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TU Dortmund
Streit um "Raum der Stille"

Eigentlich war der "Raum der Stille" an der Technischen Universität Dortmund als Rückzugsort für alle Studierenden gedacht, an dem sie zur Ruhe kommen und Kraft tanken können. Funktioniert hat das in der Praxis aber nicht. Der Raum wurde im Januar geschlossen und jetzt ermittelt sogar der Staatsschutz.

Von Bettina Weihe | 11.02.2016
    Die Technische Universität Dortmund.
    Die Technische Universität Dortmund. (imago/Westend61)
    Im Physikgebäude in der dritten Etage liegt er ganz am Ende eines Ganges – der Raum der Stille. Es ist ein heller Raum mit Sofa und weiteren Sitzgelegenheiten. Viele Studenten kamen hier her, sagt Moritz Kordisch, Vorsitzender des ASTA.
    "Es war ein reger Betrieb, es waren viele Studierende da – von unterschiedlichen Konfessionen, zum Spielen, sich zurückziehen, meditieren aber auch beten. Es war wirklich eine Nutzung, die für alle da war. Es gab also keine Trennung zwischen Konfessionen, Geschlechtern oder irgendwas anderem."
    Ein religiös neutraler Ort. Anfang des Jahres gab es dann aber Beschwerden von Studentinnen, die am Eingang des Raumes abgefangen worden sind. Die Frauen sollten nur Zugang zu einem bestimmten Teil des Raumes haben. Das Rektorat ging den Vorwürfen nach. Ergebnis: Der Raum wurde offensichtlich als Gebetsraum genutzt – ein klarer Verstoß gegen die Nutzungsordnung, sagt Eva Prost – Pressesprecherin der TU Dortmund.
    Es war nicht der erste Vorfall
    "Hier auf dem Stuhl liegen noch Gebetsteppiche, um uns herum sind die Stellwände – graue Stellwände, die noch mal mit Decken abgehängt sind, um einen Sichtschutz zu gewährleisten, zwischen dem kleineren Bereich für die Frauen und den größeren Bereich für die Männer. Wir haben hier auch den Koran entdeckt. Es deutet also alles daraufhin, dass muslimische Studierende diesen Raum in einen Gebetsraum umfunktioniert haben."
    Die TU reagierte sofort und schloss den Raum.
    "Wir sind als staatliche Einrichtung dem Grundgesetz verpflichtet, was die Gleichbehandlung von Männern und Frauen vorsieht, dafür müssen wir einstehen und deswegen können wir eine solche Geschlechtertrennung nicht dulden. Deswegen musste der Raum geschlossen werden."
    Studentin Jasmin kann die Entscheidung verstehen.
    "... weil so ein Raum für Alle ist eine gute Idee und die sollte nicht missbraucht werden."
    Es gibt aber auch Studenten, die die Entscheidung der TU nicht in Ordnung finden. So wie dieser muslimische Student – er betet mehrmals am Tag.
    "Ich finde das ein bisschen verantwortungslos von dem Rektorat, der als Vorbild gelten sollte, einfach den Raum zu schließen, weil dadurch sind wir gezwungen in Treppenhäusern – das sind Fluchtwege und diese Fluchtwege sollte man frei lassen – und wir sind dazu gezwungen, dort zu beten. Und wir haben keine Alternative, außer die Uni zu verlassen."
    Für die TU gab es dieses Mal aber keinen anderen Weg. Denn es war nicht der erste Vorfall. Bereits 2012 – kurz nach der Eröffnung – gab es schon einmal Probleme. Auch damals lagen Gebetsteppiche und der Koran im Raum aus. Außerdem:
    Vom Raum der Stille zum Stillraum
    "… sind Flyer in der Nähe des Raumes gefunden worden, mit Hinweisen für Frauen, wie sie sich zu verhalten und zu kleiden hätten, Kopftuch – kein Parfüm. Auch Trennwände wurden eingebracht. Der damalige ASTA reagierte: Räumt das weg, sonst tun wir das."
    Dieses Mal hat der ASTA gar nichts von der Umgestaltung mitbekommen, sagt Moritz Kordisch.
    "Dass das jetzt diese Züge angenommen hat, das war jetzt nicht mehr unter unserer Kontrolle, weil wir da natürlich nicht mehr häufig Kontrollgänge gemacht haben."
    Kein Einzelfall. Auch die Fachhochschule Bochum hatte einen Ruheraum. Dort gab es die gleichen Probleme. Und es war sogar noch extremer: 2012 informierte der Landesverfassungsschutz die Hochschule darüber, dass ein bekannter Salafist den Ruheraum als Treffpunkt nutzen würde. Daraufhin wurde der Raum sofort geschlossen. In Dortmund wollten Studierende die Schließung mit einer Petition verhindern. Rund 400 setzten sich für den Erhalt des Ruheraumes ein und unterschrieben. Einer von ihnen ist jetzt offenbar per E-Mail bedroht worden. Deswegen ermittelt der Staatsschutz gegen den Verfasser der Mail wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Beleidigung. Eva Prost von der TU Dortmund wusste davon bisher noch nichts. Sie selbst hat auch schon fremdenfeindliche Mails bekommen, wenn auch nur wenige.
    "Das schockiert mich, dass es so stark ist, das der Staatsschutz einbezogen werden musste. Es hat wirklich in der Öffentlichkeit sehr hohe Wellen geschlagen."
    Die Fachhochschule in Bochum hat übrigens inzwischen einen eigenen Gebetsraum eingerichtet. Auf einer Empore mitten in der Mensa. Ein Rundum-Vorhang schützt die Betenden vor neugierigen Blicken. Das wird es in Dortmund aber nicht geben. Die Uni überlegt aus dem Raum der Stille einen Stillraum für Mütter und ihre Babys zu machen.