diesen Waffenstillverstand ausrief, sei es verstärkt zu Razzien und Säuberungen von Seiten der Armee gekommen, so als wolle man sich auf keinen Fall darauf einlassen, wird berichtet. Auch hier gibt es keine verlässlichen Informationen. Die Geiselnahme und die misslungene Befreiung im Musical-Theater "Nord-Ost" in Moskau, die Tragödie von Beslan und der Tod von Maschadow – es bleiben viele Fragen, die nicht geklärt werden, auch dies ist typisch für das Russland des Wladimir Putin, in dem der Geheimdienst den Ton angibt – von Glasnost keine Spur.

    Unklarheit herrscht auch über den angeblichen Nachfolger von Aslan Maschadow. Auf der Internet-Seite der Tschetschenischen Rebellen wurde der bisherige Vorsitzende des Scharia-Gerichtes Abdul Saidulajew präsentiert, ein Anhänger des radikalen Flügels. Dies wäre eine fatale Entwicklung. Präsident Alchnow sagte über diesen Mann, der vermutlich zahlreiche Terrorakte mitorganisiert hat:

    "Für mich und die Republik bedeutet er nichts. Ich kenne den Nachfolger von Maschadow nicht, er ist kein Führer des Volkes. Er ist ohne Bedeutung. Wieviele bewaffnete Banden es gibt, kann ich sagen. Aber insgesamt haben 7000 Kämpfer in den letzten Jahren die Amnestie angenommen, die wir angeboten haben und sind zurückgekehrt an die Seite des Volkes. Wer Frieden will, kann ihn bekommen und hier Arbeit finden. Wir unternehmen alles, um die Terroristen zurückzuholen. Wieviele es noch sind in den Bergen, 1000 oder 2000? Das glaube ich nicht. Aktive Kämpfer sind es viel weniger. Nach dem Terrorakt von Beslan hat doch jeder Mensch das moralische Recht verloren, sich an einem solchen Attentat zu beteiligen."

    Ob Verhandlungen mit Terroristen Zweck gehabt hätten, dies ist schwer zu sagen, mit dem Tode Maschadows ist der einzige Gesprächspartner verschwunden.
    Zweimal hat die russische Militärmacht Grosny nun zerbombt und zerstört, die Folgen des Krieges, der vor etwa 10 Jahren begann, werden noch lange Elend und Bitterkeit über Tschetschenien bringen.

    Am Ende dieser Reise durch Tschetschenien herrscht Ratlosigkeit. Der Kreml hat ein Regime dort installiert, dass sich weit entfernt hat von Normen einer zivilisierten Gesellschaft. Korruption und Willkür herrschen, auch der Einfluss Moskaus schwindet. Selbst in der Duma, im Parlament, sind viele der Meinung, das beste wäre es, noch einmal Bomben zu werfen, um das Tschetschenien-Problem endgültig zu lösen. Die nationalistischen Kräfte haben die Tschetschenien-Politik der letzten Jahre bestimmt, die Folgen haben die einfachen Menschen nun zu tragen. Viele junge Tschetschenen würden gerne ins Ausland gehen, um dort ein neues Leben zu beginnen, aber die Grenzen sind dicht, nirgendwo will man sie haben. Für jeden weiteren Terroranschlag, verübt von Bassajew und seinen Mördern, wird das gesamte tschetschenische Volk verantwortlich gemacht, eine Kollektivhaftung unter der besonders die einfachen Leute zu leiden haben. So wird die Wunde Tschetschenien weiter bluten, eine Heilung ist noch lange nicht in Sicht.