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Tusk und Juncker gehen
Stabswechsel in Brüssel

In Brüssel herrscht heute ein bisschen Wehmut, denn Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk haben sich aus ihren Ämtern verabschiedet. Die neue Führung der Europäischen Union steht schon in den Startlöchern - und wird einige Herausforderungen bewältigen müssen.

Von Paul Vorreiter | 29.11.2019
Donald Tusk (l) und Jean-Claude Juncker unterhaltenm sich. Tusk gestikuliert dabei mit der rechten Hand.
Donald Tusk (links) und Jean-Claude Juncker (rechts) nehmen Abschied (dpa-bildfunk / AP / Alastair Grant)
Auf eines war in den vergangenen fünf Jahren in der Brüsseler Rue de La Loi 175, dem Sitz des EU-Rats, immer Verlass: Ratspräsident Donald Tusk behielt stets seinen eigenwilligen Humor, so auch heute, am Tag seines Abschieds, als er seine Amtszeit mit einem Alfred Hitchcock-Thriller verglich.
"I didn’t even suspect that the scenario of my term would be written by Alfred Hitchcock himself. You might remember his recipe for a good thriller. I want a film that begins with an earthquake and ends with a climax."
Was einen guten Thriller ausmacht, ein Erdbeben zu Beginn und eine Handlung, die auf einen Höhepunkt zuläuft. Die Erdbeben zu Beginn seiner Amtszeit listete Tusk selbst auf - gemeint waren die Krisen, die der Pole durchlaufen musste: Griechenlandkrise, Ukraine-Krise, der Kampf gegen die Terrororganisation IS vor den Grenzen Europas, der Brexit, die Migrationsfrage.
Und doch war es ihm immer eine Ehre gewesen, den europäischen Bürgern zu dienen. Europa sei sogar der beste Ort auf der Welt, wenn er ein Kontinent von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit bleibe, der von Bürgern bewohnt bleibt, die sich ihrer Tradition bewusst seien. Mit Dankes-Worten an seine Mitarbeiter verabschiedete sich Tusk und übergab sein Amt an den Nachfolger, den ehemaligen liberalen Premier Belgiens, Charles Michel.
"Today I am leaving the European council but what is the best part of it is staying with you dear Charles. Thank you all from the bottom of my heart."
Es wird etliche Herausforderungen geben
Applaus kommt auf, Donald Tusk bittet aufzuhören, sonst müsste er weinen. Das ist der Moment für Charles Michel, die Glocke an sich zu nehmen, mit der der Ratspräsident die EU-Gipfel mit den Staats- und Regierungschefs einläutet. Der 43-Jährige ist der zweite Belgier im Amt nach Herman van Rompuy. Seine Aufgabe wird es sein, in den kommenden fünf Jahren die EU nach außen zu repräsentieren und Komprisse zu finden bei den EU-Staats- und Regierungschefs. Herausforderungen wird es etliche geben: Der neue siebenjährige EU-Haushalt muss noch ausverhandelt werden, der Brexit ist nicht erledigt, in der Migration sind einige politische Gräben zu überwinden. Charles Michel kündigte an, wie er es anpacken will.
"Ich will mich den Problemen vernünftig nähern, innovativ und effizient sein, ich werde meinen eigenen Stil haben, der offen für den Dialog ist und mich dem verschreiben, Brücken zu bauen und vielleicht werde ich auch vorsichtiger sein mit meinen Tweets - wenigstens am Anfang."
Eine Anspielung auf Donald Tusk, der auf diese Weise manchmal Irritationen auslöste. Der Pole hatte während eines Gipfels ein Foto gepostet, das zeigt, wie er der damaligen britischen Premierministerin May ein Stück Kuchen anbot. Doch er warnte: Kirschen picken geht nicht. Ein Seitenhieb auf den Verhandlungsstil der Briten zum Brexit.
Jean-Claude Juncker verabschiedet sich
Michel kündigte an, sich für eine grüne europäische Wirtschaft einzusetzen, die weltweit führend sein soll. Auch solle die EU auf internationaler Ebene stärker zu hören sein. Eine neue Seite würde heute aufgeschlagen, auf ihn könne man sich verlassen.
"Today we turn a new page you can count on me."
Nur einige Meter entfernt - auf der anderen Seite der Rue de La Loi, im Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der EU-Kommission- wurde heute ebenso Abschied genommen. Der scheidende Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker präsentierte sich im sogenannten Mittags-Briefing, der werktäglichen Pressekonferenz der Kommission, den Journalisten. Er sagte er wolle sich bedanken, doch nicht wirklich. Er wisse, dass Journalisten und Politiker auf professioneller Distanz bleiben sollten.
"I wanted to address you a very last time not to thank you because this is a mode and a way of expression of respect which is not the one which should be existing between policy makers and the press."
Am Sonntag, dem 1. Dezember, nimmt die Kommission von Ursula von der Leyen die Geschäfte auf. Das ist möglich geworden, nachdem das EU-Parlament Mitte dieser Woche das Team von der Leyens bestätigt hatte.