Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Türkischer Ministerpräsident in Oberhausen
"Werbefeldzug für die Diktatur" - oder ein normaler Auftritt?

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim wird am Samstag in Oberhausen vor tausenden Menschen sprechen. Es wird erwartet, dass er dann Werbung für das Präsidialsystem macht. Die Veranstaltung stößt bei vielen Politikern auf scharfe Kritik - Behörden verweisen aber auf das Versammlungsrecht und die Gastfreundschaft.

Von Kemal Hür | 17.02.2017
    Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim in Ankara.
    Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim in Ankara. (AFP / ADEM ALTAN)
    Der türkische Wahlkampf um ein Präsidialsystem geht in die heiße Phase – auch in Deutschland. Der erste Wahlkampfauftritt findet bereits morgen in Oberhausen statt. Zur Rede des noch amtierenden türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim werden dort 10.000 Teilnehmer erwartet. Das sorgt bei den türkeistämmigen Abgeordneten des Bundestages für Unverständnis und Entsetzen.
    Sie kritisieren vor allem, dass Yildirim ein System propagieren werde, das den Staatspräsidenten Erdogan mit großer Macht ausstatten und ein autoritäres und antidemokratisches Regime installieren werde. Die CDU-Abgeordnete Cemile Giousouf rät von einer Teilnahme ab.
    "Ich würde mir wünschen, dass die Türkeistämmigen in Deutschland das entsprechend so wahrnehmen. Und ich möchte sie einladen, zu sehen: Ihr Land ist Deutschland, und die Türkei wird ihnen mit ihren Problemen, die sie hier vor Ort haben, mit Bildung und Arbeit nicht weiterhelfen können. Das sind die deutschen Politiker. Und deshalb wünsche ich mir auch, dass sie sich mit ihren Anliegen an die deutschen Politiker wenden."
    Özdemir: Yildirim ist skrupellos
    Grünen-Chef Cem Özdemir wirft Yildirim Skrupellosigkeit vor. Er missbrauche die deutsche Demokratie, um für das geplante autoritäre Präsidialsystem zu Werbung machen, während in der Türkei die Meinungsfreiheit mit Füßen getreten, Journalisten und Oppositionspolitiker eingesperrt würden.
    "Das Mindeste, was er tun sollte, ist, denen dieselben Rechte zu gewähren, die er für sich selber in Anspruch nimmt innerhalb wie außerhalb der Türkei. Das sollte aber nicht nur Cem Özdemir sagen; da würde ich mir auch wünschen, dass das Frau Merkel, Herr Schulz und alle anderen sagen."
    Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen der Linksfraktion im Bundestag, fordert die Bundesregierung auf, den Auftritt zu verhindern.
    "Ein Einreiseverbot durch die Bundesregierung wäre das mindeste, um Yildirims Werbefeldzug für die Diktatur, für die Verfolgung von Andersdenkenden und für die Einführung der Todesstrafe zu unterbinden. Yildirim ist nicht als Privatmann hier, sondern als ein Regierungschef. Und insofern ist es natürlich Außenpolitik, und der Bund hat darüber zu entscheiden."
    Yildirim braucht keine Genehmigung
    Nicht der Bund, sondern Nordrhein-Westfalen sei als Bundesland für die Veranstaltung zuständig. Und für den Auftritt sei keine rechtliche Genehmigung erforderlich, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer.
    "Hier geht es um eine Versammlung, die unter das Versammlungsrecht fällt. Und ansonsten ist es ja durchaus so, dass es immer wieder Auftritte ausländischer Politikerinnen und Politiker in Deutschland gibt und nicht nur des türkischen Ministerpräsidenten, sondern auch der türkischen Opposition, die hier Veranstaltungen durchführt. Oder ich erinnere mich an einen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten, der hier in Berlin aufgetreten ist."
    Das Bundesinnenministerium verweist auf die Gastfreundschaft Deutschlands. Die Rede Yildirims solle nicht dazu beitragen, dass innertürkische Konflikte in Deutschland angeheizt würden, sagte ein Ministeriumssprecher. Yildirim wird an der Sicherheitskonferenz in München teilnehmen und dort auch Bundeskanzlerin Merkel zu einem Gespräch treffen.