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Türkei
Deniz Yücel nicht mehr in Einzelhaft

Knapp 300 Tage saß der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel wegen "Terrorpropaganda"-Verdacht in Einzelhaft. Am Samstag wurde er verlegt. Eingesperrt bleibt er weiterhin. Beobachter gehen davon aus, dass es zeitnah zu einem Prozess kommen könnte.

Von Karin Senz | 04.12.2017
    Yücel sitzt als Gast einer Talkshow auf dem Podium.
    Dem deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel werfen türkische Behörden Terrorpropaganda vor. Eine Anklageschrift gegen ihn ist noch nicht bekannt. (dpa/Karlheinz Schindler)
    Der Welt-Korrespondent Deniz Yücel ist nicht mehr in Einzelhaft. Das hat sein Anwalt dem ARD-Studio Istanbul bestätigt.
    Monate lang bewegte sich nichts in dem Fall. Noch nicht mal eine Anklageschrift gab es, geschweige denn einen Prozesstermin. Diese Woche dann legte die Türkei beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kurz vor Ende der Frist eine Stellungnahme vor. Darin wirft sie Deniz Yücel Terrorpropaganda vor. Der türkische Präsident Erdogan hatte den Journalisten mehrmals einen Spion genannt. Vorwürfe in diese Richtung finden sich in der Stellungnahme nicht. Allerdings rechtfertigt sich die Türkei für die lange Untersuchungshaft.
    Yücel hatte sich beim Menschenrechtsgerichtshof darüber und über die Einzelhaft beschwert, Isolationshaft, wie er es nannte. Knapp 300 Tage saß der deutsch-türkische Journalist allein in einer Zelle ohne Kontakt zu anderen Gefangenen.
    Am Samstag verlegt, nach wie vor in U-Haft
    Jetzt bestätigte sein Anwalt Veysel Ok dem ARD-Studio Istanbul: Deniz Yücel ist raus aus der Einzelhaft, er wurde am Samstag innerhalb des Gefängnisses Silivri bei Istanbul verlegt. Seine neue Zelle ist über einen kleinen Innenhof mit zwei anderen Zellen verbunden. In einer davon sitzt der türkische Journalist Oguz Usluer, er arbeitete früher für die Zeitung Habertürk. Tagsüber können sie sich in dem Innenhof treffen. Warum Yücel jetzt verlegt wurde, erfuhr der Anwalt bei seinem Besuch im Gefängnis am Wochenende nicht.
    Yücel war am 14. Februar in Istanbul in Polizeigewahrsam genommen worden, zwei Wochen später kam er in Silivri in Untersuchungshaft und damit in Einzelhaft.
    Neben ihm sind noch mindestens acht Deutsche wegen politischer Vorwürfe in der Türkei im Gefängnis, darunter die Übersetzerin und Journalistin Mesale Tolu. Ihr türkischer Mann war vor wenigen Tagen frei gekommen.
    Außerdem: eine Entlassung, ein Freispruch
    Auch in einem anderen Aufsehen erregenden Prozess ließ ein Gericht in Ankara eine Angeklagte frei. Es handelt sich um die Literatur-Dozentin Nuriye Gülmen, die seit acht Monaten zusammen mit ihrem Kollegen Semih Özakca in Hungerstreik ist. Allerdings wurde Gülmen am Freitag wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen linksextremen Vereinigung verurteilt. Die 35-jährige, die sehr geschwächt ist, kam trotzdem aus der Untersuchungshaft frei.
    Der Grundschullehrer Semih Özakca wurde sogar freigesprochen, die Untersuchungshaft war schon zuvor ausgesetzt worden. Die beiden wollten sich mit ihrem Hungerstreik gegen ihre Entlassung aus dem Staatsdienst wehren und waren dadurch zum Symbol für den Protest gegen Massenentlassungen in der Türkei nach dem Putschversuch geworden. Mit ihrer Aktion waren sie über die Türkei hinaus bekannt geworden.
    Yücels Anwalt weiß noch nichts von einer Anklageschrift
    Es gibt also in der Türkei vorsichtiger positive Signale. Allerdings bleibt es im Fall Deniz Yücel beim Ende der Einzelhaft, nicht aber der Untersuchungshaft. Sein Anwalt hat auch immer noch keine Informationen über eine Anklageschrift. Beobachter gingen nach der Stellungnahme der Türkei in Straßburg davon aus, dass diese jetzt möglichweise bald vorliegen und es dann auch zeitnah zu einem Prozeß kommen könnte.