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TV-Duell in Großbritannien
May unter Druck

Am Abend haben sich Großbritanniens Premierministerin Theresa May und ihr Herausforderer Jeremy Corbyn zum ersten TV-Duell vor der Unterhaus-Wahl getroffen. Einen direkten Schlagabtausch gab es zwar nicht, dennoch sorgte vor allem der in der eigenen Partei umstrittene Labour-Führer Corbyn für eine Überraschung.

Von Burkhard Birke | 30.05.2017
    Großbritanniens Premierministern Theresa May beim indirekten TV-Duell mit Jeremy Corbyn vor der Unterhaus-Wahl
    Laut Umfragen liegt die Labour Party nur noch fünf bis sieben Prozent hinter der Regierungspartei von Premierministerin Theresa May. (AFP/ Stefan Rousseau)
    Das war die Botschaft des Abends für die Wähler und für die EU:
    Wenn Theresa May nicht bekommt, was sie beim Brexit will, sei sie bereit die Verhandlungen scheitern zu lassen. Sie, die einstige EU-Befürworterin, gab sich als die Vollstreckerin des Willens des britischen Volkes.
    "Es ist immer deutlicher geworden, so wie bei diesem Wahlkampf, dass es Parteien gibt, die den Willen des britischen Volkes missachten wollen."
    Zu den Parteien gehört nicht Labour, die einen fairen Austritt unter Beibehaltung der sozialen Errungenschaften und Rechte für EU Bürger und Briten in der EU aushandeln will.
    Premierministerin May suchte offensichtlich eine Rechtfertigung für die überraschend angekündigte Wahl, die sie zuvor mindestens acht Mal abgelehnt hatte. Wahlen, bei denen nach dem Anschlag von Manchester die Sicherheit auf der Agenda war.
    "Eine Perversion des Islam sei der Anschlag gewesen. Wir brauchen eine Strategie der Sicherheit und eine Außenpolitik, die den Kontakt sucht, um die Welt für uns alle sicherer zu machen."
    Jeremy Corbyn will mehr Polizei einführen. Theresa May hat sie als Innenministerin abgebaut und Mühe dies zu rechtfertigen.
    "Wir brauchen nicht nur genügend Antiterror- und Polizeikräfte, sondern die müssen auch die nötigen Instrumente haben. Als Innenministerin habe ich entsprechende Gesetze durchgebracht."
    May sichtbar unter Druck
    Theresa May stand sichtbar unter Druck. Die Premierministerin wusste wohl weshalb sie ein direktes Rededuell mit dem als nicht premierministrabel verhöhnten Labour-Führer Jeremy Corbyn abgelehnt hatte. Der Linksausleger machte den Anfang der Fragerunden: Zuerst 20 Minuten aus einem gemischten Publikum von Tory-, Labour- und unentschlossenen Wählern. Dann die knallharten Fragen des härtesten Interviewers auf der Insel, von Jeremy Paxman. Im Wahlprogramm stünde nichts über die Abschaffung der Monarchie, was Corbyn doch für richtig hielte?
    "Im Programm steht nichts, weil wir es nicht machen. Es steht nicht auf der Agenda, jedenfalls nicht auf meiner – und wissen Sie was? Ich hatte eine sehr nette Unterhaltung mit der Queen."
    Immer wieder wurde der Labourführer mit seiner Vergangenheit, seinen extrem linken Positionen, seinen Kontakten zur IRA, zu Hamas konfrontiert.
    "Die Hamas hat Zivilisten getötet und Sie nennen sie Ihre Freunde?" - "Ich habe sie in einer Rede einbezogen, als ich mich für eine Zwei Staatenlösung zwischen Israel und ganz Palästina inklusive der Hamas ausgesprochen habe."
    Ein überraschend souveräner Herausforderer
    Corbyn, dem drei Viertel seiner eigenen Unterhausabgeordneten die Befähigung für das Amt des Premierministers absprechen, zeigte sich überraschend souverän.
    Er sei doch kein Diktator: Das Wahlprogramm sei von der Partei festgelegt worden. Und er verteidigte selbst für ihn so heikle Punkte wie die Modernisierung des Trident Atomwaffenprogramms und mit dem Brustton der Überzeugung die geplanten Steuererhöhungen.
    "Unser Programm will in die Zukunft investieren. Die Unternehmen und die Reichen werden etwas höher besteuert. 95 Prozent der Leute zahlen nicht mehr Steuern. Die Alternative ist: Wir sparen weiter, kürzen die öffentlichen Ausgaben und die Kluft zwischen den Reichsten und Ärmsten unserer Gesellschaft wächst."
    Hat jemals ein Politiker mit Steuererhöhungsplänen Wahlen gewonnen? Seit Bekanntwerden der Vorschläge hat Corbyns Labour Party in den Umfragen überraschend aufgeholt, liegt teils nur fünf bis sieben Prozent hinter den Tories. Deren Pläne einer als Demenzsteuer bezeichneten stärkeren Beteiligung älterer Menschen an den Kosten ihrer Pflege haben die Wähler verunsichert.
    "Es wird eine Begrenzung geben, aber wir werden die Summe nicht nennen, sondern eine Konsultation starten."
    Theresa May blieb ausweichend. Weshalb es ihr in sechs Jahren als Innenministerin nicht gelungen sei, wie versprochen die Einwanderung zu drosseln?
    "Ich übernehme die Verantwortung, aber wir wollten erst einmal den Missbrauch im System beseitigen."
    Steilvorlage für Interviewer Paxman
    Ihre häufigen Kehrtwendungen beim Thema Wahl ja oder nein, die Einführung höherer Sozialabgaben für Selbstständige, die sie dann wieder zurücknahm und jetzt das Herumlavieren bei der Pflege – waren eine Steilvorlage für Interviewer Paxman:
    "Wenn ich in Brüssel säße und mit Ihnen verhandeln müsste, dann würde ich denken: Sie ist eine Angeberin, die beim ersten Kanonenhall zusammenbricht."
    Da sah die im orangefarbenen Kostüm mit gemustertem blauen Schal und Pumps angetretene Premierministerin für einen Augenblick weniger strong and stable – stark und stabil - gemäß ihrem Motto aus. Sie, die für den Verbleib Großbritanniens eingetreten war, hatte natürlich auch keine Antwort auf die Frage aus dem Publikum, was denn nun mit den 350 Millionen Pfund pro Woche für den Staatlichen Gesundheitsdienst ist, die die Brexit-Befürworter versprochen hatten:
    "Auf beiden Seiten gab es sehr leidenschaftliche Argumente. Jetzt geht es darum, den besten Vertrag auszuhandeln."
    Wie teuer der werden darf: Darauf gaben weder sie noch Jeremy Corbyn eine Antwort: Brexit bleibt Brexit: Ob Labour oder Tories. In Großbritannien geht es um Kontinuität versus sozialen Wandel, Steuersenkungen versus mehr Reichen- und Unternehmenssteuer.
    Das ist durch das zeitversetzte Duell deutlich geworden und noch eines: Theresa May wäre nicht dort, wo sie ist, wenn sie nicht resolut wäre. Dann sei sie eben die schwierige Frau, wie sie zuvor ein Zuschauer beschrieben hatte, und würde hart verhandeln.
    Den Applaus hatte sie: Aber auch Stimmen aus dem Fünftel der noch unentschlossenen Wähler gewonnen?

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