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Turbo für das Gehirn

Neurowissenschaften. - Das Denkvermögen ist wie ein Muskel, mit dem richtigen Training lässt es sich stärken. Forscher aus Kaliforniern haben sich daher daran gemacht, Konzentration und Multitaskingfähigkeiten von Senioren mit speziell entwickelten Spielen zu fördern. In "Nature" berichten sie darüber.

Von Volkart Wildermuth | 05.09.2013
    "I am dangerous here, I have to manage this side here."

    Hier wird es gefährlich, ich muss aufpassen. Der ältere Herr spricht von dem kleinen virtuellen Auto, dass er flott über eine hügelige Straße auf dem Monitor lenkt. Das Computerspiel gibt es nicht zu kaufen. NeuroRacer wurde eigens auf die geistigen Bedürfnisse von Senioren maßgeschneidert.

    "Es gibt zwei Aufgaben. Man muss einen Knopf auf dem Controller drücken, immer wenn ein grüner Kreis erscheint, und nur dann. Gleichzeitig muss man das Auto auf der kurvigen Straße halten und bei Steigungen beschleunigen oder abbremsen. Beide Aufgaben erfordern viel Aufmerksamkeit."

    Und gerade Konzentration und Multitasking sind für ältere Menschen eine Herausforderung. Adam Gazzaley von der Universität von Kalifornien in San Francisco hat NeuroRacer an allen Altersgruppen getestet und festgestellt, dass die Treffsicherheit beim Zeichenerkennen und gleichzeitigen Autosteuern mit den Lebensjahren kontinuierlich absinkt. Deshalb hat der Hirnforscher 16 Senioren im Alter zwischen 60 und 85 Jahre gezielt trainiert.

    "I am 63 but I noticed that I forget sometimes."

    Ich bin 63 und leicht vergesslich, meint diese Frau. Im Alltag hat sie aber keine Probleme. Computerspiele waren für sie wie für die anderen Senioren Neuland. Da brauchte es am Anfang etwas Hilfestellung im Labor.

    "That is right, drive with the relevant signs, yes so you can change back to what is supposed to be."

    Prima, das Auto ist wieder in der Mitte und der grüne Kreis wurde auch bemerkt. Nach der Einweisung bekamen die Senioren den NeuroRacer mit nach Hause und trainierten insgesamt zwölf Stunden. Gazzaley:

    "Das Spiel passt sich an. Je besser die Teilnehmer werden, desto anspruchsvoller wird es, optimal für ihre Fähigkeiten."

    Nicht zu einfach und damit langweilig, aber auch nicht frustrierend schwierig, das macht das Spiel interessant und spannend. Die Senioren hatten Spaß, nach Ansicht von Adam Gazzaley eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Nach vier Wochen lud er seine Versuchsteilnehmer wieder ins Labor und ließ sie dort eine Runde mit dem NeuroRacer drehen. Und tatsächlich schnitten die meisten Alten so erfolgreich ab, wie Zwanzigjährige, die sich zum ersten Mal an dieses Spiel setzten. Diese Verbesserung hielt über ein halbes Jahr an, und das ohne weiteres Training.

    "Noch wichtiger: älteren Menschen, die ihre Multitasking Fähigkeit mit dem NeuroRacer trainiert hatten, waren auch bei anderen geistigen Fähigkeiten leistungsstärker, bei Tests für langanhaltende Konzentration und für das Kurzzeitgedächtnis."

    Das heißt, es gab einen Transfer des Trainingserfolges auf andere, wenn auch verwandte Fähigkeiten, die durchaus für den Alltag eine Rolle spielen. Adam Gazzaley vermutet, dass es einen gemeinsamen Kern der geistigen Kontrolle gibt, der ihnen allen zugrunde liegt. Dafür spricht auch die Hirnaktivität. Das Elektroenzephalogramm zeigte vor dem Training große Unterschiede zwischen jungen und alten Manschen. Nach vier Wochen NeuroRacer hatte das Gehirn der Senioren den Rückstand aufgeholt.

    "Wenn wir uns die EEG-Kurven ansehen, sehen wir, dass der Präfrontalkortex aktiver ist und dass die vordere und die hintere Hirnhälfte effektiver miteinander kommunizieren."

    Beide Aspekte gelten als wichtig, um Aufgaben gezielt lösen zu können. Entscheidend ist sicher, dass der NeuroRacer, im Unterschied zu vielen anderen Hirntrainern, ständig passende Herausforderungen in einer komplexen virtuellen Welt bietet. Auf dieser Ebene gibt es durchaus Ähnlichkeiten zu klassischen Action-Spielen. Adam Gazzaley glaubt nicht, dass älteren Menschen mit jedem beliebigen Computerspiel ihren grauen Zellen zusätzlichen Schwung verleihen können. Der NeuroRacer versucht sehr gezielt, konkrete nachlassende geistige Fähigkeiten im Alter zu stärken. Entscheidend ist es, so Adam Gazzaley, das Gehirn zu fordern, dann kann es in jedem Alter Fortschritte machen.

    "Ich will Spiele entwickeln, die es gesunden, älteren Menschen erlauben, aus ihrem Gehirn das Beste herauszuholen."