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Turbinen im Recycling

Bereits bestehende Windparks lassen sich aufrüsten. Repowering lautet der Fachbegriff, bei dem ältere und kleinere Anlagen durch neue und oft höhere ersetzt werden. Allerdings kommt dabei die Frage auf: Wohin mit dem Altanlagen?

Von Peer-Axel Kroeske | 05.09.2011
    "Also wir haben hier eine 450 kW-Bonus-Anlage stehen, die wir für Gambia fertig gemacht haben, die dort im November aufgestellt wird, die wir komplett überarbeitet haben. Das Getriebe ist neu gekommen, der Generator ist neu gekommen."

    In Westafrika drehen sich bald Windräder, die 15 Jahre in Norddeutschland ihren Dienst taten und dieselbe Zeit hoffentlich noch vor sich haben. In der Werkstatt vom Windstromservice im nordfriesischen Viöl werden sie fit gemacht. Preis pro Stück inklusive Überarbeitung: 150.000 Euro, nur ein Viertel vom Neupreis. Zugegebenermaßen, das ist ein exotisches Projekt. Ein Grund dafür: Gebrauchte Windräder lassen sich immer schwerer verkaufen. Denn in den bisherigen Abnehmerländern in Osteuropa läuft nur noch wenig, erklärt Björn Schäfer:

    "Die ganzen baltischen Länder, Polen, Rumänien, Bulgarien – da hat man in den letzten fünf Jahren noch ohne Probleme Anlagen hin verkaufen können. Aber dort hat sich die Gesetzgebung auch verändert. Und somit ist der Markt da ein bisschen zusammengebrochen."

    Neuere Anlagen können das Netz besser stabilisieren. Ob das der alleinige Grund ist – Dirk Nielsen, der den Rückbau von Windanlagen organisiert, ist sich nicht sicher:

    "Netzversorger sehen das ja nicht unbedingt gerne, dass Private da 500-kW-Anlagen installieren. Aber gerade im Ausland wird oft auf Deutschland geguckt. Und genauso ist es bei den technischen Anschlusskriterien. Da wird auch oft Deutschland als Vorbild genommen."

    Fakt ist: Der Osteuropamarkt bricht weg. Und das in einem Moment, in dem das Repowering boomt. Da die Entwicklungsländer nun nicht alles abnehmen können, was hier nicht mehr gebraucht wird, bleiben nur zwei Optionen:

    "Die Maschine einzulagern und als Ersatzteillager zu verwenden. Und die dritte Möglichkeit ist, die Maschine zu verschrotten und die Reststoffe wieder zu verwerten."

    Das Fundament oder der Turm aus Spannbeton können zum Beispiel im Wegebau recycelt werden. Ein weiterer Teil der Anlage bringt sogar gutes Geld, sodass zumindest die Abbaukosten wieder reinkommen dürften:

    "Es ist ja auch viel Kupfer, Kabel, Generatoren, Trafo, die man wiederverwerten kann. Problematisch ist das momentan mit den Rotorblättern. Die werden im Moment entsorgt und können dann nicht in einen Kreislauf zurückgeführt werden."

    Das Glasfaser-Harz-Gemisch ist schwer zu handhaben. Schreddern und neu als Rotorblatt zusammensetzen- dabei würde die Qualität auf der Strecke bleiben. Deshalb wandern die Blätter auf Deponien oder in die Müllverbrennung, für etwa 3000 Euro. Angesichts der Gesamtkosten einer Anlage ein vergleichsweise überschaubarer Betrag. Aber rund zehn Tonnen Müll - das passt so gar nicht zum grünen Image. Einen neuen Ansatz verfolgt daher das Zementwerk von Holcim in Lägerdorf nördlich von Hamburg.

    "Da unser Rohmaterial reine Kreide ist, haben wir hier ein Rohmaterial, was für die Zementherstellung fast ein bisschen zu rein ist. Und wir müssen dem Material deswegen andere Komponenten wie Sand hinzugeben",

    erklärt Ingenieur Stephan Hinrichs vom Projekt Geocycle. Die alten Rotorblätter kommen da gerade richtig. Beim Verbrennen ersetzen sie Braunkohle, die sonst in den Ofen benötigt wird. Und ihre Asche kann den Sand in der Zementherstellung ersetzen.

    "Nach der Aufbereitung der Rotorblätter, wo die ganzen Metalle schon abgeschieden wurden, wird wirklich das Material in den Zementprozess aufgegeben. Und die Aschen, die nach der Verbrennung übrigbleiben, dienen dann auch im Prozess direkt als Ersatzstoff."

    Eine mobile Anlage zerlegt die Rotorblätter bereits an ihrem alten Standort im Windpark. Das spart Transportkosten. Auch Karbon- und Glasfasern aus dem Auto- oder Bootsbau könnten auf diese Weise recyclingfähig werden. Einen Run auf dieses Verfahren gibt es aber noch nicht, es steckt noch in den Kinderschuhen.

    "Gewisse Entsorgungskosten – die schrecken natürlich den einen oder anderen heute noch zurück."

    50 Anlagen erst wurden auf diese Weise verwertet. Geschäftsführer Morten Holpert hofft aber auf den Gesetzgeber, der ein Recycling zur Pflicht machen könnte, auch wenn es teurer ist.

    "Ich glaube eben, bis 2015 wird sich noch einiges tun gerade in der Bundesrepublik, dass solche Stoffe der Verwertung zugeführt werden. Wir sind eben bereit, in Größenordnungen einfach diese Mengen anzunehmen."

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