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Tückischer Bienenkiller

Zoologie.- Kaum eine andere Krankheit zerstört Bienenvölker so radikal wie die Amerikanische Faulbrut. Eine effektive Behandlungsmöglichkeit wurde lange vergeblich gesucht. Wissenschaftler des Länderinstituts für Bienenkunde haben nun neue Erkenntnisse dazu gewonnen.

Von Joachim Budde | 30.07.2012
    Die Amerikanische Faulbrut verwandelt Bienenlarven in ihren Waben in einen braunen, stinkenden, zähflüssigen Brei. Dahinter steckt das Bakterium Paenibacillus larvae. Es kommt in mehreren Genotypen, also Varianten, vor, besonders zwei sind weltweit für die Zerstörung von Bienenvölkern verantwortlich: Eric I und Eric II.

    Ein offensichtlicher Unterschied zwischen den beiden Genotypen ist der Krankheitsverlauf, sagt Dr. Elke Genersch, deren Labor am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf bei Berlin eines der führenden in der Erforschung der Amerikanischen Faulbrut ist.

    "Die beiden Genotypen unterscheiden sich in ihrer Virulenz, wenn man die Schnelligkeit betrachtet, mit der sie töten. Der eine Genotyp tötet schneller auf Larvenebene und dadurch das Volk relativ langsamer und der andere Genotyp tötet die Larven langsamer, dadurch aber das Volk schneller, das ist so ein kleines Paradoxon, was eben bei der Biene entsteht, dadurch dass es den Bien, das ganze Volk gibt, aber auch die Einzelbiene, und es recht schwierig ist zu entscheiden, welches ist eigentlich die Ebene, die man angucken müsste: Ist es die Einzelbiene oder das Volk? Eigentlich muss man immer beides anschauen."

    Der Bazillus vom Typ Eric I tötet Larven im Schnitt binnen 13 Tagen, bei Eric II sind bereits spätestens nach sieben Tage alle infizierten Larven tot. Bei letzterem fällt es den Ammenbienen leichter, kranke Larven zu identifizieren und aus dem Stock zu werfen. Das verzögert den Verlauf der Krankheit, doch das Ergebnis ist bei beiden Erregern identisch.

    "Beide sind gleich erfolgreich, weil beide zum Tod führen."

    Auf der Suche nach den Ursachen für diese Unterschiede haben Genersch und ihre Mitarbeiter das Erbgut und das Proteom der Paenibacillus-larvae-Typen untersucht.

    "Wir haben zu unserer eigenen Überraschung festgestellt, dass die beiden unterschiedliche Strategien scheinbar entwickelt haben. Der eine Typus arbeitet über Toxine, die bei dem anderen durch Mutation vollständig zerstört sind, man findet noch Reste im Genom, aber die sind nicht mehr funktionell, und bei dem, der keine Toxine hat, ist dafür ein Oberflächenprotein erhalten geblieben, das bei dem toxinhaltigen wiederum zerstört wurde. Ursprünglich hatten sie offensichtlich die gleiche Ausstattung, sind aber an irgendeinem Punkt in ihrer Evolution zwei verschiedene Wege gegangen. Und da scheint der Schlüssel zu liegen für diese unterschiedlichen Infektionsverläufe in der Larve und im Volk."

    Die Wege von Eric I und Eric II sind unterschiedlich zeitaufwendig: Beide Bakterien gelangen als Spore mit dem Futter in den Darm frisch geschlüpfter Larven. Dort keimen die Sporen, und die Bakterien vermehren sich massiv, bis sie den Darm komplett ausfüllen. Als letzten Schritt durchdringen sie die Darmwand, um in die Körperhöhle zu gelangen und das Insekt zu töten.

    Während Eric I sich mithilfe von Giftstoffen den Weg durch die Darmwand öffnet, bildet Eric II, also der Typus, der die Larven schneller tötet, ein Surface-Layer-Protein, das ist ein Baustein auf seiner Zelloberfläche, mit dem er sich an die Darmzellen der Larve heften und dort die Verbindungen zwischen den Zellen des Epithels zerstören kann.

    "Beide mogeln sich zwischen den Zellen durch. Der Unterschied scheint der Angriff zu sein. Die einen greifen an über direkten Kontakt mit der Zelle, weil sie sich anheften können und die andern greifen an eher über die Entfernung, über die die Toxine, die sie ausschütten, trotzdem wirken können. Sodass am Ende aber für beide der Weg durch das Epithel offen steht."

    Wie genau Eric II die Darmwand mithilfe des Oberflächenproteins überwindet, wissen die Forscher noch nicht, aber sie haben beobachtet, dass dieses Protein eine wichtige Rolle für die Gefährlichkeit von Eric II spielt: Sie haben einen genetisch veränderten Stamm des Bakteriums hergestellt, der keine Oberflächenproteine bilden konnte. Das Gen-Bakterium war um die Hälfte weniger tödlich als der wilde Stamm. Das zeigt aber auch, dass die Wissenschaftler zwar einen wichtigen, aber längst nicht den einzigen Mechanismus von Paenibacillus larvae gefunden haben.

    Ob Eric II oder I: letzten Endes zersetzt Paenibacillus larvae die toten Larven zu einem braunen Schleim voller Bakteriensporen. Trocknet der, verteilen sich die Sporen mit dem Staub im ganzen Bienenstock und gelangen von neuem in die Larven.