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Türkische Wahl in Deutschland
"Da ist was faul dran"

Erstmals konnten in Deutschland lebenden Türken nun auch in Deutschland an die Wahlurne gehen. Aber: Die Wahlbeteiligung lag nach Angabe der türkischen Regierung bei gerade einmal 8,6 Prozent. Viele befürchten auch Manipulationen bei der Auszählung der Stimmen.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 04.08.2014
    Eine Frau mit Kopftuch fotografiert sich selbst am 03.08.2014 vor dem Olympiastadion in Berlin, an dem eine türkische Fahne hängt. Im Olympiastadion ist ein Wahlzentrum für die türkische Präsidentenwahl in Deutschland. Erstmals können türkische Staatsangehörige in Deutschland an der türkischen Präsidentenwahl teilnehmen.
    Selfie nach der Wahl: Auch im Berliner Olympiastadion konnten türkische Staatsbürger über ihren neuen Präsidenten abstimmen. (Paul Zinken/dpa)
    Die Keupstraße ist im Türkei-Urlaub: Wo sonst - hier mitten im Little Istanbul von Köln - eifriges Treiben herrscht, sitzen die wenigen zuhause gebliebenen Geschäftsleute nun gelangweilt bei einem Schwätzchen auf der Straße. Die Präsidentschaftswahl in ihrer Heimat ist für die meisten kein großes Thema.
    "Da hab ich keine Ahnung gehabt. Wie kann hingehen?!"
    "Bringt eh nix!"
    Sanchak Topal sitzt zwischen vollgekritzelten Papierbergen in seinem kleinen Übersetzungsbüro und beschwert sich über die ganze Bürokratie bei dieser Wahl, nur mit vorheriger Anmeldung und nur mit Termin durften die Türken ihr Kreuz machen. Es sei ja schön und gut, sagt Topal, dass er und seine Landsleute erstmals hierzulande abstimmen konnten, aber er hatte dafür nun wirklich keine Zeit. Und:
    "Was die türkischen Mitbürger wählen - bringt eh nix!", findet der rundliche 65-Jährige.
    Sein Schreibbüro ist übrigens vollgehängt mit riesigen Atatürk-Transparenten, doch heutzutage verehrt Sanchak Topal nur einen:
    "Natürlich Erdogan, Erdogan ist mein Mann!"
    Zwei Kandidaten gegen Erdogan
    Sanchak Topal wirft jetzt kleine Kusshändchen in die Luft. So wie er denken viele hier auf der Keupstraße, aber es gibt auch kritische Stimmen:
    "Sehr viel Scheinpolitik, macht alles platt - also ich mag den nicht!"
    Sagt Barisch Kawa, ein junger Jura-Student, der mit seiner Verlobten über die Keupstraße bummelt. Kawa ist Kurde und hat natürlich Selattin Demirtasch gewählt, einer von zwei Kandidaten, die bei der Präsidentschaftswahl gegen Tayyip Erdogan antreten:
    "Der vertritt uns - hab ich den gewählt."
    "Ich hab die deutsche Staatsangehörigkeit - hätt ich den Erdogan gewählt!"
    So erzählt Sevilay Kaya und guckt mit einem kleinen triumphierenden Lächeln zu ihrem Verlobten.
    "Ich sag das, was ich kann und dann gibt's da oft mal eine Diskussion!"
    Die junge Friseurin ist selbst Kurdin und damit eigentlich keine typische Erdogan-Wählerin, aber der Regierungschef habe ihr Heimatland modernisiert, das rechnet Sevilay dem Premier hoch an:
    "Ich komm halt aus der Grenze, ziemlich unparteiisch, was das betrifft."
    Geringe Wahlbeteiligung
    Sieben riesige Veranstaltungshallen hatte die Türkei in den letzten vier Tagen in ganz Deutschland für die Wahl angemietet, es gab zwar keinen größeren Pannen oder Zwischenfälle, doch die Wahlbeteiligung blieb offenbar mager, was wohl an der Urlaubszeit, aber auch an der strengen Terminvergabe liegt - wer ohne Anmeldung kam, wurde in den Wahllokalen abgewiesen.
    Nach Angaben der türkischen Regierung lag die Wahlbeteiligung bei gerade einmal 8,6 Prozent, unabhängige Quellen sprechen sogar von nur fünf Prozent. Zur Auszählung, die erst nach der Präsidentenwahl am 10. August stattfindet, werden die Stimmzettel nun in die Türkei geflogen. Jura-Student Barisch Kawa ist misstrauisch:
    "Wenn wir hier schon wählen, auch hier gezählt werden - da ist was faul dran."
    Manipulation?
    Mögliche Manipulationen fürchtet auch Bahri Kayakiran, der in der Kölner Keupstraße ein Juweliergeschäft betreibt. Dass er erstmals vom Ausland aus den türkischen Präsidenten wählen darf, freut ihn - enttäuscht ist der 55-Jährige aber über die fehlende doppelte Staatsbürgerschaft. Seit 1980 lebt Kayakiran jetzt in Deutschland und darf hier immer noch nicht wählen:
    "Wir leben ja hier, würden wir auch gern unsere Rechte in beiden Ländern bekommen."
    Dennoch findet Bahri Kayakiran zum Abschied auch ein positives Wort - verglichen mit seiner türkischen Heimat sei die politische Kultur hierzulande in Deutschland um ein Vielfaches besser:
    "Also wenn ich hier in Deutschland sehe - in meinem Heimatland in der Türkei."