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Türwächter der Information

Informationstechnik. – Im Dschungel der Internetseiten sind Suchmaschinen geradezu ein Segen. Doch die Betreiber handeln dabei nicht uneigennützig, verdienen sie doch ihr Geld damit. Welche Risiken das für den Verbraucher birgt, erörterten Experten jetzt in Berlin.

Von Tobias Wenzel | 27.06.2006
    "Gatekeeper" - "Türwächter", dieses Wort war in aller Munde auf der wissenschaftlichen Tagung zur Macht von Suchmaschinen:

    "Die Suchmaschinen sind deshalb zu Gatekeepern geworden, weil sie uns die Informationen, die im Internet vorhanden sind, erst einmal sichtbar machen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass wir direkt eine Webseite anwählen. Aber dann müssen wir die Adresse kennen. Und das ist ganz selten der Fall."

    So der Leipziger Journalistik-Professor und Experte für Suchmaschinen Marcel Machill. Wer Suchmaschinen nutzt, unterwirft sich einer fremden Vorauswahl. Aber welche Qualität hat diese Auswahl? Benjamin Edelman von der Harvard Universität hat den Aspekt der Online-Sicherheit von Suchmaschinen untersucht. Edelman analysierte mit Hilfe einer speziellen Software eine Million Internetseiten und Download-Links, um Gefahrenpotentiale auszumachen: zum Beispiel Viren und Trojanische Pferde, die Werbebotschaften laden oder den Nutzer ausspionieren. Diese gefährlichen Internetseiten glich der US-Forscher dann mit Ergebnissen gängiger Suchmaschinen ab. So konnte er mit Vorurteilen aufräumen:

    "Die erste Treffer-Seite enthält genauso viele Links zu unsicheren Internetseiten wie die zweite Ergebnisseite und die dritte. Viele Menschen sagen: ‚Ich nutze nur die erste Treffer-Seite. Google achtet bestimmt darauf, dass dort oben nur die besten und sichersten Links angezeigt werden!‘ Diese Strategie mag gut klingen, ist aber ein Trugschluss, weil sie eben keinen nennenswerten Schutz bietet."

    Benjamin Edelman konnte nachweisen, dass gewisse Kategorien von Suchbegriffen eher zu gefährlichen Internetseiten führen als andere. Wer bei Google zum Beispiel einen Suchbegriff aus dem Bereich ‚digitale Musik‘ eingibt, dem zeigt Google zu 24 Prozent gefährliche Internetseiten an. Und Google ist in diesem Sinn noch nicht einmal die gefährlichste Suchmaschine:

    "Google liegt irgendwo im Mittelfeld. Die Suchmaschine MSN ist sicherer, allerdings vor allem deswegen, weil sie weniger Werbelinks bietet als Google. Werbelinks führen nämlich viel häufiger auf unsichere Seiten als natürliche Suchergebnisse. Als schlechteste Suchmaschine erwies sich ‚Ask‘. Die ist voll von gefährlichen Links. Es gibt also noch viel zu tun, um die Qualität von Suchmaschinen zu verbessern."

    Benjamin Edelman hat eine Software-Lösung entwickelt, die gefährliche Rechercheergebnisse von Suchmaschinen mit einem roten Warnsymbol versieht. Doch auch sonst lauern in Suchmaschinen Gefahren. Hendrik Speck und Frédéric Philipp Thiele von der Fachhochschule Kaiserslautern haben nachgewiesen, dass man mit geringem Fachwissen über eine einfache Suchmaschinen-Recherche sehr leicht an brisante Daten gelangt. So installieren immer mehr Menschen Webcams in ihrem Haus, um aus dem Urlaub über das Internet nach möglichen Einbrechern Ausschau zu halten. Frédéric Philipp Thiele:

    "Der einzige Unterschied, der den Einbrecher davon abhält, dieses Mittel sich zu einem mächtigen Werkzeug zu machen und festzustellen, dass gerade niemand zu Hause ist, ist dieses Passwort. Und wenn ein Nutzer dieses Passwort nicht ändert, reicht es einfach, wenn entsprechend jemand Zugriff auf die Passwörter bekommt und damit den Spieß umdreht: Der Dieb spioniert den Besitzer aus."

    Der Kriminelle muss nur die Type der Kamera in eine Suchmaschine eingeben. Und schon hat er Zugang zu unzähligen Webcams. Vorausgesetzt, die Besitzer der Kamera haben die voreingestellten trivialen Zugangsdaten, die so genannten Default-Passwörter, nicht geändert. Das unterbleibt jedoch viel zu oft aufgrund mangelnder Medienkompetenz. Da stellt sich zwangsläufig eine Frage, so der Informatiker Hendrik Speck:

    "Können wir es von dem normalen Nutzer erwarten, dass er dieses Wissen bereit hält? Oder sollte der Gerätehersteller nicht von vornherein darauf achten, dass ein Gerät nicht im Netz funktioniert, wenn die Default-Passwörter nicht geändert sind? Technisch kostet das nichts."