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Turbulenzen bei Volkswagen
Konzernchef Diess verliert Posten für Kernmarke

Vorstandschef Herbert Diess muss nach internen Auseinandersetzungen die Führung der Hauptmarke Volkswagen abgeben. Diess soll mehr "Freiraum" für seine Aufgabe als Konzernchef bekommen, heißt es offiziell. Was bedeutet das für den Topmanager? Und kehrt endlich Ruhe bei Deutschlands größtem Autobauer ein?

Von Silke Hahne | 09.06.2020
Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender Volkswagen AG und Ralf Brandstätter, Marken-COO Volkswagen vor der Eröffnung Internationale Automobil- Aussstellung IAA 2019 in Frankfurt
VW-Konzernchef Herbert Diess (l.) gibt die Führung der Kernmarke an den bisherigen Co-Geschaeftsfuehrer Ralf Brandstaetter (r.) ab (dpa / picture alliance / Malte Ossowski / SVEN SIMON)
Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess leitet zukünftig nicht mehr die Kernmarke VW. Diese Entscheidung fiel nach wochenlangem Streit in der Führung nach einer außerordentlichen Sitzung in Wolfsburg. Der Betriebsrat hatte den Konzernchef kritisiert und ihm Managementfehler vorgeworfen. Die Arbeitnehmervertreter machten Diess für die Softwareprobleme beim Golf 8 und dem neuen Elektroauto ID.3 verantwortlich.
Ist das als Entmachtung von Diess zu bewerten?
Ja, denn die Marke Volkswagen ist nicht nur namensgebend für den Konzern, sondern im Gefüge der insgesamt zwölf Marken auch die wichtigste Tochter, weil sie so viele Autos verkauft. Zudem ist der Entzug von Verantwortung auch in Wolfsburg kein Zeichen des Vertrauens.
Mehrere Medien hatten gar spekuliert, ob Diess sein Amt auch als Konzernchef verlieren würde, aber dafür steht wohl zu viel auf der Haben-Seite des Managers: Er hat den Konzern in den letzten Jahren auf seine Elektro-Strategie getrimmt, was nötig war. Dabei hat er sich nicht nur Freunde gemacht: Immer wieder gab es Streit mit dem Betriebsrat. Dieser und Vertreter der IG Metall hatten Diess auch zuletzt attackiert, ihn verantwortlich gemacht für technische Probleme bei zwei wichtigen Auto-Modellen.
Wer ist der Nachfolger von Diess?
Ab 1. Juli soll es Ralf Brandstätter richten. Der Manager war bisher bei Volkswagen als COO (Chief Operating Officer) schon für das Tagesgeschäft zuständig, die operative Geschäftsführung. Damit ist auch er eigentlich nicht über jeden Zweifel erhaben, was die bisherigen Probleme angeht. Aber was Brandstätter von Diess unterscheidet: Er ist schon lange bei VW, kommt aus Braunschweig, hat bei VW eine Lehre gemacht und ist nach einem Studium dorthin zurückgekehrt. Vielleicht hat er das Vertrauen der Mitarbeiter auf seiner Seite. Wie aus Kreisen des Betriebsrates zu hören ist, begrüßen die Arbeitnehmer die Trennung von Diess.
Kehrt nun also wieder Ruhe ein in Wolfsburg?
Kurzfristig vielleicht, aber bei Volkswagen sind die Machtverhältnisse traditionell kompliziert und in den nächsten Monaten stehen wichtige Weichenstellungen an. Dabei mischen alle mit, die auch sonst das Machtgefüge im Konzern bestimmen: Der mächtige Betriebsrat genau wie die wichtigen Anteilseigner, die Familie Porsche-Piëch, sowie das Land Niedersachsen.
Herbert Diess (r), Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, und Hans Dieter Pötsch, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Volkswagen AG im Jahr 2018
Dieselskandal - Verfahren gegen VW-Manager eingestellt
Das Strafverfahren wegen möglicher Marktmanipulation gegen VW-Konzernchef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wird gegen eine Zahlung von neun Millionen Euro eingestellt.
Vor welchen Herausforderungen steht VW aktuell?
Die Herausforderungen sind mannigfaltig: Es wird darum gehen, die technischen Probleme einzuhegen; die E-Autos in großer Zahl auf die Straße zu bringen, um EU-Strafzahlungen zu vermeiden; und letztlich gegen Ende des Jahres auch darum, welche Werke künftig noch wie gut ausgelastet sein werden, also um Arbeitsplätze. Die sind nicht erst seit der Coronakrise bedroht: der Wandel zu mehr E-Motoren und die steigende Automatisierung in der Fertigung führen dazu, dass langfristig viele Stellen auf der Kippe stehen.
Jörg Hofmann im Gespräch mit einem Journalisten. Er gestikuliert mit beiden Händen.
IG-Metall-Chef zum Konjunkturpaket: Mehrwertsteuersenkung wird nicht reichen
Beim Konjunkturpaket der Bundesregierung sehe er viel Positives, sagte der IG-Metall-Chef Jörg Hofmann im Dlf. Die Entscheidung, keine generelle Kaufprämie für Autos beschließen, habe ihn überrascht.
Es geht aber auch darum, endlich das Image dieses Konzerns aufzupolieren. Das hat nicht nur durch den Abgasskandal gelitten, zuletzt auch wegen eines rassistischen Werbespots. Nachdem das Problem erst lange vom Konzern unter den Teppich gekehrt wurde, hat die Revision schließlich eine Untersuchung eingeleitet. Über das Ergebnis berät heute der Vorstand. Möglicherweise werden die zentralen Erkenntnisse auch veröffentlicht, der Konzern hatte das bisher geplant.