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Tübinger Memorandum zur Verlagsförderung
"Vielfalt der Buchproduktion erhalten"

Kleinere Verlage stehen in Deutschland unter wirtschaftlichem Druck, viele melden Insolvenz an. Thomas Knubben, Autor im Tübinger Klöpfer & Meyer Verlag, fordert im Dlf einen Fördertopf zur Erhaltung der Verlagskultur.

Thomas Knubben im Gespräch mit Mascha Drost | 08.09.2018
    Mehrere Bücher liegen auf drei Stapeln nebeneinander.
    Kleine Verlage haben besonders zu kämpfen (picture-alliance / dpa / Romain Fellens)
    Mascha Drost: Allein in den letzten zwei Tagen haben zwei Verlage Insolvenz angemeldet, wie der Stroemfeld Verlag, oder erklärt, das Programm nicht weiterführen zu können, wie der Tübinger Verlag "Klöpfer & Meyer". Dessen Autoren haben nun einen Brandbrief geschrieben, das Tübinger Memorandum, in dem sie auf die schwierige Lage kleinerer Verlage aufmerksam machen und Lösungsvorschläge unterbreiten. Einer der beiden Verfasser ist Thomas Knubben, Prof. für Kulturwissenschaft an der Universität Ludwigsburg und Autor bei "Klöpfer & Meyer". Auch unabhängige Verlage müssen sich marktorientiert und marktgerecht verhalten, ist im Tübinger Memorandum zu lesen - dafür brauchen sie aber faire und angemessene Bedingungen.Welche Bedingungen könnten das sein?
    Thomas Knubben: Der Unterschied zwischen den kleineren unabhängigen Verlagen und großen Konzernen besteht zunächst einmal in der Kapitalausstattung. Es können die großen Häuser in Vorleistungen gehen, können mit relativ großem Marketingbudgets operieren, können auch Netzwerke bedienen, die dazu führen, dass eine deutlich größere Aufmerksamkeit den Werken zukommt. Ganz unabhängig davon, welche Qualität ihnen jeweils innewohnen kann. Und da scheitern kleinere Verlage schon gewissermaßen am Start von solchen Wettrennen.
    Drost Sie regen eine Verlagsförderung an. Wie könnte die aussehen, in Form von staatlichen Subventionen?
    Knubben: Na ja, das Ziel einer Verlagsförderung besteht nicht primär darin, Verlage aufrechtzuerhalten, die es nicht schaffen, im Markt zu reussieren, sondern sie besteht darin, eine breite Vielfalt und Qualität von Hervorbringungen im Buchmarkt zu ermöglichen und diese Idee ist nur in Deutschland zunächst einmal überraschend. Wir haben in Österreich, wir haben in der Schweiz eine Verlagsförderung, weil erkannt wurde, dass die Vielfalt und Qualität im jeweiligen Markt nicht erreicht werden kann, wenn man es nur den Markt überlässt.
    Bewährte Buchpreisbindung
    Drost: Und meinen sie, dass die großen Verlage da einfach so mitspielen?
    Knubben: Na ja, die großen Verlage haben durchaus ihre eigenen Interessen, aber die Interessen der großen Verlage müssen nicht unbedingt deckungsgleich sein mit den Interessen aller Leser und der gesamten Buchkultur. Schauen sie, im Jahr 2000 war die Preisbindung in Deutschland in Gefahr. Das hatte mit rechtlichen Gegebenheiten zu tun. Die damalige Form einer privatrechtlichen Verbindung zwischen Verlagen und Buchhandel, die die Buchpreisbindung gestaltet haben, war kartellrechtlich nicht in Ordnung. Also hat das der Kulturstaatsminister, Nida-Rümelin seinerzeit, ein Buchgesetz, ein Buchbindungspreisgesetz vorgeschlagen und da haben die großen Verlage zunächst auch dagegen opponiert. Aber in einer Kooperation zwischen Kulturministerium, Staatsministerium für Kultur und dem Wirtschaftsministerium ist es damals gelungen, diese Buchpreisbindung zu erhalten und die hat sich über mehr als 100 Jahre inzwischen bewährt.
    Drost: So eine Verlagsförderung, wie Sie sie vorschlagen, kommt natürlich nicht über Nacht. Sie verlangen schnelle Interventionen, weil die Probleme so drängend seien.Wie könnten diese aussehen, diese schnellen Interventionen?
    Knubben: Hier in Baden-Württemberg, wo ja der Verlag Klöpfer und Meyer, der den Anlass zu diesem Memorandum gegeben hat, ansässig ist, haben wir seit fünf, sechs Jahren einen Fördertopf, der Innovationsfonds heißt. Es wäre im Grunde ein leichtes, diesen Fördertopf für Aktivitäten zur Erhaltung der Verlagskultur zu widmen. Das wird jedes Jahr einem anderen Thema zugewidmet und da wäre es ein einfaches nun zu sagen, unser politischer Wille besteht darin, im nächsten Jahr die Verlagsförderung zum Gegenstand unserer strukturellen Förderpolitik zu machen.
    Vielfalt erhalten
    Drost: Aber wenn die jetzt nur für ein Jahr gilt, dann ist doch den Verlagen damit langfristig noch lange nicht geholfen?
    Knubben: Da haben sie recht. Das Memorandum zielt ja auf zwei Zeitebenen. Auf eine längere Zeitebene, die durch entsprechende Datengrundlage, Verständnisse der Mechanismen im Markt, auch der technologischen rechtlichen Veränderungen, auch soziologischen Veränderungen berührt ist, und auf der anderen Seite natürlich Sofortmaßnahmen. Es kann eben nicht gewartet werden, drei, vier, fünf Jahre bis eine Kommission dann mal getagt hat. Dann sind die Verlage großenteils womöglich gar nicht mehr da.
    Drost: Kann man denn überhaupt etwas tun, wenn die tragende Säule aller Verlage, nämlich die Leser, wenn die schwächeln, was den Kauf von Büchern angeht? Nicht beim Lesen an sich. Müssten sich Verlage diesen neuen Gegebenheiten, den neuen Lesegewohnheiten, die ja wie vieles andere eben auch ins Digitale abwandern, stellen und darauf reagieren?
    Knubben: Unbedingt! Nur wir dürfen doch nicht davon ausgehen, dass das Lesen an sich ein Ende haben wird. Wir gehen auch nicht davon aus, dass die Buchkultur insgesamt ein Ende haben. Sondern es geht darum, den Charakter, die Vielfalt, auch das Risikobereite in der Buchproduktion in der Zukunft noch zu erhalten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.