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Türkei
Pressefreiheit immer mehr gefährdet

In der Türkei ist die Pressefreiheit mehr und mehr gefährdet. Das liegt an immer neuen Gesetzen, aber auch an massiven Einschüchterungsversuchen der Behörden. Bald will es sich die Regierung Erdogan noch einfacher machen, unliebsame Internetseiten zu schließen.

Von Kathrin Erdmann | 05.01.2015
    Mit ernstem Gesicht listet Pinar Türenc auf, wie das gerade zu Ende gegangene Jahr für türkische Journalisten aussah. Für die Präsidentin des Presserates lagen Licht und Schatten nah beieinander.
    "Knapp sechs und knapp acht Jahre waren die Journalisten Tuncay Özkan und Füsun Erdoğan im Gefängnis. Dass beide 2014 frei kamen ist natürlich erfreulich. Aber dass dann wiederum gegen Ende des Jahres zwei Journalisten des Terrorismus angeklagt und verhaftet wurden, ist sehr beängstigend. Und immer noch gibt es Anzeichen für eine weitere Jagd auf Journalisten."
    Verhaftung einer Fernsehjournalistin schlug hohe Wellen
    Jüngstes Beispiel ist die Fernsehjournalistin Sedef Kabas. Die türkische Fernsehmoderatorin hatte auf Twitter kritisiert, dass sämtliche Korruptionsermittlungen unter anderem gegen hochrangige Beamte der regierenden AKP-Partei endgültig eingestellt wurden. Gemeint sind damit die Verfahren vom Dezember 2013, die nicht nur in der Türkei für erhebliches Aufsehen gesorgt hatten. Kabas hat auf Twitter 18.000 Follower – vielleicht war auch das ein Grund, weshalb sie kurz vor dem Jahreswechsel fast wie eine Schwerverbrecherin abgeführt wurde:
    "Am Morgen standen drei Polizeibeamte vor der Tür. Sie haben auf Anweisung der Staatsanwaltschaft mein Haus durchsucht. Dann haben sie mein Handy, meinen PC, mein Laptop und mein I-Pad, auf dem mein Sohn seine Zeichentrickfilme guckt, beschlagnahmt."
    So medienwirksam die Festnahme war, so schnell kam die Journalisten wieder frei. Bereits am Nachmittag desselben Tages konnte sie im türkischen Fernsehen über ihre Erlebnisse berichten:
    "Ich habe davor gewarnt, die Akten zu den Personen zu schnell zu schließen, gegen die wegen Korruption, Diebstahl und Schmiergeldzahlungen ermittelt wurde. So steht es auch in meinem Tweet. Den hat der Staatsanwalt an den Richter weitergeleitet. Der wertete ihn jedoch als Meinungsfreiheit und sprach mich von der Anklage frei."
    Sie lasse sich nicht einschüchtern und habe keine Angst, sagte die Journalistin außerdem im Anschluss an ihre Freilassung.
    Websites sollen künftig von einem Minister gesperrt werden
    Künftig könnte ihr Twitter-Zugang jedoch auch ratzfatz gesperrt werden. Nach dem Willen der islamisch-konservativen AKP-Regierung soll künftig allein der Kommunikationsminister hop oder top sagen können, also ohne Gerichtsbeschluss entscheiden können, ob eine Seite im Internet geschlossen wird. Bisher lag dies in den Händen einer Behörde. Doch der trauen die Partei und ihr Präsident Recep Tayyip Erdogan offenbar nicht mehr so recht über den Weg.
    Da mutet es gerade zu seltsam an, wenn sich der Präsident, wie soeben geschehen für einen unverkrampften Umgang mit kritischen Medien lobt:
    "Ich möchte der ganzen Welt ganz offen verkünden: Nirgendwo auf der Welt sind die Medien so frei wie in der Türkei. Sie sind so frei, dass sie Dinge tun dürfen, die in anderen demokratischen Ländern undenkbar wären: Sie dürfen beleidigen, anschwärzen, rassistisch sein, Menschen verunglimpfen - und das jeden Tag. Ich und meine Familie haben selbst diese Erfahrung gemacht."
    Präsident Erdogan reagierte damit auf die heftige Kritik aus dem In- und Ausland nach zahlreichen, kurzfristigen Festnahmen von Journalisten Mitte Dezember.
    Insgesamt sind Erdogan Twitter, Facebook und Youtube jedoch schon lange ein Dorn im Auge. Immer wieder wurden Dienste gesperrt und jetzt will die AKP getreu nach dem Motto "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" sogenannte Spione in den sozialen Netzwerken einsetzen. Das berichten lokale türkische Medien. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter sollen die üblichen Foren unterwandern und Oppositionelle ausfindig machen.
    In der jüngsten Rangliste von Reporter ohne Grenzen belegt die Türkei derzeit Platz 154 – von insgesamt 180 Ländern. Verwirklicht die AKP ihre jüngsten Pläne, wird sie wohl weiter abrutschen.