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Türkei und EU
Ein Putschversuch zur Unzeit

Die Reaktionen von NATO und EU auf den Putschversuch fielen einhellig aus: Die türkische Verfassung und die demokratischen Institutionen müssen geschützt werden. In der EU ist die Sorge groß, dass das Verhältnis zu einem schwierigen Partner in Zukunft noch komplizierter werden könnte.

Von Jörg Münchenberg | 16.07.2016
    Polizisten und Erdogan-Anhänger scharen sich um einen Panzer vor der Bosporusbrücke in Istanbul.
    Die EU sorgt sich, ob das Verhältnis zur Türkei nun noch schwieriger wird. (picture-alliance / dpa / Str)
    Die Reaktion der NATO auf die Ereignisse in der Türkei kam schnell. Noch in der Nacht mahnte Generalsekretär Jens Stoltenberg, die demokratischen Institutionen und die türkische Verfassung müssten respektiert werden. Die Türkei, Mitglied des Militärbündnisses seit immerhin 1952 sei ein geschätzter Verbündeter. Die NATO werde aber die Ereignisse weiterhin aufmerksam verfolgen.
    Die EU-Spitzen wiederum wurden auf dem Asien-Europa-Gipfel in Ulan Bator von dem Putschversuch in der Türkei überrascht. Es müsse nun eine schnelle Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung geben, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker sowie der Außenbeauftragten Federica Mogherini. Später bekräftigte Tusk dann diese Forderung auf der Abschlusspressekonferenz des Gipfels:
    "Die Türkei ist für die EU ein Schlüsselpartner. Die EU unterstützt klar die demokratisch gewählte Regierung. Und eines muss auch sehr klar sein: die Spannungen in der Türkei und die Herausforderungen können nicht mit militärischer Gewalt gelöst werden. Ein Militärputsch hat keinen Platz in einer modernen Türkei. Es gibt keine Alternative zur Demokratie und der bestehenden Rechtsordnung".
    Angespannte Beziehungen
    Der Putsch kommt - aus politischer Sicht - aus EU-Sicht zur Unzeit. Das Verhältnis zu Staatspräsident Recep Erdogan gilt als angespannt, nicht zuletzt wegen des anhaltenden Streits um die Visaliberalisierung für Türken. Eigentlich sollte das Abkommen schon im Sommer stehen, doch nicht zuletzt das EU Parlament verzögert eine Einigung, weil Ankara sich weiterhin weigert, seine Antiterrorgesetze zu reformieren.
    Auch die wiederholten Menschenrechtsverletzungen sowie die Verstöße gegen Demokratie und Meinungsfreiheit Sorgen in der EU für Kritik. Das wiederum hat Brüssel wiederholt scharfe Reaktionen aus Ankara eingebracht, dabei ist die EU auf die Türkei dringend angewiesen. Erst durch den Flüchtlingspakt konnte die Zahl der Flüchtlinge, die über die Balkanroute nach Europa wollen, deutlich reduziert werden. Welche Konsequenzen nun der Putsch auf die ohnehin schon angespannte innenpolitische Lage in der Türkei und damit wiederum auf die Beziehungen zur EU haben könnte – dazu wollte Tusk sich heute nicht äußern:
    "Es ist zu früh, um über die Konsequenzen zu spekulieren. Die Schlüsselfrage ist: was wird das für eine Türkei sein nach dieser Krise. Wie die Türkei damit umgehen wird. Das wird am Ende entscheidend sein, nicht nur für die Türkei und die gesamte Region dort, sondern auch für die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei".
    Doch die Sorge in der EU ist groß, dass das Verhältnis zu einem schwierigen Partner in Zukunft noch komplizierter werden könnte.