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TTIP-Verhandlungen
Frankreich ist genervt

In Frankreich ist die Verärgerung über die schleppenden TTIP-Verhandlungen groß. Unlängst machte die sozialistische Regierung deutlich, dass sie nicht mehr an einen Abschluss glaubt und forderte einen Verhandlungsstopp. Und auch von der Zustimmung, die es in der politischen Mitte gab, ist nicht viel übrig geblieben.

Von Jürgen König | 01.09.2016
    Eine Frau zeigt mit einem Plakat ihren Protest gegen TTIP (TAFTA) in Paris.
    In Frankreich gibt es erheblichen Widerstand gegen das TTIP-Abkommen. (JOEL SAGET / AFP)
    Zu TTIP gibt es innerhalb der französischen Regierung keinen Streit: Man ist einheitlich genervt. Seit Monaten kritisiert der für den Außenhandel und damit für TTIP-Verhandlungen zuständige Staatssekretär Matthias Fekl die mangelnde Kompromissbereitschaft der Amerikaner, schon im Mai hatte er das Zustandekommen eines Abkommens noch in diesem Jahr bezweifelt. Nun drohte er offen mit dem Abbruch der Verhandlungen.
    "Ende September, beim Treffen der Außenhandelsbeauftragten in Bratislava, werde ich im Namen Frankreichs den Abbruch der Verhandlungen über TTIP fordern, und zwar den vollständigen und endgültigen Abbruch. Warum? Weil die Verhandlungen sich völlig verfahren haben. Wir müssen sie beenden – um danach auf einer besseren Grundlage neu diskutieren zu können."
    Hollande: "Die Verhandlungen sind steckengeblieben"
    So wie Matthias Fekl mit diesen Worten immerhin noch grundsätzliches Interesse an Gesprächen mit den USA signalisierte, erteilte auch Staatspräsident Hollande - am Dienstag vor den in Paris versammelten französischen Botschaftern - den TTIP-Verhandlungen nur in diplomatischer Weise eine Absage:
    "Die Diskussionen können nicht bis zum Jahresende zum Erfolg führen. Die Verhandlungen sind steckengeblieben, Positionen wurden nicht respektiert, es herrscht ein offensichtliches Ungleichgewicht – also ist es das Beste, dass wir klar sagen, dass Frankreich keinem Vertrag zustimmen kann, der keine gemeinsame Grundlage hat. Frankreich sieht den Dingen lieber ins Auge und kultiviert nicht die Illusion, sich vor dem Ende der Amtszeit des amerikanischen Präsidenten über dieses Abkommen zu einigen."
    Der anstehende Präsidentschaftswahlkampf spielt eine wichtige Rolle
    Francois Hollande hätte als Zeitpunkt auch das Ende seiner eigenen Amtszeit im Mai nächsten Jahres nennen können. Denn neben den Verärgerungen über die schleppenden Verhandlungen spielt inzwischen auch der anstehende Präsidentschaftswahlkampf eine wichtige Rolle bei der Ablehnung von TTIP. Seit Jahren stößt das Abkommen in Frankreich auf großen Widerstand: bei den Grünen, bei den Kommunisten, beim linken Flügel der Sozialisten, beim rechtsextremen Front National.
    Von der Zustimmung, die es in der politischen Mitte gab, ist nicht viel übrig geblieben: Nicolas Sarkozy beschreibt in seinem neuen Buch ausführlich die "Unmöglichkeit", das Abkommen jetzt zum Abschluss zu bringen, Alain Juppé war noch nie der große Freihandels-Atlantiker, Emmanuel Macron schweigt dazu. Dafür ist nahezu täglich in Politikerreden von der "Größe Frankreichs" die Rede und von der "vollen Souveränität" des Landes, die doch "unerlässlich" sei. Und eben sie geht nun mal nicht zusammen mit den TTIP-Verhandlungen über Fragen der Landwirtschaft, der Kultur, der Gesundheit, der Umwelt, bei denen Frankreich Souveränitätsrechte ganz erheblich einschränken oder gar aufgeben müsste. Es verbietet sich also, Wahlkämpfer zu sein und gleichzeitig als Fürsprecher für das Freihandelsabkommen mit den USA aufzutreten.